Stuttgart schreibt Justizgeschichte

Morgen steht – von der Öffentlichkeit leider nahezu unbemerkt – eine der wichtigsten Gerichtsverhandlungen der letzten Jahre an. Der Dienstgerichtshof in Stuttgart verhandelt ab 13 Uhr darüber, ob ein Richter durch die Exekutive angehalten werden darf, die Anzahl seiner Fallerledigungen auf ein von ihr verlangtes Niveau zu steigern. Damit stehen gleich zwei tragende Rechtspfeiler unserer Demokratie auf dem Prüfstein: Das Prinzip der Gewaltenteilung und die Unabhängigkeit der richterlichen Überzeugungsbildung im Interesse der Bürger.

Der Sprecher der Fachgruppe Gewaltenteilung in der NRV, Peter Pfennig erklärt:

„Die angefochtenen dienstrechtlichen Maßnahmen greifen klar in die grundgesetzlich geschützte richterliche Unabhängigkeit ein. Wenn ein Richter, dessen zeitlicher Arbeitseinsatz hier nicht zu beanstanden ist, gleichwohl von der Justizverwaltung ausdrücklich ermahnt wird, seine Produktivität zu steigern und zwar egal wie, läuft dies im Ergebnis darauf hinaus, dass der betroffene Richter den Zeitpunkt, wann er einen konkreten Fall für ausgeschrieben und damit für entscheidungsreif hält, nicht
mehr von seiner höchstpersönlichen richterlichen Überzeugungsbildung, sondern allein von den, ihm vorgegebenen Erledigungszahlen abhängig machen soll. Das darf weder Bestand haben noch Schule machen. Wir unterstützen daher den Richter,der im vorliegenden Fall das greifbar verfassungswidrige Ansinnen der Präsidentin des OLG Karlsruhe zu Recht zum Dienstgerichtshof gebracht hat, uneingeschränkt.Es ist nun Sache der angerufenen Dienstgerichtsbarkeit, die Dinge wieder gerade zu rücken und der versuchten Einflussnahme, die unabhängige Rechtsprechung von behaupteten Produktivitätsgesichtspunkten abhängig zu machen, einen Riegel
vorzuschieben. Alles andere hieße, den grundgesetzlich verbürgten Anspruch des rechtsuchenden Publikums auf eine von äußeren Einflüssen unabhängige Rechtsfindung abzuschaffen und damit die rechtsprechende Gewalt der Fremdbestimmung durch die Exekutive auszuliefern.“

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