Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs noch in dieser Legislaturperiode!
Die Neue Richtervereinigung unterstützt den interfraktionellen Gesetzentwurf zur Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs, der von 328 Abgeordneten in den Bundestag eingebracht worden ist. Wir halten den Gesetzesvorschlag nicht nur für ausgewogen und methodisch ausgefeilt, sondern erachten die vorgeschlagene Regelung auch als Betroffene – Richterinnen und Staatsanwältinnen als Mütter, Richter und Staatsanwälte als Väter – für zeitgemäß und sachgerecht.
Mit dem vorliegenden Entwurf werden überfällige Gesetzesänderungen vorgenommen, die Hürden auf dem Weg zu einer guten Gesundheitsversorgung für ungewollt Schwangere abbauen. Der Vorschlag schafft Rechtssicherheit für Ärztinnen und Ärzten, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen und sichert damit den Zugang zu einer unverzichtbaren medizinischen Leistung:
- Frühe Schwangerschaftsabbrüche bis zur 12. Woche werden rechtmäßig. Schwangere stehen (auch danach) nicht länger unter Strafandrohung. Das ist nicht nur eine „formale Anpassung“, sondern spiegelt eine veränderte gesellschaftliche Perspektive auf den Schwangerschaftsabbruch wider. Sie lässt das mit der Verwirklichung eines Straftatbestands verbundene Unwerturteil entfallen und zeigt damit soziale Solidarität in einer schwierigen Lebenslage. Die Gesellschaft erkennt an: Keine Schwangere trifft die Entscheidung zu einem Abbruch leichtfertig.
- Der Zugang zum sicheren Schwangerschaftsabbruch ist im Schwangerschaftskonfliktgesetz zu regeln. Schwangerschaftsabbrüche gegen oder ohne den Willen der Schwangeren sind weiterhin im Strafgesetzbuch geregelt. So wird systematisch klar zwischen legalem und strafbarem Verhalten getrennt.
- Die Krankenkassen übernehmen die Kosten für den Schwangerschaftsabbruch in allen Fällen. Es wird nicht mehr zwischen unterschiedlichen Indikationen des Schwangerschaftsabbruchs differenziert. So werden Bürokratie und soziale Härten zugleich abgebaut.
- Die Beratungspflicht bleibt bestehen. Die dreitägige Wartefrist zwischen Beratung und Schwangerschaftsabbruch entfällt. Ungewollt Schwangere werden somit weiter durch soziale Betreuung aufgefangen und gleichzeitig wird das Risiko gesenkt, bei später Feststellung der Schwangerschaft die Frist zum Abbruch zu überschreiten.
Der Gesetzesentwurf hat das Potential, das Patt aufzubrechen, das seit dem zweiten Schwangerschaftsabbruchsurteil des Bundesverfassungsgerichts eine Neuregelung des Rechts des Schwangerschaftsabbruchs verhindert. Seitdem hat sich der gesellschaftliche Blick auf den Schwangerschaftsabbruch, das Familienbild und die Rolle der Frau in der Gesellschaft wesentlich gewandelt: Von der Ehefrau und Mutter zum selbstbestimmten Mitglied der demokratischen Gesellschaft. Dieser Wandel hat Eingang in die Empfehlungen der unabhängigen Expertinnenkommission gefunden, die der Gesetzesentwurf verwirklicht. Er berücksichtigt den Mehrheitswillen der Bürgerinnen und Bürger. Er achtet die Vorgaben der Verfassung. Besonders: Der Gesetzesentwurf nimmt die Menschenwürde der Schwangeren ernst. Die Entkriminalisierung des Schwangerschaftsabbruchs schützt die Gesundheit der ungewollt Schwangeren. In allen Ländern, die den Zugang zum Schwangerschaftsabbruch einschränken oder Ärztinnen und Ärzten Schwangerschaftsabbrüche untersagen, bringen sich ungewollt Schwangere in Lebensgefahr, wenn sie sich diese Leistung illegal verschaffen. Der Gesetzesentwurf respektiert, dass der Staat ihren Körper nicht zur Erhaltung eines Fötus instrumentalisieren darf und kann.
Die Neue Richtervereinigung appelliert deshalb an den Deutschen Bundestag: Treffen Sie noch in dieser Legislatur eine zukunftsweisende Entscheidung und verabschieden Sie den Gesetzesvorschlag.