Der saarländische Landtag hat Richter und Staatsanwälte weiter von der bundesweiten Besoldungsentwicklung abgehängt!
Seit der Föderalismusreform des Jahres 2006, bis zu der die Richterbesoldung bundesweit einheitlich erfolgt war, ist die Schere immer weiter auseinander gegangen. Bereits vor der aktuellen Besoldungsrunde befanden sich saarländische Richter/innen und Staatsanwälte mit großem Abstand zum Vorletzten (Bremen) am föderalen Tabellenende.
Durch das aktuelle Besoldungsänderungsgesetz vom 24. April 2024 (Gesetz zur Gewährung von Inflationsausgleichszahlungen sowie zur Anpassung von Besoldungs- und Versorgungsbezügen in den Jahren 2024 und 2025 – Amtsblatt des Saarlandes I 2024 S. 362) hat der Landtag des Saarlandes die saarländischen Richter/innen und Staatsanwält/innen nun erneut von der bundesweiten Besoldungsentwicklung abgekoppelt und die Abstände zu den anderen Bundesländern weiter vergrößert!
Zwar hat der saarl. Landtag mit diesem Gesetz eine Erhöhung aller Besoldungsgruppen pauschal um 200 Euro zum 01. November 2024 sowie eine weitere Erhöhung der Besoldungsgruppen um jew. 5,5 Prozent beschlossen. Das klingt auf den ersten Blick zunächst recht gut. Tatsächlich aber hat der Landtag die strukturelle Verfassungswidrigkeit der saarl. Richterbesoldung damit weiter verschärft:
Pauschale Anhebung aller Besoldungsgruppen um 200 Euro zum 01.11.2024
Denn dadurch, dass der saarländische Gesetzgeber zum 01.11.2024 alle Besoldungsgruppen (Beamte und Richter) pauschal um 200 Euro angehoben hat, hat er erneut zum Abschmelzen der relativen Abstände zwischen den Besoldungsordnungen beigetragen und auf diese Weise die strukturelle Verfassungswidrigkeit der saarländischen Richterbesoldung vertieft: Bereits in den vergangenen Jahren wurde der Abstand zu niedrigeren Besoldungsgruppen sukzessive zusammengeschmolzen, da die unteren und mittleren Besoldungsgruppen stärker angehoben wurden als die höheren Besoldungsgruppen.
Richterliche Berufseinsteiger erhalten im Saarland sogar weniger als ein Beamter des gehobenen Dienstes in der vorletzten Endstufe der Besoldungsgruppe A11 (Amtmann, Fachlehrer an einer Förderschule, technischer Lehrer oder Polizeihauptkommissar) sowie weniger als ein Beamter des gehobenen Dienstes in der fünftletzten Endstufe der Besoldungsgruppe A12 (Amtsrat, Amtsanwalt, Grundschullehrer) und weniger als
ein mit A14 (beginnend mit 4.716,24 Euro) besoldeter Konrektor einer Förderschule oder anderer Schulformen.
Statt konsequent alle Besoldungsgruppen prozentual gleichmäßig anzuheben, wurden die Abstände nach unten immer weiter eingeschmolzen. Statt die ehemals „pyramidenförmige“ Besoldungsstruktur durch eine gleichmäßig-prozentuale Erhöhung beizubehalten, wurde die Besoldungsstruktur schleichend in eine „urnenförmige“ verwandelt. Durch Anhebung unterer und mittlerer Besoldungsgruppen, z.B. durch Streichung
der dortigen ersten Erfahrungsstufen, wurden diese Ämter vom Gesetzgeber faktisch neu bewertet, ohne aber die Auswirkungen auf das verfassungsrechtliche Abstandsgebot zu bedenken. Durch die zum 01.11.2024 erfolgte pauschale Anhebung aller Besoldungsgruppen um 200 Euro hat diese schleichende Abschmelzung der Abstände weiter erheblich zugenommen.
Anhebung aller Besoldungsgruppen um 5,5 Prozent zum 01.02.2025
Zwar erwähnt die saarländische Landesregierung in ihrem Gesetzesentwurf explizit, dass die für die Tarifbeschäftigten vereinbarte Erhöhung „zeit- und inhaltsgleich auf die Beamtinnen, Beamten, Richterinnen und Richter sowie entsprechende Versorgungsempfängerinnen und Versorgungsempfänger im Saarland übertragen“ wird.
Was für die saarländische Landespolitik als besonders erwähnenswert erscheint, ist in anderen Bundesländern aber eine Selbstverständlichkeit.
Die anderen Länder sind aber – in Zeiten eines in bedrohlicher Weise in Bedrängnis geratenen Rechtsstaates – bei der Richterbesoldung über den Tarifvertrag für im öffentlichen Dienst Beschäftigte sogar deutlich hinaus gegangen.
So hat insbesondere Rheinland-Pfalz seine Richterbesoldung stark angehoben und ist vom drittletzten Platz nun in das solide Tabellenmittelfeld aufgestiegen: Während die R1-Eingangsbesoldung im Saarland nun um insg. 452,71 Euro angehoben wurde, hat Rheinland-Pfalz diese um 754,99 Euro angehoben – eine um 302,28 Euro stärkere Erhöhung als im Saarland! Und während die Endstufe von R1 im Saarland um insg. 600,13 Euro angehoben wurde, hat Berlin diese um 716,88 Euro, Brandenburg um 762,92 Euro und Sachsen sogar um 789,75 Euro angehoben – eine um 189,62 Euro stärkere Erhöhung als im Saarland! (Auch diese schwächer ausgeprägte Erhöhung der R1-Endstufe im Saarland trägt zur o.g. schleichenden Umwandlung der „pyramidenartigen“ Besoldungsstruktur zu einer „urnenförmigen“ Besoldungsstruktur im Saarland weiter bei).
Auch ist nicht zu vergessen, dass in den letzten beiden Jahren die Mehrheit der Bundesländer die niedrigste Erfahrungsstufe der R1-Besoldung gestrichen hat (in Hessen sogar die beiden niedrigsten Erfahrungsstufen) – bei gleichzeitiger höherer Einstufung auch der erfahreneren Kolleg/innen – was dort auch damit begründet wurde, den gebotenen Mindestabstand zur Grundsicherung herzustellen und das Abstandsgebot zu wahren.
Vorstehende Ausführungen betreffen aber nur die Grundgehälter. In vielen Bundesländern gibt es zudem noch Sonderzahlungen (wie z.B. das Weihnachtsgeld).
Auch erheben viele Bundesländer keine Kostendämpfungspauschale bei der Beihilfenabrechnung. Die übrigen Länder (mit Ausnahme von Rheinland-Pfalz mit ebenfalls 300 Euro) erheben jedenfalls geringere Kostendämpfungspauschalen als das Saarland mit 300 Euro (Sachsen z.B. nur 80 Euro).
Evidente Verfassungswidrigkeit der saarländischen Richterbesoldung
Unter Berücksichtigung von Sonderzahlungen und den Auswirkungen der Kostendämpfungspauschale(n) erhalten saarländische Richter/innen und Staatsanwält/innen somit innerhalb von 40 Dienstjahren im arithmetischen Mittel berechnet nun:
– 341.780 Euro weniger als ihre Kolleginnen und Kollegen in Sachsen,
– 319.486 Euro weniger als ihre Kolleginnen und Kollegen in Bayern,
– 268.000 Euro weniger als ihre Kolleginnen und Kollegen in Hessen,
– 215.594 Euro weniger als ihre Kolleginnen und Kollegen in Berlin,
– 212.304 Euro weniger als ihre Kolleginnen und Kollegen in Baden-Württemberg,
– 194.577 Euro weniger als ihre Kolleginnen und Kollegen in Brandenburg,
– 170.450 Euro weniger als ihre Kolleginnen und Kollegen in Rheinland-Pfalz,
– 167.045 Euro weniger als ihre Kolleginnen und Kollegen in Thüringen,
– 146.011 Euro weniger als ihre Kolleginnen und Kollegen in Mecklenburg-Vorpommern,
– 145.556 Euro weniger als ihre Kolleginnen und Kollegen in Schleswig-Holstein,
– 140.999 Euro weniger als ihre Kolleginnen und Kollegen in Hamburg,
– 136.714 Euro weniger als ihre Kolleginnen und Kollegen in Niedersachsen,
– 125.986 Euro weniger als ihre Kolleginnen und Kollegen in Nordrhein-Westfalen,
– 86.684 Euro weniger als ihre Kolleginnen und Kollegen in Sachsen-Anhalt,
– 71.588 Euro weniger als ihre Kolleginnen und Kollegen in Bremen.
Der Ländervergleich fiele noch stärker aus, berücksichtigte man nicht nur die Kostendämpfungspauschale(n), sondern auch die teils deutlich höheren Familienzuschläge sowie die höheren Sonderzahlungen zum Familienzuschlag, wie z.B. in Bayern.
Im Ergebnis steht die im föderalen Gefüge massiv ins Ungleichgewicht geratene Richterbesoldung auch mit dem Staatsziel der „Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse“ gem. Art. 72 Abs. 2 GG eindeutig im Widerspruch: Denn saarländische Richter erbringen die gleiche Leistung. Lebensmitteleinkäufe sind für einen saarländischen Richter genauso teuer wie für einen sächsischen Richter. Für das (Auslands-)Studium seiner Kinder muss ein saarländischer Richter genauso tief in die Tasche greifen wie ein Berliner Richter. Für den Kauf eines Fahrzeugs muss ein saarländischer Richter den gleichen Preis aufwenden wie ein bayerischer Richter. Ein Sommerurlaub kostet für einen saarländischen Richter genau so viel wie für einen Richter aus Baden-Württemberg; etc.
Die saarländische Landesregierung und der saarländische Gesetzgeber erscheinen demgegenüber festentschlossen, der sich immer weiter auseinander entwickelnden Besoldungsentwicklung in anderen Bundesländern nur willenlos zuzuschauen und ihre fiskalischen Prioritäten in verfassungsrechtlich unzulässiger Weise falsch zu setzen. Tatsächlich aber verfügt auch der saarländische Landesgesetzgeber über genügend finanziellen Spielraum, sofern er staatliche Kernaufgaben mit der verfassungsrechtlich gebotenen Priorität erfüllte, zu denen neben einer angemessenen personellen und sachlichen Ausstattung von Behörden (zweite Gewalt im Staat) und der Judikative (dritte Gewalt!) nun einmal auch die verfassungsgemäße Alimentation von Richter/innen und Beamt/innen gehört.
Vor dem Hintergrund auch der wesentlich besseren Richterbesoldung in allen anderen europäischen Staaten im Verhältnis zum Durchschnittsgehalt ihrer Bevölkerung (in absoluten Zahlen ausgedrückt verdiente im Jahr 2022 ein rumänischer Richter zu Beginn seiner Laufbahn monatlich nur 739,94 Euro brutto weniger als ein saarländischer Richter, ein slowakischer Richter nur 470,44 Euro monatlich weniger und ein portugiesischer Richter sogar nur 224,35 Euro monatlich weniger als ein saarländischer Richter; ein estnischer Richter wird jährlich sogar um 5.531,80 Euro besser besoldet als ein saarländischer Richter, da er das 2,8-Fache des dortigen Durchschnittsgehaltes erzielt; ein spanischer Richter wird jährlich sogar um 6.434,80 Euro besser besoldet als ein saarländischer Richter, da er das 2,3-Fache des dortigen Durchschnittsgehaltes erzielt) und auch vor dem Hintergrund der dringenden Ermahnung durch die EU-Kommission gegenüber den deutschen Landesgesetzgebern, die Richterbesoldung „nach europäischen Standards“ auszurichten und dadurch dafür zu sorgen, dass „die Besoldung von Richtern ihrer Rolle und Verantwortung entsprechen und hinreichend sein sollte, um sie vor Druck von außen, der ihre Entscheidungen beeinflussen soll, zu schützen“, wird deutlich, dass fiskalische Erwägungen im Hinblick auf die Richterbesoldung aus Sicht der EU-Kommission keine Rolle spielen dürfen.
Die Neue Richtervereinigung im Saarland appelliert an alle Abgeordnete des saarländischen Landtages, den von ihnen geleisteten Abgeordneteneid ernst zu nehmen und parteiübergreifend für eine verfassungskonforme Richterbesoldung im Saarland zu stimmen!
Für die Neue Richtervereinigung (NRV) im Saarland:
Dr. Thomas Haug, Amtsgericht Saarbrücken, Sprecher des Landesverbandes Rheinland-Pfalz / Saarland
5. März 2025