Bericht über die Podiumsdiskussion zur Dokumentation der strafrechtlichen Hauptverhandlung am 24.06.2024 im Landgericht Berlin I

Wer gekommen ist, bekam etwas geboten. Es war eine inhaltlich sehr gute und gewinnbringende Veranstaltung. Denn die drei Referenten sind bei dem Thema sehr streitbar, voll im Thema und haben sich sehr leidenschaftlich mit den Argumenten auseinandergesetzt.

Herr Schmitt berichtete von seinen Erfahrungen beim ICC, machte die Unterschiede zum deutschen Strafprozess deutlich, indes auch welch großen Vorteil ein Transkript gegenüber selbstgefertigten Notizen darstelle und wie viel besser es ohne das ablenkende Mitschreiben möglich sei, die Hauptverhandlung zu leiten und ihr zu folgen. Er redete dabei nicht darum herum, dass es um einen Kulturwandel gehe, der Ängste auslöse. Dabei beschrieb er seinen eigenen Haltungswandel, holte die Kolleg*innen meiner Einschätzung nach sehr gut damit ab, dass er darstellte, dass er vormals als Kammervorsitzender beim LG Darmstadt wohl gleichfalls gegen die Reform gewesen wäre, wenngleich er die vorgebrachten Gegenargumente teilweise als polemisch bezeichnete. Es lässt sich jedoch schwer gegen den Vorteil eines Transkripts argumentieren, wenn der langjährig als Vorsitzender Richter am ICC tätige Kollege aus seiner Erfahrung zu berichten weiß, dass es nicht häufig, aber doch gelegentlich vorkomme, dass er seine Einschätzung von einer Zeug*innenvernehmung durch das Lesen des Transkripts revidieren müsse, weil er etwa feststelle, dass ein ihm in der Prozesssituation aufgrund des Gesamtverhaltens (z.B. Renitenz) als irrelevant erscheinender Zeuge doch Erhebliches mitgeteilt habe.

Herr Mosbacher stellte gleichfalls klar, dass es an der Zeit sei den Strafprozess zu modernisieren und die Dokumentation ein Teil dieses Prozesses sei. Dabei macht er keinen Hehl daraus, dass die Änderung Konsequenzen für das Revisionsrecht haben werde. Hierzu zeigte er jedoch Lösungsmöglichkeiten auf. Zwischen ihm und Herrn Schmitt bestand insoweit Übereinstimmung. Dies gilt ferner auch für den Einwand, dass die Reform negative Auswirkungen auf den Opferschutz haben könne. Das wurde von den beiden nicht weggewischt. Herr Schmitt schilderte sogar Fälle, in denen Daten aus Verfahren beim ICC missbraucht und veröffentlicht worden seien. Dies wurde jedoch gut eingeordnet, etwa mit dem Verweis darauf, dass gerade in den sensiblen Verfahren betreffend Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung bereits heute umfangreich sogar Videoaufzeichnungen der Zeug*innenvernehmungen gefertigt werden und die Missbrauchsgefahr dort gleichermaßen bestehe, ohne dass jemand auf die Idee käme, das Rad an dieser Stelle zurückdrehen zu wollen.

Herr Sabel zeigte sich bezüglich des weiteren Gesetzgebungsverfahrens verhalten optimistisch, dass der Vermittlungsausschuss am Ende zu einem Kompromiss kommen werde. Er stellte noch einmal das Anliegen klar, dass das Problem der unzureichenden Dokumentation des erstinstanzlichen Strafprozesses beim LG und beim OLG unabweisbar sei und es darum gehe unter Nutzung zur Verfügung stehender Technologie die Strafjustiz zukunftsfähig zu machen. Bezüglich der
Transkriptionssoftware befinde sich das BMJ mit diversen Anbietern im Austausch. Es werde intensiv getestet, das mit zum Teil sehr guten Ergebnissen. Es sei bei der Übertragung des Transkripts bereits jetzt eine Genauigkeit von 90 % zu erzielen. Für die technische Lösung werden den Bundesländern zwar keine Vorgaben gemacht. Im Lichte der bisherigen Digitalisierungsbemühungen der Justiz auf Länderebene plädierte Herr Sabel aber für eine bundeseinheitliche Lösung. Ein Weg dazu könne sein, dass die Pilotierung bei einem Staatsschutzsenat erfolge, der Bund dies, da es ja insoweit ohnehin um Organleihe gehe, finanziere und das Ergebnis im Erfolgsfall dann von den Ländern übernommen werde. Aus technischer Sicht müsse man sich von dem Gedanken verabschieden ein Vorhaben einzuführen, wenn es perfekt erprobt sei. Vielmehr seien anfängliche Startschwierigkeiten bei der Einführung der Technik in den Strafprozess Teil der Entwicklung.

Der Diskussionsteil fiel gemessen an dem Gegenwind, der dem Gesetzentwurf aus der Praxis entgegenschlägt, sehr friedlich aus. Im Vordergrund standen technische Umsetzungsfragen und Auswirkungen auf die richterliche Arbeitspraxis. Fundamentalopposition war Fehlanzeige oder wurde zumindest nicht vorgebracht.

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