Arbeitsüberlastung an saarländischen Gerichten und ihre besorgniserregenden Folgen

Stellungnahme/Pressemitteilung zur parlamentarischen Anfrage zur Situation saarländischer Gerichte der CDU-Landtagsfraktion des Saarlandes (Drucksache 17/1364 (17/1308))

Die Neue Richter*innenvereinigung im Saarland (NRV) bedankt sich zunächst für die parlamentarische Anfrage der Abgeordneten Dagmar Heib, Alwin Theobald, Sascha Zehner und Dr. Christopher Salm, mittels derer diese sich für eine Verbesserung der Situation saarländischer Gerichte einsetzen.

Vorbemerkung:

Durch das von der Landesregierung in ihrer Antwort (abrufbar auf der Website des Landtages des Saarlandes) auf diese Weise zur Verfügung gestellte Zahlenmaterial wurde nun auch in objektiver Weise deutlich, was wir Richterinnen und Richter sowie Staatsanwältinnen und Staatsanwälte im gerichtlichen Betrieb bereits Tag für Tag (subjektiv) seit längerer Zeit spürten: Im mittleren Dienst, im Schreibdienst, im gehobenen Dienst und auch im richterlichen Dienst ist die saarländische Justiz seit Jahren personell unterbesetzt, teils ausgezehrt, was sich negativ auf die Dauer von Gerichtsverfahren auswirkt.

Mit einem beachtlichen Anstieg der strafrechtlichen Fallzahlen in den vergangenen Jahren hat sich nicht nur die Belastung der Strafjustiz erhöht, sondern auch die Verfahrensdauer. Neben angestiegener Kriminalität führen wir die längere Verfahrensdauer auch auf Arbeitsverdichtung/Personalmangel einerseits sowie auf immer anspruchsvoller gewordene oder seitens der Prozessbeteiligten intensiver geführte Strafverfahren zurück.

Und selbst in Bereichen mit rückläufigen Verfahrenszahlen, wie z.B. im Zivilrecht, in Verfahren vor dem Oberlandesgericht oder im Sozialrecht ist die Dauer der Verfahren dennoch teils dramatisch angestiegen, was ebenfalls auf Arbeitsverdichtung/Personalmangel einerseits sowie auf immer anspruchsvoller gewordene oder intensiver geführte Verfahren andererseits zurück zu führen ist.

Angesichts des Umstandes, dass spezifisch vor dem Sozialgericht die Schicksale von besonders schutzbedürftigen Personen verhandelt werden, die oftmals nicht über finanzielle Reserven verfügen, ist der Umstand langer Verfahrensdauer aus der Perspektive eines sozialen Rechtsstaates in besonderer Weise unwürdig.

Die durch PEBB§Y erfolgte Personalbedarfsrechnung stammt aus dem Jahr 2014 und entspricht nicht mehr den geänderten Herausforderungen der Gegenwart: Denn die dortigen Schätzwerte sind überholt und spiegeln nicht den tatsächlichen Personalbedarf wider. Wegen komplexer gewordener Fallgestaltungen sowie wegen seitens der Parteien und ihrer Prozessvertreter immer intensiver geführter Verfahren hat sich der Personalbedarf seitdem erhöht.

Die nächste PEBB§Y-Fortschreibung hat die Justizministerkonferenz erst für das Jahr 2027 geplant. Wir fordern die saarländische Landesregierung deshalb auf anzuerkennen, dass PEBB§Y lediglich eine Richtschnur für die Personalzuteilung an einzelne Gerichte und die Staatsanwaltschaft darstellen kann und dass der dort vor über zehn Jahren auf Grundlage durchschnittlicher Werte theoretisch errechnete Personalbedarf nicht (mehr) dem tatsächlichen Personalbedarf entspricht.

Es muss auch Raum für die Berücksichtigung von Besonderheiten einzelner Gerichte oder von Strafverfolgungsbehörden bleiben. Denn es ist Aufgabe der Justizverwaltung (in Form der Schutz- und Fürsorgepflicht des Dienstherrn), die zumutbare Arbeitsbelastung von Richter/innen, Staatsanwält/innen sowie den Kolleginnen und Kollegen aus dem mittleren Dienst nach pflichtgemäßem Ermessen und Berücksichtigung der Leistungsfähigkeit der einzelnen Personen zu bestimmen. Dies gilt auch dann, wenn sich durch Gesetzesänderungen (wie beispielsweise dem Inkrafttreten des Konsumcannabisgesetztes im vergangenen Jahr) oder Änderungen im Prozessverhalten von Beteiligten ein unvorhergesehener Mehraufwand ergibt.

 

Gleichwohl erfüllt die saarländische Landesjustizverwaltung noch nicht einmal die Vorgaben ihrer eigenen PEBB§Y-Personalbedarfsrechnung:

An saarländischen Amtsgerichten sowie dem Landgericht Saarbrücken fehlen insgesamt 22,13 (tatsächlich tätige) Richterinnen und Richter.

Ebenso fehlen weitere 29,15 (tatsächlich tätige) Staatsanwältinnen und Staatsanwälte.

Im gesamten Saarland fehlen 33,35 (tatsächlich tätige) Arbeitskräfte im gehobenen Dienst – und dies alleine in der ordentlichen Gerichtsbarkeit sowie bei der Staatsanwaltschaft und der Generalstaatsanwaltschaft.

Im gesamten Saarland fehlen 86,89 (tatsächlich tätige) Arbeitskräfte im mittleren Dienst und im Schreibdienst – und dies alleine in der ordentlichen Gerichtsbarkeit sowie bei der Staatsanwaltschaft und der Generalstaatsanwaltschaft!

(Für die Sozial-, Arbeits-, Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit liegen leider keine Zahlen vor).

In Folge immer längerer Verfahrensdauern werden viele Bürgerinnen und Bürger emotional und wirtschaftlich belastet – ein klarer Wettbewerbsnachteil für den hiesigen Wirtschaftsstandort.

Die parlamentarische Anfrage hat zudem auch bestätigt, dass innerhalb der saarländischen Justiz von Jahr zur Jahr leider immer mehr Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erkranken (Anmerkung seitens der Neuen Richter*innenvereinigung: Teilweise auch schwer mit Burnout und psychischen Problemen). Innerhalb der gesamten saarländischen Justiz hat sich der Krankenstand kontinuierlich erhöht: Von 7,24 % im Jahr 2021 über 8,27 % im Jahr 2022 auf 9,16 % im Jahr 2024. Ein kausaler Zusammenhang mit der Arbeitsüberlastung der saarländischen Justiz erscheint naheliegend.

 

Im Einzelnen:

 

I. Entwicklung der Verfahrensanzahl und Verfahrensdauer

1. Zivilverfahren

Obwohl die Anzahl an Neueingängen von Zivilverfahren vor den Amtsgerichten im Zeitraum 2019-2023 von 11.467 auf 9.641 gesunken ist, ist die durchschnittliche Verfahrensdauer in diesem Zeitraum von 5,8 auf 6,5 Monate angestiegen. Noch stärker sank kontinuierlich die Anzahl der erledigten Verfahren in diesem Zeitraum von 11.607 (im Jahr 2019) auf 9.241 (im Jahr 2023).

Besonders in den Blick fallen dabei die auffällig langen Verfahrensdauern an den Amtsgerichten Homburg und Merzig. Es stellt sich daher die Frage – rein theoretische Pebbsy-Zahlen hin oder her – warum die Landesjustizverwaltung hier nicht gezielt personell nachbessert (Gleiches gilt für die auffällig langen Verfahrensdauern in Familiensachen an den Amtsgerichten Homburg und Merzig).

Auch am Landgericht Saarbrücken war ein Rückgang der Verfahrensneueingänge von 4.174 (im Jahr 2019) auf 3.571 (im Jahr 2023) zu verzeichnen. Gleichwohl ging in diesem Zeitraum die Anzahl der erledigten Verfahren von 3.726 auf 3.366 zurück, wodurch sich die durchschnittliche Verfahrensdauer von 10,8 Monaten (im Jahr 2019) auf 13,4 Monate (im Jahr 2023) erhöhte.

Besser sieht die Bilanz der zivilrechtlichen Berufungsverfahren vor dem Landgericht Saarbrücken aus: Während die Anzahl neuer Verfahren dort von 464 (Jahr 2019) auf 299 (Jahr 2023) sank, ist die durchschnittliche Verfahrensdauer mit 6,2 Monaten gleich geblieben.

 

2. Strafverfahren

An den saarländischen Amtsgerichten ist die Anzahl an strafrechtlichen Neueingängen hingegen um knapp 5 % von 8.868 (Jahr 2019) auf 9.308 (Jahr 2023) angestiegen. Gleichzeitig ist die Anzahl der erledigten Verfahren um über 10 % bzw. um fast 1.000 Verfahren von 9.182 (2019) auf 8.208 (2023) gesunken. Die durchschnittliche Verfahrensdauer ist dementsprechend von 4,5 Monate (2019) auf 4,8 Monate (2023) angestiegen.

Besonders schwer wiegt, dass in diesem Zeitraum insbesondere an den Schöffengerichtsstandorten (und saarländischen Kriminalitätsschwerpunkten) Saarbrücken und Neunkirchen die durchschnittliche Verfahrensdauer um fast 50 % von 3,3 auf 4,9 Monate angestiegen ist.

Die Anzahl erstinstanzlicher strafrechtlicher Neueingänge vor dem Landgericht Saarbrücken ist von 268 (im Jahr 2019) auf 281 (im Jahr 2023) leicht gestiegen, ebenso die Anzahl der erledigten Verfahren von 264 (im Jahr 2019) auf 288 (im Jahr 2023). Dass in diesem Zeitraum die durchschnittliche Verfahrensdauer von 5,0 auf 5,7 Monate gestiegen ist, dürfte Ausfluss sowohl von Arbeitsverdichtung/Personalmangel als auch von immer anspruchsvoller gewordenen und seitens der Beteiligten intensiver geführten Strafverfahren sein.

In strafrechtlichen Berufungsverfahren vor dem Landgericht ist die Anzahl der Neueingänge von 524 (Jahr 2019) auf 420 (im Jahr 2023) gesunken, ebenso die Anzahl der erledigten Verfahren von 495 (Jahr 2019) auf 404 (Jahr 2023). Gleichwohl ist in diesem Zeitraum die durchschnittliche Verfahrensdauer wiederum um über 40 % von 3,4 auf 4,8 Monate angestiegen, was wir ebenfalls auf die vorgenannten Gründe zurück führen.

 

3. Bußgeldverfahren

Im Zeitraum 2019 bis 2023 war ein deutlicher Anstieg der Anzahl an Bußgeldverfahren von 2.473 (2019) auf 4.501 (2023) vor saarländischen Amtsgerichten zu verzeichnen, was einer Zunahme von 82 % entspricht.

 

4. Verfahren vor dem Saarländischen Oberlandesgericht

In allen Verfahrensarten hat sich im Zeitraum 2019-2023 die jeweilige durchschnittliche Verfahrensdauer erhöht, obwohl die Eingangszahlen teilweise stark gesunken sind.

So ist bspw. im Hinblick auf zivilrechtliche Berufungen die Anzahl neuer Verfahren von 625 (im Jahr 2019) auf 399 (im Jahr 2023) gesunken – dennoch ist die durchschnittliche Verfahrensdauer in diesem Zeitraum von 9,6 auf 11,6 Monate angestiegen.

Und auch im Hinblick auf strafrechtliche Revisionen ist die Anzahl der Neueingänge von 56 (im Jahr 2019) auf 28 (im Jahr 2023) gesunken – dennoch ist die durchschnittliche Verfahrensdauer in diesem Zeitraum von 1,5 auf 2,6 Monate angestiegen.

 

5. Arbeitsgerichtsbarkeit

Im Einklang mit den gesunkenen Eingangszahlen im Zeitraum 2019-2023 hat sich die durchschnittliche Verfahrensdauer vor dem Arbeitsgericht im Urteilsverfahren von 5,5 Monaten (Jahr 2019) auf 3,9 Monate (Jahr 2023) verringert, ebenso im Beschlussverfahren von 6,9 Monaten (Jahr 2019) auf 4,7 Monate (Jahr 2023).

Ebenso haben sich die Zahlen vor dem Landesarbeitsgericht entwickelt: In Urteilsverfahren hat sich die durchschnittliche Verfahrensdauer in Berufungsverfahren von 13,3 Monate (Jahr 2019) auf 10,1 Monate (Jahr 2023) verringert und in Beschwerdeverfahren von 13,5 Monaten (Jahr 2019) auf 9,4 Monate (Jahr 2023).

 

6. Sozialgerichtsbarkeit

Obwohl die Eingangszahlen vor dem Sozialgericht um knapp 36 % von 4.828 (im Jahr 2019) auf 3.090 (im Jahr 2023) zurück gegangen sind, hat sich in diesem Zeitraum die durchschnittliche Verfahrensdauer um knapp 30 % von 13,0 Monaten (im Jahr 2019) auf 18,4 Monate (im Jahr 2023) erhöht. Die durchschnittliche Verfahrensdauer im einstweiligen Rechtsschutz hat sich in diesem Zeitraum von 0,9 auf 1,0 Monate erhöht. In der Sozialgerichtsbarkeit wirkt sich der Personalmangel in besonders sichtbarer Weise aus.

Auf den Gastbeitrag von Herrn Rechtsanwalt Marco Loch im Newsletter der Neuen Richtervereinigung von Dezember 2024 zum Zustand der saarländischen Sozialgerichtsbarkeit möchten wir an dieser Stelle ausdrücklich hinweisen, der diesen Umstand aus Sicht der Recht suchenden Bürger darge-stellt hat („Im Saarland wirken Gerichte wie am letzten Öffnungstag vor der Insolvenz“).

Vor dem Landessozialgericht hat sich die durchschnittliche Verfahrensdauer in Berufungsverfahren von 18,7 (im Jahr 2019) auf 18,1 Monate (im Jahr 2023) hingegen verringert, ebenso in Beschwerdeverfahren von 3,0 auf 2,1 Monate.

 

7. Verwaltungsgerichtsbarkeit

Entsprechend des Anstiegs der Neueingänge vor dem Verwaltungsgericht von 1.214 Verfahren (im Jahr 2019) auf 1.367 (im Jahr 2023) hat sich in diesem Zeitraum auch die durchschnittliche Verfahrensdauer im Hauptverfahren von 11,5 auf 11,7 Monate erhöht. Besondere Beachtung verdient auch der Umstand, dass sich die durchschnittliche Verfahrensdauer von erstinstanzlichen Verfahren vor dem OVG von 11,9 Monaten (2019) auf 14,5 Monaten (2023) erhöht hat, was aber vor dem Hintergrund der nur sehr wenigen Verfahren dort aus statistischen Gründen einer gewissen Unschärfe unterliegt.

 

8. Finanzgerichtsbarkeit
Sehr beachtlich ist, dass sich die durchschnittliche Verfahrensdauer vor dem Finanzgericht in Klageverfahren um 23 % von 17,3 Monaten (im Jahr 2019) auf 22,5 Monate (im Jahr 2023) erhöht hat, obwohl die dortigen Eingangszahlen kontinuierlich um fast 43 % von 327 (im Jahr 2019) auf 187 (im Jahr 2023) gesunken sind.

Gleiches gilt im Hinblick auf Eilverfahren, bei denen die durchschnittliche Verfahrensdauer in diesem Zeitraum von 3,1 auf 3,9 Monate angestiegen ist, obwohl sich die Fallzahlen durch kontinuierlichen Rückgang von 99 (im Jahr 2019) auf 49 (im Jahr 2023) halbiert haben.

 

II. Personalbedarfsberechnung nach PEBB§Y im richterlichen Dienst

Zunächst weist die Neue Richter*innenvereinigung nochmals darauf hin, dass die durch PEBB§Y erfolgte Personalbedarfsrechnung aus dem Jahr 2014 stammt und nicht mehr den geänderten Herausforderungen der Gegenwart entspricht: Denn die dortigen Schätzwerte sind überholt und spiegeln nicht den tatsächlichen Personalbedarf wider, insbesondere auch im mittleren Dienst.

Und selbst nach der gegenwärtigen PEBB§Y-Personalbedarfsberechnung müsste – gemessen an den ersten drei Quartalen des Jahres 2024 – die saarländische Justiz dringend personell aufgestockt werden:

  • Die durchschnittliche Belastung von Staatsanwältinnen und Staatsanwälten bei der StA Saarbrücken liegt bei 140,40 %. Der StA Saarbrücken fehlen somit 29,15 Arbeitskräfte.
  • Die durchschnittliche Belastung von Richterinnen und Richtern am Landgericht Saarbrücken liegt bei 124,26 %. Dem LG Saarbrücken fehlen somit 14,12 Arbeitskräfte.
  • Die durchschnittliche Belastung von Richterinnen und Richtern an allen saarländischen Amtsgerichten liegt bei 107,57 %.Soweit die saarländische Landesregierung in ihrer Beantwortung der parlamentarischen Anfrage ein Defizit von 7,00 richterlichen Arbeitskräften an saarländischen Amtsgerichten insgesamt aufführt, ist dies nicht korrekt. Denn alleine den Amtsgerichten Saarbrücken, Merzig, Neunkirchen, Homburg, Saarlouis und Ottweiler fehlen zusammen 8,01 Richter/innen:
  • Die durchschnittliche Belastung von Richterinnen und Richtern am Amtsgericht Saarbrücken liegt bei 110,59 %. Dem AG Saarbrücken fehlen somit 3,62 Richter/innen.
  • Die durchschnittliche Belastung von Richterinnen und Richtern am Amtsgericht Merzig liegt sogar bei 128,16 %. Dem AG Merzig fehlen somit 1,67 Richter/innen.
  • Die durchschnittliche Belastung von Richterinnen und Richtern am Amtsgericht Neunkirchen liegt bei 115,48 %. Dem AG Neunkirchen fehlen somit 1,11 Richter/innen.
  • Die durchschnittliche Belastung von Richterinnen und Richtern am Amtsgericht Homburg liegt bei 115,26 %. Dem AG Homburg fehlen somit 0,9 Richter/innen.
  • Die durchschnittliche Belastung von Richterinnen und Richtern am Amtsgericht Saarlouis liegt bei 103,93 %. Dem AG Saarlouis fehlen somit 0,5 Richter/innen.
  • Die durchschnittliche Belastung von Richterinnen und Richtern am Amtsgericht Ottweiler liegt bei 104,76 %. Dem AG Ottweiler fehlen somit 0,21 Richter/innen.

Das von der Landesregierung angeführte Defizit von 7,00 Richter/innen an allen saarländischen Amtsgerichten ergibt sich nur daraus, dass die übrigen – kleinen – Amtsgerichte bei statistischer Betrachtung gemäß der PEBB§Y-Personalbedarfsberechnung leicht unterbelastet waren: Amtsgericht Lebach: 99,46 %, St. Wendel: 96,33 %, St. Ingbert: 93,82 % und Völklingen: 93,72 %. Eine Binnenverrechnung mit anderen Amtsgerichten verbietet sich insoweit evident.

Das Oberlandesgericht ist – zumindest, wenn man die PEBB§Y-Personalbedarfsberechnung als „bare Münze“ zu Grunde legt – überpersonalisiert: Die durchschnittliche Belastung von Richterinnen und Richtern am OLG lag bei nur 77,80 %, was einem Überschuss von 5,07 Richterinnen und Richtern entspricht.

(Gleiches gilt für die Generalstaatsanwaltschaft mit einer Belastung von nur 86,38 % und einem Personalüberschuss von 0,64 Arbeitskräften.)

Es liegen nur Zahlen für die ordentliche Gerichtsbarkeit sowie für Staatsanwaltschaft und Generalstaatsanwaltschaft vor, nicht aber auch für die anderen Gerichtsbarkeiten.

Es kann somit (nur) festgehalten werden, dass an saarländischen Amtsgerichten sowie dem Landgericht Saarbrücken insgesamt 22,13 Richter/innen fehlen.

Ebenso fehlen weitere 29,15 Staatsanwältinnen und Staatsanwälte.

 

III. Personalbedarfsberechnung nach PEBB§Y im gehobenen Dienst

Die durchschnittliche Belastung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im gehobenen Dienst an saarländischen Amtsgerichten liegt bei 121,65 %. Es ist darauf hinzuweisen, dass der Wert bei allen Amtsgerichten deutlich über 110 % liegt. Es fehlen somit 25,48 Arbeitskräfte, wobei alleine auf das Amtsgericht Saarbrücken 15,15 fehlende Arbeitskräfte entfallen.

Die Belastung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im gehobenen Dienst am Landgericht Saarbrücken liegt sogar bei 128,38 %. Es fehlen dort also 2,73 Arbeitskräfte.

Die Belastung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im gehobenen Dienst bei der Staatsanwaltschaft Saarbrücken liegt bei 126,62 %. Es fehlen dort 3,82 Arbeitskräfte.

Die Belastung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im gehobenen Dienst beim Oberlandesgericht liegt bei 112,67 %. Es fehlen dort 0,38 Arbeitskräfte.

Die Belastung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im gehobenen Dienst bei der Generalstaatsanwaltschaft liegt sogar bei 288,00 %. Es fehlen dort 0,94 Arbeitskräfte.

Im gesamten Saarland fehlen mithin 33,35 Arbeitskräfte im gehobenen Dienst – und dies alleine in der ordentlichen Gerichtsbarkeit sowie bei der Staatsanwaltschaft und der Generalstaatsanwaltschaft!

Die Sozial-, Arbeits-, Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit ist in dieser Berechnung nicht enthalten, da hierzu keine Zahlen vorliegen.

 

IV. Personalbedarfsberechnung nach PEBB§Y im mittleren Dienst und im Schreibdienst

Die durchschnittliche Belastung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im mittleren Dienst sowie im Schreibdienst an saarländischen Amtsgerichten liegt bei 121,59 %. Es ist auch hier darauf hinzuweisen, dass der Wert bei allen Amtsgerichten deutlich über 110 % liegt. Es fehlen somit 54,66 Arbeitskräfte, wobei alleine auf das Amtsgericht Saarbrücken 28,86 fehlende Arbeitskräfte entfallen.

Die Belastung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im mittleren und im Schreibdienst am Landgericht Saarbrücken liegt sogar bei 123,37 %. Es fehlen dort also 10,11 Arbeitskräfte.

Die Belastung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im mittleren und im Schreibdienst bei der Staatsanwaltschaft Saarbrücken liegt bei 120,18 %. Es fehlen dort 17,33 Arbeitskräfte.

Die Belastung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im mittleren und im Schreibdienst beim Oberlandesgericht liegt bei 123,15 %. Es fehlen dort 2,47 Arbeitskräfte.

Die Belastung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im mittleren und im Schreibdienst bei der Generalstaatsanwaltschaft liegt sogar bei 332,00 %. Es fehlen dort 2,32 Arbeitskräfte.

Im gesamten Saarland fehlen mithin 86,89 Arbeitskräfte im mittleren Dienst und im Schreibdienst – und dies alleine in der ordentlichen Gerichtsbarkeit sowie bei der Staatsanwaltschaft und der Generalstaatsanwaltschaft!

Die Sozial-, Arbeits-, Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit ist in dieser Berechnung nicht enthalten, da hierzu keine Zahlen vorliegen.

 

V. Entwicklung des Personalbestandes

Im Zeitraum 31.12.2021 bis 30.09.2024 ist die Anzahl an Richter/innen an saarländischen Amtsgerichten mit 109 gleichgeblieben. Die Mitarbeiterzahl im gehobenen Dienst hat sich in diesem Zeitraum von 140 auf 135 verringert und die Mitarbeiterzahl im mittleren Dienst und Schreibdienst von 365 auf 346 verringert.

Im gleichen Zeitraum ist die Anzahl an Richter/innen am Landgericht Saarbrücken von 68 auf 64 zurück gegangen. Die Mitarbeiterzahl im gehobenen Dienst wurde in diesem Zeitraum dort von 11 auf 14 erhöht, die die Mitarbeiterzahl im mittleren Dienst und Schreibdienst hat sich jedoch von 63 auf 55 verringert.

Auch am Sozialgericht wurden Stellen abgebaut: Waren es Ende 2021 noch 17 Richter/innen, sind es am 30.09.2024 nur noch 16 gewesen. Der mittlere Dienst und Schreibdienst wurde in diesem Zeitraum von 22 auf 17 Stellen abgebaut.

Beim Verwaltungsgericht wurde in diesem Zeitraum zwar die Anzahl an Richter/innen von 16 auf 19 erhöht, jedoch hat man es seitens der Landesjustizverwaltung unterlassen, entsprechend auch den Unterbau aufzustocken: Es verblieb vielmehr bei einer Stelle im gehobenen Dienst und zehn Stellen im mittleren Dienst und Schreibdienst.

Ebenso hat man am Oberlandesgericht die Anzahl an Richter/innen von 23 auf 26 erhöht, jedoch den mittleren Dienst und Schreibdienst von 14 auf elf Stellen reduziert.

 

VI. Entwicklung des Krankenstandes

Innerhalb der gesamten saarländischen Justiz (1.114 Bedienstete) hat sich der Krankenstand kontinuierlich erhöht: Von 7,24 % im Jahr 2021, über 8,27 % im Jahr 2022 auf 9,16 % im Jahr 2024. Alleine von 2021 auf 2022 war ein Zuwachs von über 4.000 Krankheitstagen zu verzeichnen, was im Einzelnen folgende Tabelle verdeutlicht:

Ein kausaler Zusammenhang dieses Anstiegs an Krankheitstagen mit der chronischen Arbeitsüberlastung der saarländischen Justiz erscheint aus unserer Sicht naheliegend. Uns sind mehrere traurige Fälle persönlich bekannt, in denen Justizmitarbeiter/innen unter diesen belastenden Arbeitsumständen psychisch erkrankt sind.

Auf diese besorgniserregende Entwicklung wurde auch bereits objektiv aus der Anwaltschaft hingewiesen: In seinem Gastbeitrag „Von Zuständigkeiten und Zuständen“ im Newsletter der Neuen Richtervereinigung von Juli 2024 hatte Herr Rechtsanwalt Dirk Gerlach die Situation wie folgt beschrieben:

„Menschen werden gebraucht, keine Zahlen. Denn Zahlen oder Statistiken schreiben keine Anklagen oder Urteile, führen keine Verfügungen aus, versenden keine Akten, nehmen keine Telefonate entgegen und vertreten keine Kollegen. Das können nur Menschen. Dabei darf auch nicht vergessen werden, sich um die bereits länger für die Justiz tätigen Kollegen zu kümmern. Es scheint so, als würde jegliche überobligatorische Mehrleistung, sei es von Richtern, Staatsanwälten oder Justizmitarbeitern, nicht als Anlass für Lob und Anerkennung gesehen, sondern eher als Anlass dafür, dem- oder derjenigen noch mehr Arbeit aufzubürden, denn er oder sie „schafft es ja“. Dabei wird übersehen, wie sehr man fleißige Kollegen damit „verheizt“. Damit schafft man auch keinerlei Leistungsanreize – schon gar nicht für potentielle neue Kollegen. Stattdessen haben in den letzten Monaten gestandene Mitarbeiter aus allen Bereichen der Strafjustiz selbiger den Rücken gekehrt. Nicht, weil es zu gut lief, sondern weil es jeden einzelnen Tag immer mehr Überwindung gekostet hat zur Arbeit zu kommen und am Ende des Tages trotzdem kein Ende der Überlastung zu sehen war. Dies sollte den Verantwortlichen zu denken geben.“

 

Für die Neue Richter*innenvereinigung (NRV) im Saarland:

Dr. Thomas Haug, Richter am Amtsgericht Saarbrücken Sprecher des Landesverbandes
Torsten Müller, Richter am Amtsgericht Saarbrücken

24. April 2025

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