Zum Entwurf eines Fachgerichtsstrukturreformgesetzes
Stellungnahme der NRV Schleswig-Holstein an das Ministerium für Justiz und Gesundheit im Rahmen der Verbändebeteiligung
Die NRV SH bedankt sich für die Gelegenheit zur Stellungnahme zum geplanten Fachgerichtsstrukturreformgesetzes, von der wir gerne Gebrauch machen.
Dem Vorhaben, Kosten in der Justiz durch die effektivere Nutzung von Gebäuden zu sparen, verschließen wir uns grundsätzlich nicht. Die geplante Zusammenlegung von Gerichten sehen wir als sinnvolle Maßnahme zur Kosteneinsparung an, auch wenn dies teilweise mit spürbaren Einschränkungen an den jeweiligen Arbeitsplätzen für unsere Kolleginnen. und Kollegen verbunden ist. Konkret handelt es sich um den Umzug des Finanzgerichts an das Amtsgericht Kiel und die Umzüge der Arbeitsgerichte Flensburg, Lübeck und Elmshorn in die derzeitigen Standorte des Landgerichts Flensburg und der Sozialgerichte Lübeck und Itzehoe. Den Einschränkungen, die diese Maßnahmen für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an den betroffenen Gerichten bedeuten, stehen erkennbar Einsparungen durch die Aufgabe bestehender Gebäude gegenüber.
Notwendig für den Erhalt der Funktionsfähigkeit der zusammengerückten Gerichte ist aber in jedem Fall, dass ausreichend Funktionsräume – insbesondere in Form von Sitzungssälen – geschaffen werden. Die hierfür erforderlichen Kosten müssen eingeplant, die Umbaumaßnahmen zügig eingeleitet und abgeschlossen werden. Denn ohne die Möglichkeit, Sitzungen durchzuführen, können die Gerichte ihren gesetzlichen Auftrag nicht wahrnehmen.
Kritisch sehen wir demgegenüber die beabsichtigte Auflösung der Sozialgerichte Lübeck und Schleswig, die der Arbeitsgerichte Elmshorn und Flensburg sowie die Weiterführung dieser Gerichtsstandorte als Zweigstellen der Sozialgerichte Itzehoe und Kiel bzw. als auswärtige Kammern der Arbeitsgerichte Lübeck und Kiel. Es ist nicht erkennbar, dass den dadurch entstehenden Nachteilen relevante Kosteneinsparungen gegenüberstehen, die diese Maßnahmen rechtfertigen würden. Das der Reform ganz maßgeblich zugrundliegende Ziel wird so nicht erreicht. Wir sehen diese Maßnahmen daher als unverhältnismäßig an.
Dabei ist zunächst zu beachten, dass auch die neu geschaffenen Zweigstellen bzw. auswärtigen Kammern der Sozial- und der Arbeitsgerichte weiterhin einer Verwaltung bedürfen. Sollte vor Ort tatsächlich keine Verwaltung mehr angesiedelt sein, wird die Verwaltung dieser Einheiten von einem anderen Gerichtsstandort aus absehbar zu einem erheblichen Mehraufwand an Mobilität und Kommunikation sowie zu Reibungsverlusten im Verwaltungsablauf führen. Auch das kollegiale Miteinander und damit verbunden die Arbeitszufriedenheit und Motivation der Mitarbeitenden der bislang auf Augenhöhe und gleichberechtigt agierenden Gerichtsstandorte könnten beeinträchtigt werden. Eine erhebliche Unzufriedenheit ist uns von den Kolleginnen und Kollegen der betroffenen Standorte bereits signalisiert worden. Begründet wird dieser Teil des Gesetzesvorhabens damit, dass durch die größeren Einheiten der Ausfall einzelner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter besser zu kompensieren sei und eine bedarfsorientiertere Personalausstattung sowie der Abbau von Überdeckungen ermöglicht würden. Dass es durch die genannten Effekte zu spürbaren Einsparungen kommt, zweifeln wir an. Tatsächliche Personaleinsparungen dürfte es kaum geben. Die langfristig wohl einzusparenden Funktionsstellen in Form von Direktorenstellen dürften durch die Vergrößerung der verbleibenden Gerichte in Form zu schaffender weiterer Aufsichtsführender Richterstellen aufgewogen werden. Der Personalbedarf in der Justiz bestimmt sich durch die eingehenden Verfahren. Da diese durch die Gerichtsstruktur nicht beeinflussbar sind, ergibt sich auch durch die Schaffung größerer Einheiten kein Einsparpotential. Eine Verschiebung von Personal zwischen den Gerichten aufgrund schwankender Eingangszahlen ist auch bereits jetzt durch die Änderung von Dienstleistungsaufträgen für Proberichterinnen und Proberichter ebenso wie durch freiwillige Abordnungen an andere Gerichtsstandorte und andere Gerichtsbarkeiten möglich sowie im Sinne eines kollegialen Miteinanders gängige Praxis.
Da wir zu der im Rahmen der Fachgerichtsstrukturreform ebenfalls aufgeworfenen Frage des Umzugs des Landessozialgerichts in das Gebäude des Oberverwaltungsgerichts an verschiedenen Stellen sehr kritisch Stellung genommen haben und dieser Punkt nicht Gegenstand des Entwurfs zum Fachgerichtsstrukturreformgesetzes ist, möchten wir auch an dieser Stelle dennoch darauf verweisen, dass ein ergebnisoffener Prozeß ohne Vorgabe eines Standortes zwingend ist.
Michael Burmeister
Erster Sprecher der NRV SH