Polen verlässt den europäischen Rechtsraum
Es ist die essentielle Errungenschaft eines auf Gewaltenteilung beruhenden demokratischen Rechtsstaates, dass Legislative und Exekutive der Kontrolle durch die Judikative unterworfen bleiben. Dies gilt auch in Hinblick auf die Frage, ob einfache Gesetze mit höherrangigem Recht zu vereinbaren sind.
Das soeben von Polens Präsident Duda unterzeichnete Gesetz, mit dem die Infragestellung gerade der höchst umstrittenen Justizgesetze disziplinarrechtliche Folgen hat, hebt die Gewaltenteilung auf. Ein wesentlicher Teil der polnischen Richterschaft, darunter Richter des Obersten Gerichtshofs, halten die Gesetze zur polnischen Justizreform für nicht EU-konform. Sie wollen daher insbesondere Entscheidungen der neu eingeführten Disziplinarkammer nicht akzeptieren, deren Mitglieder von einem Justizrat besetzt wurden, der nach einer Entscheidung des EuGH nicht als von der Regierung unabhängig zu betrachten ist.
Der polnische Sejm setzt dagegen seine Konfrontationspolitik mit seiner eigenen Richterschaft und mit der EU ungebremst fort. Weder die Entscheidung des EuGH, noch der Protest von tausenden von Richterinnen und Richtern am 11.1.2020 in Warschau hat dazu geführt, dass die Mehrheitspartei in ihrem Bestreben innehält, Richterinnen und Richter mundtot zu machen.
Es gibt keine Rechtfertigung für die Aufhebung der Unabhängigkeit der Justiz – weder die angeblichen, jetzt plötzlich behaupteten Korruptionsfälle, noch der Umstand, dass die Justiz politisch in weiten Teilen der herrschenden Partei kritisch gegenüber steht. Ohne Gewaltenteilung kein Rechtsstaat, und ohne die Gewähr einer unabhängigen Justiz kann es keinen einheitlichen europäischen Rechtsraum geben.