NRV zu eAkte an den Amtsgerichten
NRV Aktuell
Mitteilung an alle Richterinnen und Richter
Die “Dauerbaustelle eAkte” ist nun auch an den Amtsgerichten angekommen. Die derzeitige Performance erweist sich aber spätestens jetzt als für Massenverfahren untauglich.
Liebe Kolleg*innen,
Nach Einführung der e-Akte in der Arbeits-, Verwaltungs- und Sozialgerichtsbarkeit wird die e-Akte nun auch schrittweise in der ordentlichen Gerichtsbarkeit eingeführt. Die ersten Erfahrungen machen dabei deutlich, dass die vor allem in der Sozialgerichtsbarkeit bereits erkannten negativen Auswirkungen der Einführung der e-Akte auch bei der Einführung in der ordentlichen Gerichtsbarkeit gerade bei den Amtsgerichten zu einem nicht mehr zu bewältigenden Mehraufwand führen.
Exemplarisch zeigt sich dies bei dem Amtsgericht Itzehoe, bei dem jüngst, als erstem Amtsgericht im Land, die e-Akte eingeführt worden ist.
Ganz generell ist seit der dortigen Einführung der e-Akte festzustellen, dass schon das normale Zusammenspiel zwischen VIS und forumSTAR mit deutlichen zeitlichen Verzögerungen einhergeht. Hinzu kommt, dass es häufig zu Systemabstürzen bzw. zum Einfrieren des Bildschirms kommt. Generell wird von dort berichtet, dass ein zeitgleicher Betrieb von VIS, forumSTAR und Outlook – was aufgrund der heutigen Arbeitsanforderungen der Normalbetrieb ist – die vorhandene Hardware regelmäßig überfordert.
Ferner führt das Zusammenspiel zwischen der Software VIS und des Fachverfahrens forumSTAR bei für die Amtsgerichte typischen Massenverfahren dazu, dass einfachste Arbeitsschritte, die vor Einführung der e-Akte nur wenige Sekunden gedauert haben, sich zeitlich auf ein Vielfaches (mehrere Minuten) ausdehnen – angesichts der Masse der betroffenen Arbeitsschritte geht es hier um wirklich relevante zeitliche Verzögerungen. Besonders deutlich wird dies auch in Betreuungsverfahren, bei denen nach einem Bericht aus der Itzehoer Richterschaft bei einem Arbeitskraftanteil schon ab 0,5 sich der Zeitaufwand pro Tag für eine Richterin/Richter um ca. 1 Stunde erhöht. Ebenso betroffen sind auch die weiteren Dienste im Gericht, also die Rechtspfleger:innen und vor allem die Mitarbeiter:innen auf den Geschäftsstellen.
Diese zeitlichen Mehrbelastungen durch Einführung der eAkte beziehen sich auf den Betrieb ohne entsprechende Systemabstürze und Einfrierens des Bildschirms, also auf den störungsfreien Ablauf der Arbeitsschritte. Überlastanzeigen insbesondere von Betreuungsrichter:innen sind bereits angekündigt.
Die teilweise in der Vergangenheit festgestellten Probleme der Einführung der e-Akte in den Fachgerichtsbarkeiten, insbesondere der Sozialgerichtsbarkeit, sind bis heute nicht vollständig behoben.
Die NRV hat in der Vergangenheit bereits hierüber berichtet. Nun ist insbesondere bei den Amtsgerichten zu befürchten, dass die ohnehin knapp bzw. insbesondere im Bereich der Serviceeinheiten und Rechtspfleger:innen unzulänglich ausgestatteten Personalkörper durch die oben genannten Performanceprobleme und geradezu systemimmanent angelegten Verlängerungen der Arbeitsprozesse die tägliche Arbeit gerade in Massenverfahren nicht mehr zeitnah bewältigen können. Dies ist nicht nur für die in der Justiz Tätigen unzumutbar, sondern wird auch den Bürger:innen und deren Anliegen auf eine zeitnahe Entscheidung nicht gerecht.
Es ist leider damit zu rechnen, dass die Einführung der eAkte auch bei anderen Amtsgerichten zu ähnlichen Problemen führen wird.
- Eine elektronische Akte mit einer schlechten Performance, die zur Bearbeitung ein sehr fehleranfälliges Programm wie forumSTAR benötigt und ein ständiges, sehr langsames Wechseln zwischen den Programmen erfordert, ist für amtsgerichtliche Massenverfahren ungeeignet.
- Soft- und Hardware müssen den Anforderungen der digitalen Zeit gewachsen sein. Der Personalbedarf ist anhand der Zusatzbelastungen zeitnah neu zu berechnen.
- Das Justizministerium muss hier schnell und grundlegend Abhilfe leisten.
Hierfür wird sich die NRV einsetzen. Wir fordern eine umfassende Schwachenstellenanalyse des Ministeriums ggf. unter Einbeziehung der Softwarehersteller und die Einleitung konkreter Schritte, um die defizitäre Funktionalität des eAkten-Systems zu beheben. Das Ministerium hat signalisiert, mit Nachdruck an Lösungen für die benannten Probleme zu arbeiten. Als NRV gehen wir derzeit aber davon aus, dass es nach Einführung der elektronischen Akte und auch bei Behebung einzelner technischer Probleme zumindest bei dem Massenverfahren an den Amtsgerichten zu einer deutlichen zeitlichen Mehrbelastung der Kolleg*innen kommen wird. Hier muss Abhilfe geschaffen werden durch eine zeitnahe landesspezifische Fortschreibung der Pebb§y Zahlen. Die reale Arbeit muss abgebildet werden, ein Abwarten auf die Pebb§y Neuerhebung ist den Kolleg*innen nicht zumutbar.
Hierfür werden wir uns als NRV SH einsetzen.
Ihr Sprecherrat der Neuen Richtervereinigung
Michael Burmeister/ Dr. Katharina Bork/ Dr. Ulrich Fieber/ Karen Bosserhoff/ Mark Eidam/ Dr. Marc Petit/ Birte Hellmig/ Lars Werner
Pressesprecher: Dr. Ulrich Fieber
ulrich.fieber@neuerichter.de