Grundsätzliche Stellungnahme zum Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches

1. Februar 2017| Stellungnahme, FG Strafrecht

Stärkung des Schutzes von Vollstreckungsbeamten und Rettungskräften

Das Bundesministerium der Justiz hat die Neue Richtervereinigung mit Schreiben vom 23. Dezember 2016 aufgefordert, zu dem -noch nicht in der Bundesregierung abgestimmten- Entwurf für ein Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches – Stärkung des Schutzes von Vollstreckungsbeamten und Rettungskräften – Stellung zu nehmen.

Der Referentenentwurf befasst sich mit der Neuregelung der Strafnormen zum Tatbestand des Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte und des Landfriedensbruchs. Bereits nach gegenwärtiger Rechtslage sind Widerstandshandlungen gegen Vollstreckungsbeamte durch die §§ 113 ff  StGB in besonderem Maße während Ihrer Tätigkeit in der Vollstreckung und im Übrigen durch die allgemeinen Regelungen des Strafgesetzbuches mit einer Strafandrohung belegt. Dies gilt insbesondere auch für die Fälle des tätlichen Angriffs.

Mit der beabsichtigten neuen Regelung wird einerseits eine Ausdehnung des besonderen Rechtsschutzes für Vollstreckungsbeamte angestrebt (§114-EStGB) und andererseits eine Verschärfung der Strafandrohung durch Neuschaffung einer gesetzlichen Mindeststrafe und einer Erhöhung der Höchststrafe (§§ 114 Abs.1 , 114 Abs.2 und 115 Abs. 2 EStGB) sowie durch Veränderung der tatbestandlichen Voraussetzungen des besonders schweren Falles bei Widerstandshandlungen gegen Vollstreckungsbeamte (§§ 113 Abs.2, 114 Abs.2 und 125, 125a EStGB). Zudem ist beabsichtigt, diese neuen ausgeweiteten Regelungen auf Personen auszudehnen, die Vollstreckungsbeamten gleichstehen (§§ 115-E und 125 StGB).

Diese Änderungen werden in dem Referentenentwurf damit begründet, dass der Schutz von Vollstreckungsbeamten sowie von Rettungskräften ein wichtiges Anliegen sei und diese Personengruppen “Respekt und Wertschätzung“ verdienen. Zudem wird darauf hingewiesen, dass es Steigerungen der Opferzahlen von 7 % in den Jahren 2013-2014 bzw. 1,9 % in den Jahren 2014-2015 gegeben hat.

Bewertung:

Die NRV unterstützt das dem Gesetzentwurf zugrundeliegende Verlangen danach, dass Menschen, die Im Namen des Staates handeln, den ihnen für ihre Tätigkeit gebührenden Respekt erwarten dürfen. Der Gesetzgeber hat allerdings bislang gut daran getan, dies gerade nicht in einem strafrechtlichen “Mehrwert” auszudrücken.

Der beabsichtigte Gesetzesentwurf ist daher ungeeignet und nicht erforderlich. Zudem gilt: Die NRV hat Strafschärfungen als Symbolpolitik schon immer abgelehnt.

Es ist richtig, dass Vollstreckungsbeamte ebenso wie andere Einsatzkräfte vor Gewalthandlungen und Ehrkränkungen geschützt werden müssen. Hierzu reicht aber das vorhandene Strafrecht völlig aus.
Die unausgesprochene Annahme des Entwurfes, dass eine höhere Strafandrohung mehr Schutz bewirken würde, ist ebenso unrichtig wie der gleichfalls im Entwurf mitschwingende Vorwurf, Gerichte und Staatsanwaltschaften würden Straftaten zum Nachteil von Polizeibeamten zu wenig und zu milde ahnden. Zu beiden Annahmen gibt es weder empirische Belege noch andere wissenschaftlich belastbare Begründungen. Die bisherigen wissenschaftlichen Untersuchungen zu den Problemlagen bei den Polizeibeamten, bieten keinen Anlass, in den Überlegungen des Geset- zesentwurfes geeignete Lösungsansetze zu finden ( vgl.Kriminologische For- schungsinstitut Niedersachsen 2011 „Gewalt gegen Polizeibeamte – Befunde zu Ein- satzbeamten, Situationsmerkmalen und Folgen von Gewaltübergriffen“, vorgelegt von Karoline Ellrich, Dirk Baier und Christian Pfeiffer).
Berücksichtigt man weiter, dass die Straftaten der §§ 113 und 114 StGB überwiegend im Kontext sehr hoher Alkoholisierungen und/oder Erregungszustände der Tä- ter verwirklicht werden, ist nicht nachvollziehbar, dass eine erhöhte Strafandrohung zu weniger Straftaten führen soll. Alkoholisierte und erregte Täter handeln impulsgesteuert und meist ohne rational abzuschätzen, welche Folgen ihr Handeln haben könnte. Sie werden sich auch zukünftig bei geänderten höheren Strafandrohungen nicht anders verhalten. Darüberhinausgehend fehlt auch jeglicher Nachweis dafür, dass der bisherigen Tätergruppe die aus Sicht des Gesetzesentwurfes zu geringen Strafandrohungen überhaupt bekannt sind und für sie Handlungsmotive waren.

Bevor der Gesetzgeber mit dem „besonders scharfen Schwert“ der Mindeststrafen agiert, sollten diese Wirkungszusammenhänge wissenschaftlich abgeklärt werden und geprüft werden, ob die angeführten Gründe für die Strafschärfungen belegbar sind und die versprochenen Wirkungen von geringerer Straftaten Verwirklichung erreichen können. Bis dahin ist weder die Erforderlichkeit noch die Geeignetheit der Gesetzesverschärfungen hinreichend dargetan. Denn der Gesetzgeber ist nur dann befugt, einen neuen Straftatbestand einzuführen, wenn dies zum Schutz des Rechtsgutes auch erforderlich ist. Dies zumal bereits nach jetzigem Recht alle Handlungen die durch die neuen Regelungen unter Strafe gestellt werden sollen, bereits mit Strafandrohungen versehen sind. Zudem sollten die Ergebnisse der laufenden Erprobung von sogenannten Body-Cams abgewartet werden. Es ist nicht ersichtlich, warum diesem Versuch nicht hinreichend Zeit gegeben und dessen Auswertung abgewartet wird. Denn dieser Ansatz zielt auf eine nach allgemeinen kriminologischen Erkenntnissen erfolgreichere Prävention von Straftaten ab. Die durch Videoaufzeichnungen angestrebte erhöhte Ergreifungswahrscheinlichkeit schreckt nämlich deutlich stärker vor Straftaten ab, als eine höhere Strafandrohung.

Auch kann die in der Entwurfsbegründung verwendete Annahme, man könne Respekt und Wertschätzungen für die Polizei durch verstärkte Strafdrohungen gegen- über Straftätern erreichen, nicht überzeugen. Wertschätzungen erreicht der Gesetz- geber durch angemessene und bessere Besoldung und Arbeitsbedingungen. Respekt erarbeite sich Personengruppen durch bessere Außendarstellung, zu der auch bessere Arbeitsbedingungen, bessere Ausbildung und eine sich aus vielen weiteren Einzelfaktoren weiter steigende Professionalität gehören. Dass der Gesetzgeber ge- mäß dem vorliegenden Entwurf stattdessen – nur – auf Strafschärfungen verweist, wirkt zumindest irritierend.

Über diese grundsätzlichen Überlegungen hinausgehend, erscheint die Neugestaltung des „besonders schweren Falles“ höchst problematisch insbesondere in Bezug auf das bloße mit sich Führen eines „anderen gefährlichen Werkzeugs“. Die beab- sichtigte Streichung des Zusatzes „um diese oder dieses bei der Tat zu verwenden“ berücksichtigt nicht die Besonderheiten der Tatbegehung vieler Widerstandshandlungen. Anders als beim Diebstahl (vgl. § 244 Abs.1 Nr.1a StGB) entscheidet sich der Straftäter einer Widerstandshandlung meist nicht freiwillig zu einem Kontakt mit der Polizei. Er wird i.d.R. vielmehr durch eine Diensthandlung der Vollstreckungsbe- amte erst in die Tatsituation hinein gebracht, in der er sich zur Widerstandshandlung entschließt. Anders als eine Person, die sich bewusst zu Diebstahlshandlung ent- schließt und ihre dafür mit sich geführte Ausstattung selbst bestimmen kann, hat der Widerstandshandelnde keine Gelegenheit, ein gefährliches Werkzeug abzulegen, das er ursprünglich für einen unverfänglichen Zweck mit sich führte. So mag der Dieb noch vor seiner Diebstahlshandlung über das mit sich geführte Taschenmesser nachdenken können. Ein zufällig in eine Polizeikontrolle geratene Besitzer eines Taschenmessers wird nicht mehr in der Lage sein, im Rahmen der für eine folgende Widerstandshandlung meist ursächlichen Eskalation zu bedenken, ob er ein gefährli- ches Werkzeug wie das Taschenmesser in der Hosentasche, bei sich führt. Insbe
sondere wird er kaum noch eine Gelegenheit haben, sich vor seiner Widerstandshandlung bewusst zu entscheiden, ob er das gefährliche Werkzeug mit sich führen möchte oder nicht.
Die NRV spricht sich insoweit gegen die beabsichtigte Tatbestandserweiterung aus.

Gänzlich unverständlich ist, warum nicht wenigstens, den Erfahrungen mit § 244 Abs. 3 StGB entsprechend, ein minder schwerer Fall vorgesehen wird. Dies wird einer Realität, die erfahrungsgemäß häufig nicht zuletzt durch wechselseitige Eskalation geprägt ist, nicht gerecht.
Zwar wurde in der Begründung des Gesetzesentwurfes zur Neugestaltung des „besonders schweren Falles“ bei den §§ 113 Abs. 2,114 Abs. 2 StGB-E Bezug auf die scheinbar entsprechende Regelung des § 244 Abs. 1 Nr.1a StGB genommen. Es wurde aber nicht beachtet, dass aufgrund der sich in der Praxis erwiesenen Schwä che dieser Mindeststrafenregelung zu Recht durch das Gesetz vom 1.11.2011 (BGBl.I S.2130) im Abs.3 der minderschwere Fall eingeführt wurde. Gründe für diese Vorgehensweise sind nicht dargetan und nicht ersichtlich.

Für die Fachgruppe Strafrecht Ulf Thiele

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