Gesetzentwurf der Landesregierung des ResOG SH
A. Vorbemerkung
Dass mit dem ResOG SH das BGG von 1996 durch ein vollständig neu gefasstes und modernisiertes Gesetz abgelöst werden soll, ist – auch angesichts der Rechtsentwicklung in anderen Bundesländern – überfällig und im Ergebnis zu begrüßen. In der Tat sind Teile des BGG durch fachliche und strukturelle Fortentwicklungen überholt. Angesichts des bewährten gewachsenen Systems der ambulanten Resozialisierung kann hier auf einem festen Fundament aufgebaut werden, bei dem viele sich an vielen Stellen auch Richterinnen und Richter mit großem Einsatz einbringen. Gerade der NRV SH ist deshalb daran gelegen, bei diesem Gesetzesvorhaben und seiner Umsetzung die richterliche Perspektive konsequent zu berücksichtigen und einzubringen.
B. Zu einzelnen Regelungen
1. Ziele, § 2 ResOG SH
§ 2 des Gesetzes hält die „Ziele“ fest. Hier fällt auf, dass bereits in Absatz 1 die Resozialisierung und der Schutz der Allgemeinheit benannt wird. Aus der Gesetzesbegründung, S. 68 DrsE, werden diese beiden Ziele zu gleichwertigen erhoben „Gleichzeitig dienen die Leistungen dem Schutz der Allgemeinheit…“.
Die Diskussion darum, den Schutz der Allgemeinheit aufzuwerten ist nicht neu. Eine derartige Betonung des Sicherheitsgedankens im Rahmen des Übergangsmanagements kann nur politisch motiviert sein.
Hier jedoch war bereits das Strafvollzugsgesetz des Bundesgesetzgebers aus dem Jahr 1977 eindeutig weiter, welches sich dahingehend positioniert hatte, dass das Vollzugsziel der Resozialisierung vorrangig vor der Sicherheit ist.
Zudem ist fraglich, ob diese Regelung, überhaupt internationalen Grundsätzen entspricht. So gibt Rule Nr. 6 ( Nr 6: All detention shall be managed so as t ofacilitate there integration into free society of persons who have been deprived of their liberty.) in der Kombination mit Rule Nr. 102.1 (Nr: 102.1 In addition to the rules that apply to all prisoners, the regime for sentenced prisoners shall be designed to enable them to lead a responsible and crime-free life.) der European Prison Rules vor, dass vorrangigstes Ziel der Freiheitsstrafe das der Resozialisierung sein soll. Weitere Vollzugsziele sind hier nicht vorgesehen.
Gleiche Grundsätze müssten auch für Schleswig-Holstein gelten!
2. Opferorientierung, § 8 ResOG SH
Aus guten Gründen hat die NRV SH bereits die einseitige Überbetonung der Opferperspektive schon beim Justizvollzugsmodernisierungsgesetz SH kritisch gesehen (vgl. <link file:2620 download file>
): „Negativ fällt aber ins Gewicht, dass die Opferperspektive – statt sie in jedem Einzelfall zu prüfen – zu einem allgemeinen Gestaltungskriterium erhoben wird, obwohl es an der Ausgleichsbereitschaft des Opfers fehlen kann und das Opfer mit der Tat nach dem rechtskräftigen Urteil abschließen will und eine opferbezogene Vollzugsgestaltung in allen Fällen nicht sinnvoll ist, in denen das Tatopfer keine natürliche Person ist. Der Strafvollzug an sich darf nicht derart opferbezogen sein, dass die Institution das Verhältnis von Täter und Opfer zu einem allgemeinen vollzugsinternen Gestaltungskriterium qualifiziert. Vielmehr bleibt in jedem Einzelfall zu prüfen, ob und wie die Behandlung unter Einbeziehung des Opfergedankens zu planen ist.“
Auch wenn das ResOG SH in § 8 die Opferorientierung mit einem „Soweit“-Vorbehalt programmatisch einschränkt, ist die Ausrichtung in Satz 2 des § 8 deutlich fokussiert. Satz 3 ist demgegenüber wieder zurückhaltender formuliert und zielt auf eine Unterstützung der ProbandInnen ab. Die NRV SH bekräftigt ihre o.g. Stellungnahme zu den Vollzugsgesetzen, dass „wegen des ungelösten Zielkonflikts und der damit einhergehenden reinen Suggestion einer besseren Wahrung der Opferrechte … eine gesonderte Aufnahme des Opferschutzes als Gestaltungskriterium“ auch beim ResOG SH mindestens deutlich abgeschwächt werden sollte. Zu sehr zielt der Gesetzentwurf in diesem Punkt darauf ab, dieses Gesetzeswerk durch die betonte Opferorientierung „allgemeinpolitisch gangbar“ zu machen.
Prävention und Opferschutz nehmen zwar zu Recht einen großen Platz im Straf- und Strafverfahrensrecht ein, dürfen aber nicht kritiklos im Strafvollzug oder dem Übergangsmanagement Einzug erhalten. Zu groß ist hierbei die Gefahr, dass bei Gefangenen, die nicht mit ihrem Opfer kooperieren, eine Eignung für Anschlussmaßnahmen verneint wird.
Der Mitwirkungsgedanke für die ProbandInnen kann im schlechten Fall der Ausgestaltung zu einem härteren, am Vergeltungsgedanken orientierten Vollzug führen und Druck auf die ProbandInnen ausüben. Die Angst vor negativen Konsequenzen bei fehlender Mitwirkung ist vorprogrammiert.
3. Organisation der Leistungen, § 18 ResOG SH
Dass die Position der Fachvorgesetzten anstatt mit Volljuristen nunmehr durch Fachkräfte mit einem fachbezogenen Hochschulabschluss (Soziale Arbeit) besetzt werden soll, ist nicht zielführend und verändert ein funktionierendes und eingespieltes System, ohne dass ein konkreter Anlass hierzu im Gesetzentwurf genannt wird. Bisher war gerade an dieser wichtigen Nahtstelle ein für beide Seiten nutzbringendes Nähe- und Vertrauensverhältnis zwischen Richterdienst und Bewährungshilfe vorhanden. Durch die neue Besetzung und Struktur droht ein unnötiges Kompetenzgerangel und Gegeneinander, was für die Resozialisierung nicht förderlich ist. Auch der Richterdienst hat von der gewonnenen Expertise als Rückwirkung profitiert. Wenn nicht-richterliche Verstärkung in den Gerichten angezeigt ist, wäre diese eher im Bereich der Geschäftsstellen notwendig – aber eben nicht an dieser Stelle.
Dass die Arbeitszeitanteile der Richterstellen der Rechtsprechung erhalten bleiben, ist nur vordergründig ein Gewinn (s. S. 5 des DrsE). Angesichts der zu erwartenden Haushaltsenge im Bereich der Justiz in der Nach-Corona-Zeit vermögen derartige „Verstärkungen“ leicht einen Vorwand für Konsolidierungsanstrengungen in den Folgejahren zu liefern. In Zweifel ist zudem zu ziehen, wenn auf S. 5 des DrsE steht, dass „derzeit … davon auszugehen“ ist, „dass die benötigten Stellen durch Umschichtung bereits vorhandener Stellen des MJEV geschaffen werden…“. Angesichts zu erwartender Sparbemühungen in den nächsten Jahren sind solche Formulierungen nur mit konkretem Deckungsnachweis plausibel und ansonsten abzulehnen. Hier droht eine zeitversetzte Sparmaßnahme.
Dr. Birthe Dressel
für den Sprecherrat der NRV SH