Fortbestehende Ungleichbehandlung saarländischer Richter gegenüber Beamten

Am 03. Juli 2024 brachte die CDU-Fraktion im Landtag des Saarlandes einen Gesetzesentwurf ein, wonach auch für saarländische Richterinnen und Richter die Möglichkeit geschaffen werden sollte, den Eintritt in den Ruhestand auf ihren Antrag hin bis zur Vollendung des 68. Lebensjahres hinauszuschieben (Drucksache 17/1031: „Gesetz zur Einführung einer Verlängerungsoption für Richter“).

Eine solche Verlängerungsoption wurde den Landesgesetzgebern in Umsetzung der Föderalismusreform bereits im Jahr 2008 durch entsprechende Änderung des Deutschen Richtergesetzes (§ 76 Abs. 2 DRiG) eingeräumt. Zahlreiche Bundesländer haben mittlerweile davon Gebrauch gemacht, um ihre Richter nicht gegenüber ihren Landesbeamten zu benachteiligen (Baden-Württemberg, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen, Schleswig-Holstein).

Im Saarland ist die Rechtslage bislang wie folgt: Die Geburtsjahrgänge bis 1963 treten in gestaffelten Altersgrenzen in den Ruhestand (1963: mit 66 Jahren und 10 Monaten), während alle Geburtsjahrgänge ab 1964 mit Vollendung des 67. Lebensjahres in den Ruhestand treten werden. Bereits jetzt sieht § 43 Abs. 3 S. 1 des Saarländischen Beamtengesetzes Folgendes vor: „Auf Antrag der Beamtin oder des Beamten kann der Eintritt in den Ruhestand um eine bestimmte Frist, die jeweils ein Jahr nicht übersteigen darf, hinausgeschoben werden, wenn dies im dienstlichen Interesse liegt, jedoch nicht länger als insgesamt drei Jahre.“  Saarländische Staatsanwältinnen und Staatsanwälte haben von Gesetzes wegen somit die (theoretische) Möglichkeit, über die Vollendung ihres 67. Lebensjahres hinaus noch ihren Beruf ausüben zu dürfen. (Ob das Justizministerium das „dienstliche Interesse“ an einem hinausgeschobenen Ruhestand dann auch tatsächlich bejaht, ist natürlich eine völlig andere Frage.)

Mit ihrem Gesetzesentwurf wollte die CDU-Fraktion nun auch saarländischen Richterinnen und Richtern die Möglichkeit bieten, den Eintritt in den Ruhestand um bis zu einem Jahr, höchstens bis zum vollendeten 68. Lebensjahr, hinaus zu schieben. Dazu nannte die CDU-Fraktion folgende Gründe:

  • „Die wertvolle Erfahrung lebensälterer Richterinnen und Richter“.
  • Unter Umständen könne auch verhindert werden, „dass ein über einen längeren Zeitraum geführtes aufwendiges Gerichtsverfahren allein wegen des Erreichens der Regelaltersgrenze einer Richterin oder eines Richters ohne die Möglichkeit des Hinausschiebens des Ruhestandes nicht weitergeführt werden kann“.

Weiterhin sah der Gesetzesentwurf vor: „Zum Schutz der richterlichen Unabhängigkeit ist den Richterinnen und Richtern ein voraussetzungsloser Anspruch eingeräumt, denn eine solche Regelung ist nur dann verfassungsgemäß, wenn der Eintritt in den Ruhestand nicht als Ermessensentscheidung der Exekutive ausgestaltet ist, sondern auf Antrag des Richters zwingend auszusprechen ist. Nur im Einzelfall, soweit zwingende dienstliche Gründe, die mit der Funktionsfähigkeit der Gerichte bzw. der Rechtsprechung in einem unmittelbaren Zusammenhang stehen und deren Bejahung von objektiven Sachzwängen geprägt sein müssen, einer Verlängerung entgegenstehen, wird ein Antrag abzulehnen sein.“

Gegenüber der Saarbrücker Zeitung (Ausgabe vom 13. Juli 2024) äußerte sich die justizpolitische Sprecherin der CDU-Fraktion, Dagmar Heib, dass ihre Fraktion „regelmäßig von saarländischen Richtern auf das Thema angesprochen“ worden sei: Dies sei „ein Weg, um gerade erfahrene Richterinnen und Richter in ihrer Qualität der Rechtsprechung für längere Zeit an die saarländische Justiz zu binden“; Fachkräftemangel gebe es überall, auch in der saarländischen Justiz.

Neben der CDU stimmte auch die AfD-Fraktion im saarländischen Landtag für den Gesetzesentwurf.

Die Mehrheit im saarländischen Landtag lehnte diesen Gesetzesentwurf mit den Stimmen der SPD-Fraktion jedoch ab, was die Justizministerin Petra Berg wie folgt begründete: „Wir haben überhaupt kein Problem, die frei werdenden Stellen zu besetzen, wir finden qualifizierte Nachwuchsjuristinnen und -juristen.“

Die Neue Richtervereinigung (NRV) im Saarland gibt dazu insbesondere Folgendes zu bedenken:

Einerseits fällt nicht nur wenigen Kolleginnen und Kollegen der Übergang in den Ruhestand schwer. In Zeiten zunehmender (auch geistiger) Fitness breiter Bevölkerungsschichten im Seniorenalter ist der individuelle Wunsch nach einem späteren Ruhestandseintritt daher durchaus nachvollziehbar. Auch geht der Umstand einer über die Jahrzehnte gestiegenen Seniorenfitness mit dem Umstand einer gestiegenen durchschnittlichen Lebenserwartung einher.

Andererseits darf das Modell eines individuell gewünschten späteren Ruhestandseintritts nicht zu einer Blaupause für eine allgemeine Erhöhung des regulären Ruhestandsalters werden.

Völlig zu Recht darf vor dem Hintergrund der richterlichen Unabhängigkeit (Art. 97 Abs. 1 GG) der hinausgeschobene Ruhestand von Richterinnen und Richtern nicht in das Ermessen der Exekutive gestellt werden.

Weiterhin gebieten die auch nach erfolgter Lebenszeiternennung in beide Richtungen durchlässigen Laufbahnen von Richtern und Staatsanwälten eine Gleichbehandlung der Inhaber beider Ämter. Insofern böte es sich an, auch den hinausgeschobenen Ruhestand von Staatsanwältinnen und Staatsanwälten nicht mehr in das Ermessen der Exekutive zu stellen.

Ein Augenmerk sollte auch darauf gelegt werden, dass ein hinausgeschobener Ruhestand aus dem Blickwinkel der Arbeitsbelastung bzw. des persönlichen „Kosten- Nutzen-Verhältnisses“ her nicht vorwiegend Anreize für die Inhaber von Beförderungsämtern setzt.

Letztlich ist auch das Ziel einer leistungsfähigen Justiz maßgeblich: Die Zeiten, in denen ältere Stelleninhaber Platz machen sollten, um Bewerbern aus der jüngeren Generation eine Chance zu eröffnen, (so die weitere Argumentation aus der SPD-Fraktion), sind längst vorbei. Die Argumentation der Justizministerin, dass ausgerechnet das Saarland – entgegen dem eindeutigen Bundestrend sowie den immer akuter werdenden demografischen Herausforderungen, zudem noch als Schlusslicht im sich immer weiter auseinander entwickelnden föderalen Besoldungsgefüge – keinerlei Probleme bei der Gewinnung hochqualifizierten Nachwuchses für den höheren Justizdienst haben sollte, ist nicht nachvollziehbar. (Kritische Anmerkung am Rande: Warum spricht die Justizministerin eigentlich nur vom Ziel der Gewinnung „qualifizierten“ Nachwuchses?) Im Gegenteil aber sind Richterinnen und Richter mit der Berufserfahrung mehrerer Jahrzehnte nicht nur hinsichtlich der Qualität ihrer eigenen Rechtsprechung Gold wert, sondern auch, weil sie gefragte Ansprechpartner/innen ihrer jüngeren Kolleginnen und Kollegen sind.

Die jahrzehntelange Erfahrung dieser Kolleginnen und Kollegen wird auch nicht im Rahmen einer Gesamtbetrachtung etwa dadurch aufgewogen, dass junge Richterinnen und Richter mit ihrer niedrigen Erfahrungsstufe im Besoldungsgefüge für den Haushalt billiger wären: Denn Richterinnen und Richter, die auch im 68. Lebensjahr noch ihre Arbeitskraft aktiv in den Dienst des Staates stellten, bezögen selbstredend noch keine Pension.

Die Neue Richtervereinigung im Saarland wird dieses Thema auch in Zukunft weiter kritisch begleiten. Um uns ein noch besseres Stimmungsbild innerhalb des Kollegenkreises machen zu können, sind wir für Rückmeldungen und Anmerkungen aller Art sehr dankbar!

 

Für die Neue Richtervereinigung im Saarland: Dr. Thomas Haug, Amtsgericht Saarbrücken

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