Beurteilungswesen
Beabsichtigte Änderung des Sächsischen Richtergesetzes, Az.: 2000E/2/17-I2
Aus dem Anschreiben:
Anlässlich der pandemiebedingten Aufhebung des eigentlich für heute vorgesehen gewesenen, als Workshop deklarierten Austauschs über das Beurteilungswesen der Richterinnen und Richter sowie Staatsanwälten und Staatsanwältinnen erlaubt sich die NRV Sachsen, die von ihr im Sommer dieses Jahres nicht wahrgenommene Möglichkeit nachzuholen, zu Fragen der gesetzlichen Normierung des Beurteilungswesens Stellung zu nehmen.
Eingangs sei allerdings angemerkt, dass die NRV Sachsen mit dem vom SMJusDEG eingeschlagenen Verfahrensweg hadert, einzelne organisierte Interessenvertretungen zu Stellungnahmen aufzufordern, um dann die Argumente im Rahmen einer Anhörung zu wechseln. Sie hält diese Herangehensweise für der Thematik nicht angemessen, hat dies wiederholt mündlich gegenüber den Vertreterinnen und Vertretern des Ministeriums1 und schriftlich in ihrem Publikationsorgan2 zum Ausdruck gebracht und hatte eigentlich auf eine im Rahmen einer Veranstaltung im Juli 2020 gegebene Zusage vertraut, diese Thematik unter Einbeziehung externen Sachverstands im Rahmen eines mehrtägigen Workshops bearbeiten zu lassen.
Die Art der Bearbeitung dieses für das Selbstverständnis der Richterschaft und der Staatsanwaltschaft entscheidenden Themas veranschaulicht, in welchem Herrschaftsverhältnis die Justiz nach wie vor steht, und dass es nicht ansatzweise beabsichtigt zu sein scheint, der Richterschaft auch nur einen Mindestgrad von Autonomie zuzugestehen. Noch nicht einmal eine angemessene organisatorische Unterstützung durch die Bereitstellung eines entsprechenden, von ihr gewünschten Workshop-Formates wird ihr dabei zuteil.
Politisch gesehen ist dies, 50 Jahre nach Willy Brandts Forderung, mehr Demokratie zu wagen, und eingedenk der Herkunft und den Gründungsidealen der jetzigen Hausspitze, beschämend. Noch beschämender ist es, dass sich dadurch eine einzige Partei als Streiterin für mehr Unabhängigkeit der Dritten Gewalt profilieren kann, die von den politischen Grundhaltungen der NRV kaum weiter entfernt sein könnte.
Im Sinne der hier geforderten Bearbeitungsweise nimmt die vorliegende Stellungnahme wesentliche Anstöße auf, die im Rahmen einer entsprechenden Arbeitsgruppe unter Co-Moderation des Unterzeichners (mit Mari Weiß) am 6. November 2021 auf dem diesjährigen Richterratschlag entwickelt worden sind.
Der Unterzeichner gibt sich nicht der Illusion hin, diese Stellungnahme würde im anstehenden Gesetzgebungsverfahren eine größere Wirkung entfalten. Dazu sind die herrschenden Machtstrukturen viel zu verfestigt. Insofern wird es dem SMJusDEG einzig darum gehen zu erörtern, welche Teile des bestehenden Regelungsgefüges auf welche normative Ebene gehoben werden müssen, um vor dem Bundesverwaltungsgericht Bestand haben zu können.
Ungeachtet dessen müssen sich im Rechtsstaat alle staatlichen Machtstrukturen aus der Verfassung ableiten lassen. Sie dürfen jedenfalls nicht im Widerspruch zu ihr stehen. Das Beurteilungswesen gibt Anlass, diese Frage unter besonderer Beachtung der Stellung der Richterinnen und Richter, aber auch der Staatsanwältinnen und Staatsanwälten noch einmal dezidiert zu betrachten. Denn faktischer Macht kann erfolgreich nur durch das Recht entgegnet werden.
Die vollständige Stellungnahme finden Sie nachfolgend im Download.