Auch im Verfahrensrecht: Keine Regel ohne – geregelte – Ausnahme
Die NRV unterstützt die Forderung der BRAK nach einer im Ausnahmefall längeren Frist zur Begründung einer Revision gegen ein Strafurteil.
Die Neue Richtervereinigung tritt dafür ein, für die Urteilsabsetzungsfrist eine absolute Obergrenze vorzusehen, und die Möglichkeit zu eröffnen, bei entsprechend umfangreichen Urteilen die Revisionsbegründungsfrist über die starre Monatsfrist hinaus verlängern zu können. Sie unterstützt eine entsprechende Forderung der Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) vom 29.4.2020.
Das OLG München hat im NSU-Verfahren die sich nach geltender Rechtslage aus der langen Verhandlungsdauer ergebende Absetzungsfrist voll ausgeschöpft und sein über 3000 Seiten langes schriftliches Urteil erst eindreiviertel Jahre nach seiner mündlichen Verkündung fertiggestellt. Den Revisionsführern bleibt dennoch nur ein Monat zur Begründung ihrer Rechtsmittel. Die BRAK hat auf die Diskrepanz hingewiesen, die sich zwischen der Frist zur Absetzung eines Urteils auf der einen und der Frist zur Begründung der Revision gegen ein solches Urteil auf der anderen Seite auftut. Zum einen führe die unbeschränkte Verlängerung der Absetzungsfrist bei zahlreichen Verhandlungstagen dazu, dass der Eindruck der Hauptverhandlung verblasst sei. Zum anderen entstehe eine verfassungsrechtlich zweifelhafte Benachteiligung der Revisionsführer. Daher müsse eine absolute Obergrenze für die Absetzung der schriftlichen Urteilsgründe eingeführt werden und die Revisionsbegründungsfrist in Umfangsverfahren verlängert werden können.
Dies fordert auch die NRV.
Wichtiger noch als die Einführung einer zeitlichen Obergrenze für das Verfassen der schriftlichen Urteilsgründe erscheint dabei noch das Erfordernis, die Frist zur Begründung einer Revision verlängern zu können. Es versteht sich fast von selbst, dass es kaum möglich erscheint, innerhalb der starren Monatsfrist, ohne Möglichkeit der Nachbesserung, ein mehrere Tausend Seiten umfassendes Urteil auf etwaige Fehler hin zu untersuchen und diese in den strengen Formen der StPO schriftlich niederzulegen. Verlängerte Fristen zur Revisionsbegründung kämen dabei nicht nur Verteidigern zu Gute, sondern auch der Staatsanwaltschaft, die Revision gegen ein Urteil einlegt, und somit insgesamt der materiellen Richtigkeit von Urteilen. Um die im Strafverfahren notwendige Fristenklarheit zu erhalten, muss für die Art und Dauer der Verlängerung ein klarer Mechanismus vorgesehen werden.
Eine Rechtsordnung muss jedenfalls angemessene Regelungen auch für solche Fälle vorsehen, die so außergewöhnlich sind, dass sie kaum vorkommen. Dies gilt auch und gerade im Revisionsrecht, das nach formaler Strenge verlangt, um Verfahrensgerechtigkeit zu erzeugen. Fair Trial verlangt danach, den Ausnahmefall von einer entsprechend starren Frist ausnehmen zu können.