Anhörung zum Gesetz zur Verbesserung des Schutzes des Berufsbeamtentums in Brandenburg vor Verfassungsgegnern, Gesetzentwurf der Landesregierung

1. Wir legen Wert auf die Feststellung, dass wir im Rahmen der formellen Beteiligung bislang deshalb keine Stellungnahme abgegeben haben, weil nach der uns zuletzt unter dem 24. Januar 2022 überlassenen Entwurfsfassung des Vorhabens eine Relevanz für Richterinnen und Richter bzw. Staatsanwältinnen und Staatsanwälte nicht vorlag. Es hat uns überrascht, dass dies plötzlich anders sein soll. Um unsere Position zu dem Vorhaben dennoch noch einzubringen, hatten wir mittlerweile die Göttinger Erklärung unserer Bundesmitgliederversammlung aus November 2021 über die Präsidentin des Landtages an alle Abgeordnete verteilen lassen. Die Erklärung ist in der Anlage nochmals beigefügt. Danach lehnen wir insbesondere die sog.Regelanfrage beim Verfassungsschutz als anlasslose und intransparente Gesinnungsprüfung ab. An dieser Einschätzung halten wir fest.

2. Unabhängig davon, dass wir den Namen des Gesetzes für verfehlt halten, weil er ungute Assoziationen zu einem Gesetz im Zuge der sog. Machtergreifung wecken könnte, kann das in der Sache nunmehr Gewollte durch das Vorgeschlagene, jedenfalls soweit Richterinnen und Richter bzw. Staatsanwältinnen und Staatsanwälte tangiert sind, nicht erreicht werden:

a) Die in § 3a des Entwurfes neu vorgesehene Regelfrage bei der Einstellung soll die
Feststellung ermöglichen,

„ob die nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Nummer 2 des Beamtenstatusgesetz und § 3 Abs. 1 [des Landesbeamtengesetzes] erforderlichen
Berufungsvoraussetzungen gegeben sind“.

Mit diesem Wortlaut ist es – was wir in der Sache ausdrücklich begrüßen – ausgeschlossen, dass Richterinnen und Richter sowie Staatsanwältinnen und
Staatsanwälte bei der Einstellung davon erfasst werden. Dies folgt bereits daraus, dass die beabsichtigten Neuerungen in einem nur für die Beamtenschaft geltenden Gesetz geregelt werden. Denn Richterinnen und Richter sind nach ihrer Einstellung keine Beamten, was auch auf Staatsanwältinnen und Staatsanwälte zutrifft, da diese ebenfalls zunächst als Richterinnen und Richter auf Probe eingestellt werden, § 12 des Deutschen Richtergesetzes (DRiG). Unabhängig davon sind die ausdrücklich in § 3a des Entwurfes in Bezug genommenen Vorschriften nach Bundesrecht nicht auf die Richterschaft anwendbar. Denn nach § 71 DRiG gelten für das Statusrecht der Richter im Landesdienst die Vorschriften des Beamtenstatusgesetzes (BeamtStG) nur insoweit, als das Deutsche Richtergesetz nichts „anderes bestimmt“.
Hier ist festzustellen, dass das Deutsche Richtergesetz hinsichtlich der in den Blick zu nehmenden Berufungsvoraussetzungen in ein richterliches Eingangsamt etwas „anderes bestimmt“, weshalb auch der in der Gesetzesbegründung bemühte § 10 des Brandenburgischen Richtergesetzes (BbgRiG) nicht weiterhilft. Denn der in § 3a des Entwurfes zitierte § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BeamtStG wird durch den zwar wortgleichen, hier aber nicht zitierten § 9 DRiG ersatzlos verdrängt. Ähnlich liegt es hinsichtlich des zitierten § 3 Abs. 1 des Landesbeamtengesetzes. Denn ausweislich der amtlichen Überschrift zu dieser Vorschrift ist das darin geregelte Eintreten für die Verfassung des Landes Brandenburg zwar eine weitere Voraussetzung für die Berufung in ein Beamtenverhältnis. Ein solches wird aber bei der Richterernennung gerade nicht begründet.

b) Die in § 30a des Entwurfes beabsichtige sog. Anlassanfrage im Kontext eines gegen eine Richterin oder einen Richter bzw. gegen eine Staatsanwältin oder einen Staatsanwalt geführten Disziplinarverfahrens, das „Handlungen zum Gegenstand hat, die den Verdacht einer Verletzung der Verfassungstreuepflicht aus § 33 Abs. 1 Satz 3 des Beamtenstatusgesetzes oder § 52 Absatz 1 des Landesbeamtengesetzes rechtfertigen“, dürfte kaum praxisrelevant werden. Denn in einem gegen eine Person aus dem o.g. Beschäftigtenkreis geführten Disziplinarverfahren darf als Disziplinarmaßnahme vom Dienstherrn lediglich ein Verweis verhängt werden, während über alle über einen Verweis hinausgehenden Disziplinarmaßnahmen allein das Dienstgericht im Wege der Disziplinarklage befindet, §§ 73 Abs. 2 und 3, 97 BbgRiG. Dies führt zunächst dazu, dass die Anlassanfrage bei dem genannten Personenkreis von Gesetzes wegen auf Sachverhaltskonstellationen beschränkt bleibt, in denen trotz des Verdachtes einer Verletzung der Verfassungstreuepflicht ausschließlich nur die mildeste Disziplinarmaßnahme verhängt werden könnte, was aber die Frage nach der Verhältnismäßigkeit des Eingriffs aufruft. Ist aber aufgrund eines Verdachts wegen einer Verletzung der Verfassungstreupflicht stattdessen eine Disziplinarklage gegen eine Person aus dem genannten Kreis erhoben, besteht keine Notwendigkeit für die in § 30a des Entwurfes vorgesehene Ermächtigung des Dienstvorgesetzen oder der die Ermittlungen führenden Stelle, weil dann das Dienstgericht ohnehin die erforderlichen Beweise von Amts wegen in richterlicher Unabhängigkeit erhebt, §§ 73 Abs. 1, 95 BbgRiG i.V.m. § 59 des Landesdisziplinargesetzes.

3. Aus den vorgenannten Gründen läuft das Vorhaben hinsichtlich der von uns in den Blick zu nehmenden Richterinnen und Richter bzw. Staatsanwältinnen und Staatsanwälten fast nahezu ins Leere, weshalb wir damit mangels erheblicher Rechtsbetroffenheit bei diesen Personen durchaus leben könnten. Das wollen wir allerdings nicht als Aufforderung verstanden wissen, hier ein „Regelungsdefizit“ anzunehmen, das im parlamentarischen Gang noch zu korrigieren wäre. Stattdessen regen wir im Gegenteil an, das Vorhaben insgesamt ersatzlos fallen zu lassen, da bereits jetzt zahlreiche Möglichkeiten bestehen, um angemessen auf den Verdacht rechtsradikaler Haltungen oder Verstöße gegen das Gebot der Verfassungstreue zu reagieren. Dies trifft auch auf Richterinnen und Richter bzw. Staatsanwältinnen und Staatsanwälten zu, zumal in den unlängst presseöffentlich bekannt gewordenen Extremfällen aus Berlin und Sachsen ohnehin nicht mehr die Durchführung „nur“ eines Disziplinarverfahrens in Rede steht.

4. Wir machen bei dieser Gelegenheit noch auf zwei Punkte aufmerksam, die wir nicht verstehen:

a) Der Entwurf sieht vor, dass nur Erkenntnisse an die anfragende Stelle übermittelt werden dürfen, die ohne Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel erhoben wurden. Damit scheiden alle Informationen aus, die aufgrund einer der in § 6 Abs. 3 des Brandenburgischen Verfassungsschutzgesetzes (BbgVerfSchG) genannten Maßnahmen beschafft wurden. Da aber der Verfassungsschutzbehörde polizeiliche Befugnisse nicht zustehen, § 6 Abs. 4 BbgVerfSchG, taucht die für uns ungeklärte Frage auf, aus welchen Quellen dann die zur Übermittlung abgefragten Erkenntnisse überhaupt noch stammen können sollen und welche Qualität diese haben. Nach Lage der Dinge dürften wohl nur die Tatsachen gemeint sein, die nach § 14 BbgVerfSchG an die Verfassungsschutzbehörde von anderen Stellen „von sich aus“ zu übermitteln sind. Dies halten wir sowohl für die Regelanfrage als auch für die Anlassanfrage für zu weitgehend, da wir nicht sehen, ob und wenn ja durch wen insoweit eine Prüfung der Validität der Tatsachen stattfindet und wer diese zu „Erkenntnissen“ erhebt.

b) Der Entwurf sieht schließlich vor, dass Übermittlungen der Verfassungsschutzbehörde in den Fällen der §§ 3a Abs. 2 Satz 6, 30a Satz 7 des Entwurfes ausschließlich in elektronischer Form erfolgen, wobei zwingend die Vertraulichkeit sowie die Integrität und Authentizität der Daten gewährleistet sein müssen, während demgegenüber nach § 9 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 2 BbgVerfSchG jedenfalls die Vertraulichkeit und Integrität der Datenverarbeitung und damit auch der Datenübermittlung u.a. unter einem Kostenvorbehalt steht bzw. von einer Rechtsgüterabwägung abhängig ist. Da sehen wir einen datenschutzrechtlichen Wertungswiderspruch.

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