Zur medial geäußerten Kritik am Vorgehen der Staatsanwaltschaft Kiel

Nachvollziehbare Nachfragen und Kritik sind nicht per se ein Angriff auf die  Justiz insgesamt – eine moderne Justiz sollte sich zu ungewöhnlichen  Verfahrensvorgängen inhaltlich erklären können

Selbstverständlich handeln die Gerichte in Schleswig-Holstein unabhängig und die Staatsanwaltschaften orientiert an Recht und Gesetz. Gerade weil dem so ist, kann die schleswig-holsteinische Justiz souverän und besonnen auf berechtigte Nachfragen zu einzelnen Verfahren reagieren. Solch nachvollziehbare Fragen aus Politik und Gesellschaft zu Einzelfällen können nicht als Angriff auf „die Justiz“ insgesamt umgedeutet werden.

Nach dem Gesetz ist die Lage klar: Gemäß § 152 der Strafprozessordnung hat die Staatsanwaltschaft – abgesehen von einer Einstellung aus Opportunitätsgründen – die Verpflichtung, wegen aller verfolgbaren Straftaten einzuschreiten, sofern zureichende tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen. Praktisch ist hingegen die Art und Weise des Einschreitens bezüglich Umfang und Intensität je nach Verfahren extrem unterschiedlich. Das hat in vielen Fällen evidente Gründe, ein komplexer Sachverhalt erfordert etwa umfangreiche Ermittlungen, ein Bagatelldelikt kann kurz und bündig eingestellt werden. Kommt es jedoch ohne evidente Gründe zu umfangreichen und langwierigen Ermittlungsverfahren und wird sodann das Verfahren mangels hinreichenden Tatverdachts eingestellt, hat die Öffentlichkeit einen Anspruch auf Erläuterung. Die nrv Schleswig-Holstein kann deshalb sehr gut nachvollziehen, wenn im politischen Raum für mehrere Ermittlungsverfahren gegen Politiker (Wende, Gaschke, Hansen, El Samadoni) Erklärungen verlangt werden. Dies umso mehr, wenn ein Oberlandesgericht rechtskräftig eine zu lange Verfahrensdauer festgestellt hat.
Ebenso unterstützt die nrv die Forderung nach Erläuterung, warum in einem sogenannten BESTRA-Bericht der Staatsanwaltschaft Kiel über den damaligen Innenminister Grote offenbar umfassende Ausführungen über diesen erfolgten, obwohl er nicht etwa Beschuldigter, sondern strafprozessual Zeuge war. Ebenfalls erläuterungsbedürftig wäre es schließlich gewesen, warum gegen den ehemaligen Gewerkschafter Nommensen nicht – wie aufgrund der erhobenen Vorwürfe zu erwarten – wegen Vergehen beim Amtsgericht, sondern ungewöhnlicher Weise beim Landgericht Anklage erhoben wurde. Es gibt also eine ganze Reihe offener Fragen.

Die nrv setzt sich dafür ein, dass all diese Fragen sachlich und ruhig erörtert werden, worauf die Öffentlichkeit einen Anspruch hat. Dies ist gerade keine Missachtung der Arbeit der in der Strafjustiz tätigen RichterInnen und StaatsanwältInnen, sondern entspricht vielmehr dem Bild einer modernen Strafjustiz, die ihr Tun in der Öffentlichkeit verständlich zu machen, etwaige Fehler zu erkennen und in Zukunft zu vermeiden hat.

Sprecherrat der NRV Schleswig-Holstein

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