Zur Anhörung des Staatssekretärs der Justiz Dr. Carstens im Rechtsausschuss am 7.9.2022
Wer in hervorgehobener Position den Rechtsstaat verkörpert, muss sichere Gewähr dafür bieten, jederzeit klare Distanz zu Rechtsradikalen zu wahren. Es muss jeder Anschein vermieden werden, dass sich führende Repräsentanten des Staates daran beteiligen, Rechtsradikale salonfähig zu machen – oder dies auch nur zu billigen. Die Mitgliedschaft des Staatssekretärs in der Verbindung „Irminsul“ wirft hier sehr ernste Fragen auf. Denn diese arbeitet über den „Hamburger Waffenring“ mit der vom Verfassungsschutz Hamburgals rechtsextrem eingestuften Burschenschaft „Germania“ zusammen – zuletzt etwa „gab man sich die Ehre“ im Juli 2022 zusammen unter dem Dach des Hamburger Waffenrings den 2. Hamburger Bestimmtag zu begehen.
Die CDU ist mit klarem Abstand zu den anderen politischen Wettbewerbern als stärkste Kraft aus den letzten Landtagswahlen hervorgegangen. In unserer Demokratie hat sie daher das legitime Recht, politische Spitzenämter mit Personen aus ihren Reihen zu besetzen – auch mit „sehr wertkonservativen“Mandatsträgern (so die Selbstbeschreibung von Staatssekretär Dr. Carstens). Ebenso fordert aber das im Grundgesetz angelegte Leitbild der wehrhaften Demokratie, dass hierbei eine rote Linie zwischen „sehr wertkonservativ“ und verfassungsfeindlich rechtsextrem gewahrt wird. Die Gesellschaft hat einen Anspruch darauf, jederzeit darauf vertrauen zu können, dass sich unsere Repräsentanten nicht daran beteiligen, Verfassungsfeinde – gewollt oder ungewollt – salonfähig zu machen.
Die Mitgliedschaft des Staatssekretärs in der Verbindung „Irminsul“ wirft hier sehr ernste Fragen auf, die in der anstehenden Sitzung des Rechtsausschusses dringend angesprochen und aufgeklärt werden müssen. Es bestehen derzeit erhebliche Zweifel daran, ob der Staatssekretär diese absoluten Mindestanforderungen an sein Amt erfüllt. Diese Zweifel speisen sich aus dem Umstand, dass der Staatssekretär einer Verbindungangehört, die allem Anschein nach über keine nachvollziehbare Abgrenzung zu Rechtsradikalen verfügt,sondern die vielmehr mit gerichtlich festgestellten rechtsradikalen Verfassungsfeinden institutionalisierten Kontakt pflegt.
Im Einzelnen:
In Hamburg existieren eine Reihe schlagender Verbindungen, von denen sich sechs Verbindungen (nicht alle) im sog. “Hamburger Waffenring” zusammengefunden haben. Zweck des „Waffenrings“ ist es nicht nur, das “Reglement” für die einschlägigen Fechtduelle festzulegen und solche gemeinsam zu organisieren, sondern auch, den allgemeinen Austausch unter den Verbindungen zu fördern. So treffen sich die Mitglieder des Waffenrings ausweislich des aktuellen Semesterprogrammes der „Irminsul“ mehrfach jährlich zu sog. „Bestimmtagen“. Auch haben etwa alle beteiligten Verbindungen 2019 eine Festveranstaltung anlässlich des 100. Geburtstages der Universität Hamburg abgehalten – Screenshots der Einladung sind online abrufbar.
Mitglied des Hamburger Waffenrings ist auch die Verbindung „Irminsul“, der der Staatssekretär der Justiz Dr.Carstens angehört. Weiteres Mitglied war jedenfalls bis 2019 auch die Burschenschaft “Germania”. Alle verfügbaren Quellen sprechen dafür, dass sie dies auch heute noch ist. Die Germania Hamburg wird im Hamburger Verfassungsschutzbericht 2019 offiziell als “rechtsextrem” eingestuft. Der Versuch, diese Einstufung gerichtlich zu verhindern, scheiterte Ende 2020 vor dem Verwaltungsgericht Hamburg, das die Einstufung als rechtsextrem bestätigte. Das Gericht stellte in der umfangreich begründeten Entscheidung unter anderem fest, dass die Burschenschaft Germania „wiederholt bekannte Rechtsextreme für Vortragsveranstaltungen“ einlud, dass sie Bindungen zum Hamburger Ableger der Identitären Bewegung aufweist, öffentlich mit der “Gewalt- und Willkürherrschaft der NS-Diktatur” sympathisiere und in derGesamtbewertung die freiheitliche demokratische Grundordnung ablehne (VG Hamburg, Beschluss vom 14.Dezember 2020, Az. 15E 2497/20, online abrufbar).
Mehrere schlagende Hamburger Burschenschaften bleiben im Hinblick auf die Burschenschaft „Germania“dem Hamburger Waffenring fern. Nicht so hingegen die Verbindung „Irminsul“ des Staatssekretärs der Justiz Dr. Carstens. Es sind keinerlei Hinweise darauf aufzufinden, dass sich die Verbindung des Staatssekretärs zu irgendeinem Zeitpunkt von der Burschenschaft „Germania“ distanziert oder zumindest ernsthafteVersuche unternommen hätte, diese aus dem „Hamburger Waffenring“ auszuschließen. Vielmehr „gibt man sich“ fortlaufend, so auch 2022 ausweislich des online abrufbaren Semesterprogrammes im Mai und Juli 2022, „die Ehre“, zu gemeinsamen Veranstaltungen – dem Hamburger Bestimmtag – einzuladen.
Der Staatssekretär muss sich in der anstehenden Anhörung im Rechtsausschuss dringend zu diesem mehrals verstörenden Treiben seiner Verbindung erklären. Es gibt derzeit keinerlei veröffentlichte Anhaltspunkte dafür, dass sich der Staatssekretär von diesen Querverbindungen nach Rechtsaußen in irgendeiner Weise distanziert oder irgendwelche Schritte unternommen hätte, seine Verbindung zu einem Austritt aus dem„Hamburger Waffenring“ zu bewegen. Vielmehr ließ er jüngst und augenscheinlich bar jeden Problembewusstseins hören, dass er schlagende Verbindungen einfach „eine sehr schöne Tradition“ fände(Kieler Nachrichten vom 24.08.2022).
Michael Burmeister (1. Sprecher der NRV Schleswig-Holstein): „Bei vorläufiger Einschätzung sprechen damitalle verfügbaren, sehr belastbaren Quellen dafür, dass unser Staatssekretär einer Verbindung angehört, diemit Rechtsradikalen zusammenarbeitet und auch vor gemeinsamen Veranstaltungen nicht zurückschreckt -mit anderen Worten, die über keinerlei wirksame Abgrenzungsmechanismen zu Rechtsradikalen zu verfügenscheint. Irgendein Problembewusstsein ist insoweit beim Staatssekretär bis jetzt nicht zu erkennen. Diederzeitige Außenwirkung ist für einen Staatssekretär der Justiz untragbar. Wir können nur hoffen, dass die Anhörung im Rechtsausschuss hier endlich Aufklärung bringt.”
Der Sprecherrat der Neuen Richtervereinigung Schleswig-Holstein