Umsetzung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts zum Anfechtungsrecht leiblicher Väter
I. Allgemein:
1. Reformbedarf
Der Referentenentwurf des Gesetzes zur Umsetzung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 09. April 2024, GZ: 1 BvR 2017/21, zum Anfechtungsrecht leiblicher Väter hält trotz anderweitiger Empfehlung des Bundesverfassungsgerichts in Richtung des Mehrelternprinzips am Zwei-Eltern-Prinzip fest.
Mit dem Entwurf wird „nur“ die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts umgesetzt. Hierzu sei die Anmerkung erlaubt, dass angesichts des erkennbaren gesellschaftlichen Wandels bei den Themen der Elternschaft durchaus die Gefahr besteht, dass insoweit mittelfristig eine weitere Gesetzesänderung notwendig werden könnte. Vielleicht wäre eine Öffnungsklausel oder ein Auffangtatbestand für eine Mehr-Elternschaft hilfreich.
Das Abstammungsrecht ist auch bzgl. Co-Mutterschaft, privater Samenspende, Leihmutterschaft und Eizellspende dringend reformbedürftig. Diese Fallkonstellationen bereiten in der Praxis ganz erhebliche Schwierigkeiten. Vor allem Paare, die im Ausland eine dort rechtmäßige Kinderwunschbehandlung in Anspruch nehmen, bringen Kinder mit nach Deutschland, für die das deutsche Recht keine adäquaten Lösungsmöglichkeiten vorhält.
Der Diskussionsentwurf zum Abstammungsrecht hätte hier schon viel Gutes gebracht, das in der der Praxis zu einer besseren Einordnung geführt hätte. Der Gesetzgeber könnte und sollte sich auch der Gesamtaufgabe „Abstammungsrecht“ stellen. Das Abstammungsrecht sollte nicht in Einzelschritten dem Bundesverfassungsgericht überlassen werden.
2. Statussicherheit und Rechtssicherheit
In der Gesamtschau wird durch die vorgeschlagenen Änderungen von § 1600 BGB dem leiblichen Vater zwar ein effektives Verfahren zur Verfügung gestellt, um die rechtliche Vaterschaft zu erlangen. Die Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts an den Gesetzgeber werden insoweit umgesetzt.
An einigen Punkten ist dennoch aus Sicht der NRV zu überdenken, ob die sehr an den Rechten der leiblichen Väter orientierte Gesetzesfassung nicht auch mit Blick auf berechtigte Interessen der Mütter, Kinder und sozialen rechtlichen Väter nachgeschärft werden muss. Gerade mit der Doppelung der vom BVerfG geforderten „zweiten Chance“ für den leiblichen Vater, durch die Hemmung der Anfechtungsfrist während des Bestehens einer sozial-familiären Bindung einerseits und das geplante erweiterte Restitutionsverfahren an-dererseits, ist eine für die rechtlichen Familien zu strapaziöse Lösung angedacht. Das wird vom Bundesverfassungsgericht nicht gefordert und die NRV sieht diese Kombination aus Gründen der Rechtssicherheit und der Reduzierung der Belastungen für die sozialen Bin-dungen in den rechtlichen Familien als zu weitgehend an.
II. Im Einzelnen:
1. § 1594 Absatz 5 RefE BGB:
1.1.
Positiv ist die Einführung der schwebenden Unwirksamkeit der Anerkennung während ei-nes laufenden Feststellungsverfahrens zu bewerten. Die Anerkennungssperre während der laufenden Verfahren auf Feststellung der Vaterschaft nach § 1594 Abs. 5 RefE BGB ist eine völlig folgerichtige Umsetzung der BVerfG-Entscheidung. Begrüßenswert wäre eine Klarstellung, inwieweit das Jugendamt und die Standesämter über ein laufendes Verfahren informiert werden, um aus Kindeswohlgesichtspunkten und zur Vermeidung der Gefahr verschiedener Informationen an die Beteiligten bei unterschiedlichen Behörden einen einheitlichen Informationsstand aller Stellen sicherzustellen. Insoweit sollte § 17 Abs. 3 SGB VIII um eine Mitteilungspflicht des Familiengerichts an Jugendamt und Standesamt ergänzt werden (s.u.).
1.2.
Wer in der in § 1594 RefE-BGB angedachten Verfahrenssituation (Konkurrenz zwischen einem intendiert rechtlichen und einem antragstellenden leiblichen Vater) schlussendlich als rechtlicher Vater festgestellt werden soll, beantwortet der Entwurf an dieser Stelle nicht. Die aktuelle Fassung des Gesetzentwurfs wird dazu beitragen, dass allein biologische Faktoren den Ausschlag geben werden. Im Normalfall ist das auch nach Auffassung der NRV nach dem Grundsatz der Abstammungswahrheit hinzunehmen.
Das Abstellen auf die Biologie kann jedoch problematisch werden, wenn das Kind nach einer privaten Samenspende geboren wurde. Nach § 1600 d Abs. 2 BGB gilt im Feststellungsverfahren als Vater, wer der Mutter während der Empfängniszeit „beigewohnt“ hat. Diese Vermutungsregel stellt nach ihrem Wortlaut auf eine Beiwohnung im Sinne eines natürlichen Geschlechtsaktes ab. Da der BGH allerdings die private Samenspende (sog. Becherspende) der Beiwohnung im Sinne des § 1600 BGB einem natürlichen Geschlechtsakt gleichsetzt (BGH, Urteil vom 15.5.2013 – XII ZR 49/11, hier war eine zwei-Mütter-Familie betroffen), können Konkurrenzsituationen zwischen intendierten, sozialen Vätern und leiblichen Vätern nach privater Samenspende entstehen.
Nach der nun beabsichtigen Fassung wird künftig häufiger als bisher ein (ggf. zeugungsunfähiger) Mann, der eine partnerschaftliche Beziehung zur Mutter hat, nicht als Vater festgestellt werden können, weil ein privater Samenspender in Konkurrenz zu ihm tritt und ein Anerkennungsverfahren anhängig macht. Der Gesetzgeber sollte mitbedenken, dass Zeugungsunfähigkeit bei Männern in einer Vielzahl von Fällen die Motivation dafür ist, sich über eine der zahlreichen im Internet angebotenen Plattformen Informationen zur privaten Samenspende zu verschaffen und diese dann auch einzusetzen (s. etwa https://www.spermaspender.de , https://www.co-eltern.de/blog-de/samenspende/private-samenspende-gesucht/, zu Hinweisen auf eine in westlichen Ländern abnehmenden Fertiliät von Männern s. https://www.aerzteblatt.de/news/spermienzahl-sinkt-vor-allem-in-westlichen-laendern-1d981d91-1b27-4331-bc40-e6e95c597b24). Die – kostengünstige – Option einer privaten Spende ziehen Paare teilweise auch deswegen der medizinisch assistierten heterologen Insemination vor, weil so Freunde oder nahe Verwandte des Vaters ausgesucht werden können und die belastende Hormonbehandlung der Mutter vermieden werden kann. Betroffen sind außerdem lesbische (Ehe-)Paare mit Kinderwunsch.
Für alle diese Paare birgt die aktuelle Rechtsprechung des BGH zur Beiwohnung die Gefahr, dass sich ein Samenspender in die rechtliche Familie drängt; für sie stellt nicht nur die beabsichtigte Erleichterung der Anfechtung der Vaterschaft eine Verschlechterung ihrer Situation dar, sondern bereits die Anerkennungssperre des hier geplanten § 1594 Abs. 5 RefE-BGB. Die Rechtsstellung des sozialen, rechtlichen Vaters wird hier ganz erheblich geschwächt, obwohl auch er unter dem Schutz des Art. 6 GG steht.
Im Gesetzgebungsverfahren zur Einführung der Anfechtungsmöglichkeit durch den biologischen Vater hatte der Rechtsausschuss im Jahr 2004 noch darauf hingewiesen, dass der gewählte Wortlaut der „Beiwohnung“ sicherstellt, dass „ein samenspendender Dritter als biologischer Vater kein Anfechtungsrecht erhält” (BT-Drucks. 15/2492, S. 9). Es sei davon auszugehen, dass seine Bereitschaft zur privaten Spende einen konkludenten Verzicht auf die Geltendmachung der Vaterschaft enthält. Nachdem der BGH das nun anders sieht, wäre es an der Zeit, hier Klarheit zu schaffen. Die Begründung des hier vorliegenden Referentenentwurfs zeigt auf S. 34, dass wohl die Konstellation der privaten Samenspende mitgedacht war. In Ermangelung einer näheren Begründung kann über die Beweggründe hier aber nur spekuliert werden. Die NRV hält es für möglich, dass diese Idee ggf. in Anbetracht der greifbaren Widersprüchlichkeit zur absoluten Anfechtbarkeit einer Mutterschaft nach Eizellspende verworfen worden ist. Ob allein die Weitergabe von Gameten eine grundgesetzlich geschützte Elternposition darstellt, ist nämlich durchaus fraglich. Nur die Annahme, dass das nicht so ist, rechtfertigt doch die rechtliche Einordnung der Eizellspenderin, die nie Mutter sein kann.
Der Gesetzgeber sollte jedenfalls endlich klarstellen, ob eine private Samenspende geeignet ist, einem intendierten sozialen Elternteil den Status als rechtlicher Elternteil streitig zu machen. Auch im Anfechtungsrecht sollte klarstellend die Voraussetzung einer „Beiwohnung“ auf natürliche Zeugungsakte beschränkt oder explizit geöffnet werden. Jedenfalls würde eine Einschränkung des Anfechtungsrecht durch eine enge Interpretation des Begriffs der „Beiwohnung“ keineswegs verhindern, dass eine Mutter und ein privater Spender konsensual durch Zustimmungs- und Anerkennungserklärungen rechtliche Elternschaft herstellen.
2. § 1595 a RefE BGB:
2.1. Die erleichterte Möglichkeit der Anerkennung der Vaterschaft des leiblichen Vaters trotz bestehender rechtlicher Vaterschaft wird sehr begrüßt. Das Fehlen einer solchen Re-gelung führt in der Praxis immer wieder zu erheblichen Problemen, insbesondere wenn mit dem Abschluss eines Scheidungsverfahrens nicht vor der Entbindung der Ehefrau, die von einem anderen Mann als ihrem Ehemann ein Kind erwartet, zu rechnen ist.
2.2. Weil in diesen Konstellationen nach den Erfahrungen der Praxis aber auch Mehrverkehr (vor allem mit dem Ehemann) in einer durchaus relevanten Fallzahl in Betracht kommt, ist es auch sinnvoll, einen Abstammungsnachweis zu verlangen. Die Notwendigkeit eines Nachweises der leiblichen Abstammung (§ 33a RefE PStVO) soll hier endgültige Sicherheit schaffen und wird verhindern helfen, dass ein Kind nach der Anfechtung durch den Anerkennenden ohne Vater bleibt. Auch nach der beabsichtigten Gesetzeslage könnte sich nämlich der Anerkennende nach Abgabe der Dreiererklärung darauf berufen, dass er fahrlässig falsch angenommen habe, der leibliche Vater zu sein, und die Vaterschaft anfechten.
Der Regelungsstandort für den Abstammungsnachweis ist allerdings problematisch. Vorzuziehen wäre es, wenn die Voraussetzung „Nachweis der Abstammung durch gendiagnostisches Gutachten“ nicht nur in der PStVO geregelt, sondern auch im § 1595a RefE-BGB erwähnt würde. Jedenfalls müsste aber die Nachweispflicht auch in § 59 SGB VIII eingefügt werden. Sonst kann es in der Praxis zu unwirksame „Dreiererklärungen“ (Zustimmungs – und Anerkennungserklärungen) vor dem Jugendamt kommen.
2.3. Das Fehlen einer Frist, binnen derer die Dreiererklärung abgegeben werden muss, führt zu Widersprüchen, die nach Auffassung der NRV mit dem Kindeswohl unvereinbar sind.
Der Referentenentwurf hat offenbar nur Konstellationen im Blick, in denen die Begrenzung des aktuellen § 1599 Abs. 2 S.1 BGB auf Geburten in Ehen, die unmittelbar vor ihrer Scheidung stehen, als zu eng erscheint. Der beabsichtigte Gesetzestext, erfasst nun aber auch Dreiererklärungen in bestehen bleibenden Ehen, in denen die rechtliche mit der sozialen Familie identisch bleibt, weil die Eheleute sich nicht getrennt haben oder trennen
wollen und das Kind mit seiner Mutter und deren Ehemann als seinem rechtlichen Vater zusammenlebt.
Die bisherigen Voraussetzungen des § 1599 Abs. 2 S. 1 BGB führen dazu, dass ein Kind bei Abgabe der Dreiererklärung nie im Haushalt des rechtlichen Vaters gelebt hat. Denn die mindestens ein Jahr andauernde Trennung ist Voraussetzung für den Scheidungsantrag und das Kind muss während der Anhängigkeit des Scheidungsantrags geboren sein. Außerdem muss die Anerkennung bis spätestens ein Jahr nach der Rechtskraft des Scheidungsurteils erklärt werden. Damit stützt sich die bisherige Rechtslage auf die Vermutung, dass es zwischen den rechtlichen Eltern keine Gemeinsamkeiten mehr gibt und zwischen dem Kind und seinem rechtlichen Vater keine sozial-familiäre Bindung besteht. Von diesen Anknüpfungspunkten löst sich der vorgeschlagene § 1595a RefE BGB völlig und stellt daher die Elternschaft bis zum 14. Lebensjahr des Kindes (ab dann gilt das Zustimmungserfordernis nach §§ 1595 Abs. 2, 1596 Abs. 4 S. 2 RefE-BGB) in das Belieben der drei Eltern.
Da die nun vorgesehene Dreiererklärung auch während bestehender Ehe oder nach Anerkennung durch einen Mann abgegeben werden kann, entsteht für das Kind die Gefahr, dass der rechtliche Vater ausgetauscht wird, ohne dass es je dazu angehört wird. Die Zustimmung des Kindes zur Anerkennung erklären seine Eltern als rechtliche Vertreter, auch hier wird es faktisch kein Mitspracherecht geben. Da die Erklärungen insgesamt an keinerlei Fristen gebunden sein sollen, kann beispielsweise ein 12jähriger Junge durch Erklärungen seines rechtlichen Vaters, des leiblichen Vaters und der Mutter einen folgenschweren Austausch seines rechtlichen Vaters erleben. Die emotionale Bedeutung des sozialen, rechtlichen Vaters für den Jungen, mit dem er möglicherweise sogar in Haushaltsgemeinschaft lebt, wird hier nicht berücksichtigt.
Diese Erweiterung der Dreiererklärung passt im Übrigen nicht zu der allen Anfechtungsfristen im Abstammungsrecht zugrundeliegenden Annahme, wonach die soziale Elternschaft die biologische Elternschaft verdrängen kann, wenn die Eltern sich nicht frühzeitig um eine Übereinstimmung der rechtlichen mit der biologischen Elternschaft bemühen. Nur das Kind kann bisher – nach Erlangen der Volljährigkeit – diese Passung wiederherstellen. Dieses bewährte Konzept wird hier zu Lasten des Kindes aufgeweicht.
Die NRV spricht sich daher dringend dafür aus, dass in die Regelung eine Frist aufgenommen werden muss, binnen derer die Erklärungen abgegeben werden müssen. Sonst wird die Dreiererklärung zum Verschiebebahnhof für rechtliche Vaterschaft gegen den Willen eines Kindes.
3. § 1596 Absatz 4 RefE BGB:
Die Norm ist sprachlich sehr anspruchsvoll und schwer verständlich. Diese Vorschrift wurde schon in der bisherigen Fassung in der Vergangenheit allgemein kritisiert. Der Gesetzestext sei für den Bürger nicht verständlich gewesen. Auf Seite 30 der Begründung zum Referentenentwurf wird das betont (die „bisherigen Regelungen sind komplex und sollen besser gegliedert werden…“). Der Reformentwurf wird an dieser Stelle dem selbst gesetzten Ziel, mehr Verständlichkeit zu gewährleisten, nicht gerecht.
Einleitend sollte es daher zu Beginn des vierten Absatzes ergänzend heißen: „Für die Zustimmung des Kindes im Sinne von § 1595 Absatz 2…“
Zum Zweck der Übersichtlichkeit sollte Absatz 4-E entzerrt und nach Satz 1 in drei ver-schiedene eindeutig formulierte Unterpunkte gegliedert werden:
Ziffer 1: beschränkt geschäftsfähiges Kind bis zur Vollendung des14. Lebensjahres,
Ziffer 2: beschränkt geschäftsfähiges Kind ab Vollendung des 14. Lebensjahres bei alleiniger elterlicher Sorge der Mutter,
Ziffer 3: beschränkt geschäftsfähiges Kind ab Vollendung des 14. Lebensjahres bei nicht sorgeberechtigter Mutter.
Im Ergebnis besteht für das betroffene Kind bis zur Vollendung des 14. Lebensjahrs keine Notwendigkeit / Möglichkeit, der Anerkennung zuzustimmen. Vielmehr wird seine Zustimmung durch die Mutter ersetzt.
4. § 1600 RefE BGB:
4.1 § 1600 Absatz 1 Satz 1 Ziffer 2 RefE BGB:
Die in der Begründung des Referentenentwurfs auf Seite 34 zu Absatz 1 Ziffer 2 gewollte Klarstellung, dass nicht nur der Mann, der geschlechtlich mit der Mutter verkehrt hat, sondern auch der private Samenspender in den Regelungsbereich fällt (sollte als Buchstabe 2b geregelt werden), findet sich nicht im Entwurf. Vielmehr ist der Abs. 1 Nr. 2 nicht verändert worden.
Die NRV weist darauf hin, dass die fehlende Klarstellung zur privaten Samenspende in Anbetracht der unter 1.2. aufgezeigten Rechtsprechung zum Begriff der Beiwohnung ganz erhebliche Probleme der aktuellen Gesetzeslage perpetuiert. Verfassungsrechtlich ist hier die Gleichbehandlung der Samenspende mit der Eizellspende zu bedenken. Bei der Eizellspende begründet allein die biologische Abstammung bekanntlich nie eine Mutterschaft oder Anfechtungsmöglichkeit. Gleichzeitig geht der BGH aktuell jedoch davon aus, dass es eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung darstellt, wenn ein privater Samenspender nicht genauso behandelt wird wie ein Vater, dessen Elternschaft nach einem natürlichen Geschlechtsakt entstanden ist. Hier sollte – wie bereits unter 1.2. ausgeführt – nicht abgewartet werden, wie das Bundesverfassungsgericht die Lage einschätzt, sondern der Gesetzgeber sollte sich positionieren. Die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen die private Samenspende ein Anfechtungsrecht nach sich zieht, hat praktisch eine – durch dieses Gesetz sehr ausgeweitete – erhebliche Bedeutung und muss unter Berücksichtigung aller Interessen endlich geklärt werden. Da im Bereich der offiziellen Samenspende eine Vaterschaftsfeststellung ausscheidet, weil Spender und Eltern auf ihre Rechte verzichten können, könnte auch eine derartige konsensuale Lösung für die Betei-ligten die gewünschte Rechtssicherheit herstellen.
4.2 § 1600 Absatz 1 Satz 1 RefE BGB:
§ 1600 Absatz 1 Satz 1 betrifft die Zulässigkeit der Anfechtung, während § 1600 Absatz 1 Satz 2 eine Frage der Begründetheit darstellt. Es ist aus systematischen Gründen vorzugswürdig, Absatz 1 Satz 2-E als eigenen Absatz zu führen bzw. wie bislang in Absatz 2 aufzunehmen.
4.3 § 1600 Absatz 2 RefE BGB
Die Änderung dieser Vorschrift wird begrüßt. Gerade weil die soziale Elternschaft jenseits biologischer Abstammung aus der Perspektive eines Kindes bedeutsamer sein kann, muss der Schutz des betroffenen Kindes durch ein Vetorecht sichergestellt sein.
4.4 § 1600 Absatz 3 RefE BGB:
Gegen Inhalt und Formulierung dieser Vorschrift bestehen Bedenken. Das Ziel des Re-formvorhabens, Klarheit und Rechtssicherheit zu schaffen, wird an dieser Stelle nicht er-reicht. Im Einzelnen wird folgendes zu bedenken gegeben:
4.4.1 § 1600 Absatz 3 Satz 1 RefE BGB:
Die Unterscheidung des Anfechtungsrechts nach dem Alter des Kindes, erscheint insofern bedenklich, als bis zu einem Alter von sechs Monaten keine Kindeswohlprüfung erfolgt, ab einem Alter von sechs Monaten eine solche jedoch über Satz 3 vorgesehen ist. Nach der Begründung des Entwurfs wurde eine reine Fristenlösung bewusst als zu starre Regelung verworfen.
Entscheidet sich der Gesetzgeber jedoch für eine Kindeswohlprüfung als Korrektiv, sollte diese Möglichkeit aus Gründen der Gleichbehandlung auch für das bis zu sechs Monate alte Kind eröffnet sein, zumal gerade in den ersten 6 Monaten ein Kind auch besonders schutzwürdig ist. Ein Alter von bis zu sechs Monaten als Differenzierungsgrund dürfte auf bindungstheoretische Grundsätze zurückzuführen sein. Jedoch ist das Anfechtungsrecht nach Absatz 3 Satz 2 BGB-E getragen von familiären Beziehungen („sozial-familiäre Beziehung“ als Hauptkriterium), die auch in den ersten sechs Lebensmonaten entstehen. Das Bindungskriterium ist nur ein Teil davon, es ist nicht prioritär gesetzt. Die Wertungen aus Satz 2 und Satz 3 gelten auch für den unter sechs Monate alten Säugling.
Die NRV gibt außerdem zu bedenken, dass die Sicht der Mutter auf die (gemeinsame) Elternschaft hier zu Unrecht völlig ausgeblendet wird. Abgesehen von den Fällen, die das Bundesverfassungsgericht im Blick hatte und in denen die Mutter keine nachvollziehbaren Gründe für die Zustimmung zur Anerkennung durch einen nicht leiblichen Vater angeben konnte, sind durchaus beachtenswerte Motivlagen denkbar. Die geplante Fassung des § 1600 Abs. 3 BGB würde selbst die Motive einer Frau, die nach einer Vergewaltigung schwanger wird und deswegen die Mitelternschaft mit dem Vergewaltiger ablehnt, als völlig unbeachtlich ansehen, vor allem wenn sich der Vaterschaftsstreit vor Vollendung des sechsten Lebensmonates des Kindes ereignet. Das hält die NRV für unausgewogen.
4.4.2 § 1600 Abs. 3 S. 2 und S. 3 RefE BGB:
Durch die Neuschaffung dieser Vorschrift werden die Vorgaben des Verfassungsgerichts erfüllt, nämlich dem Vater ein effektives Verfahren zur Anfechtung der Vaterschaft zu ermöglichen.
Es ist jedoch zu befürchten, dass die Regelung in Satz 2-E in der Praxis zu erheblichen Schwierigkeiten führt. Die ohnehin schon bestehenden Konflikte werden keinesfalls entschärft. Da die Vorschrift darauf abstellt, ob der leibliche Vater das fehlende Entstehen einer eigenen sozial-familiären Bindung zum Kind „nicht zu vertreten hat“, werden in der Praxis der Familiengerichte Aspekte kindschaftsrechtlicher Verfahren in das Abstammungsverfahren hineingetragen. Es ist zu erwarten, dass in der praktischen Umsetzung der Rückausnahme eine Aufarbeitung kindschaftsrechtlicher wie höchstpersönlicher Vorgänge aus dem Leben und der Beziehung der Personen aufgearbeitet werden müssen (einschließlich der Geltendmachung von Umgangsrechten etc.). Da dem Kindschaftsrecht – und insbesondere dem Umgangsrecht – Verschuldenskriterien aber weitgehend fremd sind und sich ein Verschulden angesichts der hochkomplexen familiären Gefüge bei einem Auseinanderfallen der leiblichen und rechtlichen Vaterschaft auch kaum greifen lässt, ist ein derartiges Kriterium überhaupt nicht geeignet, die hier beabsichtigte Rückausnahme einzugrenzen. Zudem verschiebt sich hier der Fokus, der auch nach § 1686a Abs. 1 N. 1 BGB immer auf dem Kindeswohl liegen sollte.
Auf Seite 19 der Begründung des Reformentwurfs wird darauf hingewiesen, dass beim Diskussionsentwurf des BMJ für eine Reform des Abstammungsrechts aus dem Dezember 2024 das Fehlen greifbarer Kriterien beanstandet wurde. Dies gilt auch hier, weil das Kriterium des „vertreten-müssens“ ein zu wenig konkreter, unbestimmter Rechtsbegriff ist. Ebenso sind die im Referentenentwurf erwähnten Darlegungs- und Feststellungslasten (Blatt 39 und 41 der Begründung) dem Kindschaftsrecht völlig fremd. Diese Verfahren sind zu Recht vom Amtsermittlungsgrundsatz geprägt. Vor allem im Bereich des hier einzig in Betracht kommenden Umgangsrechts des nur leiblichen Vaters sind solche Feststellungslasten nicht vorgesehen, sie würden durch das geplante Abstammungsrecht systemwidrig in die Kindschaftsverfahren getragen werden.
Es besteht außerdem die Gefahr, dass die Gründe für einen etwaigen Abbruch bzw. Nichtaufbau der sozial-familiären Beziehungen gänzlich konträr vorgetragen werden, was im Ergebnis entgegen der gesetzgeberischen Intention im Regelfall – und nicht nur im Ausnahmefall – eine Prüfung nach Satz 3 anhand des Kindeswohls nach sich ziehen wird.
Es wird daher angeregt zu überdenken, ob anstelle von § 1600 Abs. 3 Satz 2 und 3 RefE BGB nicht eine Generalklausel zur Interessensabwägung vorzugswürdig wäre. Diese könnte wie folgt lauten:
„S. 2: Dies gilt nicht, wenn unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen der Beteiligten eine Anfechtung für das Wohl des Kindes erforderlich ist, wobei insbesondere das Bestehen oder frühere Bestehen einer sozial-familiäre Beziehung zum leiblichen Vater beziehungsweise die Gründe für einen Nichtaufbau einer sozial-familiären Beziehung relevant sind.“
Sollte entsprechend der Begründung zum Entwurf eine offenere Interessenabwägung nicht in Betracht kommen (Blatt 19 Ziffer 3) und an der bisherigen Aufzählung in Satz 2 festgehalten werden, erscheint es vorzugswürdig, in Nr. 2, Nr. 3 und Nr. 4 das Kriterium des „Vertretenmüssen“ herauszunehmen, da dies typischerweise im Rahmen einer Interessensabwägung nach Satz 3 zu überprüfen ist.
Da in Satz 3 eine Kindeswohlprüfung zu erfolgen hat und das Kind sich offensichtlich in einem Interessenkonflikt zu seinen (rechtlichen/leiblichen) Eltern befinden kann, sollte für diesen Fall die Bestellung eines Verfahrensbeistands als notwendig gesetzlich normiert werden. Hierzu müsste § 174 FamFG durch einen Regelfall ergänzt werden.
5. § 1600 Abs. 4 RefE BGB:
Es besteht ggf. Klarstellungsbedarf, da es nach Absatz 4 Satz 1 entsprechend den Aus-führungen im Referentenentwurf auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ankommt. Dies eröffnet durch die Verwendung des Perfekt (zusammengelebt hat) in Satz 2 Raum für Widersprüche.
Formulierungsvorschlag Satz 2-E:
„Eine Übernahme tatsächlicher Verantwortung liegt in der Regel vor, wenn der Mann mit dem Kind längere Zeit in häuslicher Gemeinschaft lebt oder zusammengelebt hat.“
Damit sind Fälle, in denen es Unterbrechungen eines längeren Zusammenlebens gege-ben hat oder in denen die häusliche Gemeinschaft nur kurz vor dem Antrag nach langer Zeit des Zusammenlebens abbrach, auch mitumfasst.
6. § 1600 Absatz 5 RefE BGB:
Diese Vorschrift wird uneingeschränkt befürwortet. Das Anfechtungsrecht des anerkennenden Vaters wird nunmehr auf die Fälle beschränkt, in denen er nicht wusste, dass das Kind nicht von ihm abstammt. Die in Kenntnis fehlender Abstammung erklärten Anerkennungen werden damit endlich für beide Elternteile unanfechtbar.
Die NRV regt an, dass die Feststellungslast zur fehlenden Kenntnis eindeutig dem Anerkennenden zugewiesen wird. Gerade bei einem zuvor erlangten Nachweis über ein Verfahren nach § 1598a BGB entstehen nach aktueller Rechtslage bereits Konstellationen, in denen die angeblich erst die durch Einholung eines gendiagnostischen Gutachtens entstandene Gewissheit zur fehlenden Abstammung letztlich den Ausschlag gibt, weil Zweifel an der Einhaltung der Anfechtungsfrist hier gerade nicht zu Lasten des Anfechtenden gehen (BGH NJW 1998, 2976; OLG Celle FamRZ 2018, 1851). Diese Rechtslage und Feststellungslast wirken sich also oft zu Lasten des Kindes aus, das die bestehenden sozial-familiären Bindungen zu seinem rechtlichen Vater nur schlecht verteidigen kann.
7. § 1600a Abs. 4 RefE BGB:
Diese Neuerung wird sehr begrüßt, da hierdurch das Persönlichkeitsrecht des Kindes nach Vollendung des 14. Lebensjahres gestärkt wird. Die Konstellation, in der Väter noch nicht volljährig sind, ist auch durchaus praxisrelevant.
8. § 1600b Abs. 4 RefE BGB:
Nach § 1600 b Abs. 4 RefE BGB soll die Frist zur Vaterschaftsanfechtung während des Bestehens einer sozial-familiären Beziehung zwischen dem rechtlichen Vater und dem Kind gehemmt sein. Damit wird die Anfechtung der Vaterschaft bis zum 18. Lebensjahr eines Kindes möglich sein (erst danach wird der Widerspruch des Kindes bedeutsam). Die nach der verfassungsgerichtlichen Entscheidung zu erwartende Erweiterung eines Restitutionsverfahrens (§ 185 FamFG-E) wird hier mit einer Fristhemmung für die Anfechtung kombiniert.
Nach Auffassung der NRV überschreitet dieser Vorschlag den vom BVerfG gesteckten Rahmen zu Lasten der Rechtssicherheit für rechtliche Väter, Kinder und Mütter, weil neben dem Anerkennungsverbot während eines laufenden Feststellungsverfahrens (§ 1594 Absatz. 5 BGB-E) die Anfechtungsmöglichkeiten für den leiblichen Vater stark ausgeweitet werden. Das Bundesverfassungsgericht hat eine „zweite Chance“ gefordert. Der Referentenentwurf setzt die Entscheidung nun an zwei Stellen um und schafft nicht nur zwei, sondern faktisch eine unendliche Vielzahl von Chancen.
Da der Anknüpfungspunkt für das Ende der Zeitspanne, in der die Anfechtungsfrist ge-hemmt ist (Ende der sozial-familiären Beziehung) als unbestimmter Rechtsbegriff äußerst interpretationsbedürftig ist, kann es – gerade bei einer Trennung der Mutter vom rechtlichen Vater – im schlimmsten Fall zu mehrfachen Verfahren kommen, in denen der rechtliche Vater den Fortbestand der sozialen Beziehung zu seinem Kind darstellen muss. Gelingt ihm das, bleibt die Frist gehemmt und der leibliche Vater kann nach Ablauf weiterer Zeit erneut ein Anfechtungsverfahren mit der Behauptung einleiten, die soziale Beziehung sei nunmehr entfallen. Mit der Kombination aus Fristenhemmung und Restitutionsverfah-ren kann ein leiblicher Vater sich also während der gesamten Minderjährigkeit eines Kindes mehrfach an Familiengerichte wenden und sogar durch Antragsrücknahme verhin-dern, dass es zu einer rechtskräftigen Entscheidung kommt.
Für die rechtliche Familie kann dies auch unter dem Gesichtspunkt des Kindeswohl äußerst belastende Situationen herstellen. In solchen Fällen geht es erfahrungsgemäß häufig um hochkomplexe Beziehungen, die von den Familiengerichten mit hohem Aufwand bearbeitet werden müssen. Es ist im Sinne des Rechtsfriedens aber auch des Kindeswohls erforderlich, hier eine Limitierung einzuziehen, die nach der verfassungsgerichtlichen Entscheidung ohne weiteres möglich ist. Zudem kann auf diese Art und Weise insbesondere die Umgangsgestaltung einer Familie nach einer Trennung der rechtlichen Eltern ganz besonders auf den Prüfstand geraten. Da gleichzeitig die Anhörung des Kindes und des rechtlichen Vaters nach § 175 Abs. 2 RefE FamFG als Soll-Vorschrift vorgesehen ist, kann es zu einer Belastung des Kindes durch Anhörungen bei Mehrfachverfahren kommen. Im Übrigen ist – wenn eine ursprünglich bestehende sozial-familiäre Bindung unstreitig ist – die Anfechtung faktisch kaum noch fristgebunden. Denn das Verstreichen der Frist müssen Mutter, rechtlicher Vater und Kind beweisen.
Hier entstehen in der praktischen Umsetzung durch die Familiengerichte Probleme, die der Gesetzgeber noch einmal bedenken sollte: Sollen der rechtliche Vater, die Mutter und das Kind sich ernsthaft mehrfach dazu erklären müssen, dass sie sich nach wie vor wie Vater-Mutter-Kind fühlen? Was ist, wenn die Mutter sich nach einer Trennung gegen Umgänge sperrt und nun behauptet, der rechtliche Vater habe sich sowieso nie richtig um das Kind gekümmert? Sollen Familienrichter ein Kind mehrfach befragen, ob es meint und fühlt, dass der Vater der Vater ist? Wann und wie endet eine sozial-familiäre Beziehung?
Die soziale, rechtliche Vaterschaft ist auch nach der Trennung der rechtlichen Eltern schutzwürdig. Die Fristhemmung sollte daher überdacht werden oder zumindest abgestimmt werden mit dem Restitutionsverfahren nach § 185 FamFG-E. Sie ist zur Erreichung des vom BVerfG geforderten Ziels nach Auffassung der NRV nicht erforderlich.
Letztlich wird die Einführung der Fristenhemmung bis zur Beendigung einer sozial-familiären Beziehung zwischen dem Kind und seinem rechtlichen Vater damit begründet, dass ein leiblicher Vater nicht gezwungen sein soll, ein aussichtsloses Anfechtungsverfahren zu führen, solange weithin erkennbar ist, dass zwischen dem Kind (älter als 6 Monate) und dem rechtlichen Vater eine sozial-familiäre Bindung besteht.
Wenn die Frist nicht gehemmt wäre und es stattdessen zwingend wäre, ein erstes Anfechtungsverfahren zu führen, würde das nach Auffassung der NRV auch der Rechtssicherheit dienen. Denn mit einem solchen Verfahren würde das Bestehen einer sozial-familiäre Be-ziehung zwischen dem rechtlichen Vater und dem Kind überprüft. Diese Überprüfung findet bereits nicht statt, wenn zunächst kein Verfahren eingeleitet werden muss und – möglicherweise erst Jahre nach der Geburt des Kindes – eine Anfechtung stattfindet. Voraussetzung für die Hemmung der Frist ist immerhin auch, dass ursprünglich eine sozial-familiäre Beziehung bestanden hat. Das wird nach Ablauf längerer Zeit im Falle einer Trennung der rechtlichen Eltern kaum je überprüft werden können und geht so auch zu Lasten des leiblichen Vaters, der insoweit auch ein Interesse für ein zeitnahes Anfechtungsverfahren haben dürfte. Dem leiblichen Vater abzufordern, dass zunächst ein (erfolgloses) Verfahren geführt werden muss, in dem die sozial-familiäre Beziehung zum rechtlichen Vater aufgeklärt wird, erscheint durchaus zumutbar. Immerhin wird es nach der geplanten Gesetzesfassung häufiger als bislang nicht Anfechtungs- sondern Feststellungsverfahren geben. Hier ist der leibliche Vater durch die Anerkenntnissperre während laufender Verfahren besser vor rechtsmissbräuchlich entstehenden rechtlichen Vaterschaften geschützt und kann während der ersten sechs Lebensmonate des Kindes bessere Anfechtungsmöglichkeiten nutzen.
Das Gesetz sollte daher die Fristhemmung streichen und sich darauf beschränken, das Restitutionsverfahren nach § 185 FamFG-E wie beabsichtigt für Konstellationen zu öffnen, in denen ein rechtskräftiger Abschluss eines Anfechtungsverfahrens mit Prüfung der sozial-familiären Bindung vorangegangen ist. Das ist für die vom Verfassungsgericht geforderte zweite Chance in jeder Hinsicht ausreichend.
9. § 33a RefE PStVO:
Die NRV begrüßt, dass eine Vaterschaft durch die sog. Dreiererklärung nur begründet werden kann, wenn die Abstammung des Kindes vom intendierten Vater feststeht. Der Regelungsort in der Personenstandsverordnung ist allerdings nicht überzeugend, zudem eine Parallelvorschrift für das SGB VIII nicht geplant ist und so hinkende Anerkennungserklärungen entstehen können. Die NRV plädiert daher dafür, den Abstammungsnachweis als Voraussetzung für die Wirksamkeit der Dreierklärung in § 1595a RefE-BGB aufzunehmen.
10 § 174 FamFG:
Es wird angeregt, dass der Reformgesetzgeber einen neuen Satz 2 anfügt mit folgen-dem Wortlaut:
„In den Fällen des § 1600 Absatz 3 BGB-E ist ein Verfahrensbeistand zu bestellen.“
Der aktuelle Satz 2 wird Satz 3 s.o. Ziffer II 4)
11. § 176 RefE FamFG:
Hier sollte als Absatz 2 eine Ergänzung normiert werden:
„In den Fällen der schwebenden Unwirksamkeit nach § 1594 Absatz 5 BGB hat das Familiengericht diese dem zuständigen Jugendamt und Standesamt mitzuteilen.“
12. § 185 RefE -FamFG:
In diesem Restitutionsverfahren als Ausnahme steckt die vom BVerfG geforderte „zweite Chance“. Es wird angeregt, bevorzugt durch Regelbeispiele in der Norm selbst, zumindest aber in der Gesetzbegründung die Voraussetzungen für das Tatbestandsmerkmal „Beendigung der sozial-familiären Beziehung“ zwischen rechtlichem Vater und Kind zu präzisieren. Im Falle einer Auflösung der häuslichen Gemeinschaft zwischen dem Kind und dem Vater, z.B. durch Trennung der Eltern, ist sie nämlich nicht notwendig gegeben. Nach den praktischen Erfahrungen sind (rechtliche) Väter eben auch nach Trennung sehr an einer sozialen Beziehung zum Kind interessiert, auch wenn es nicht (vorwiegend) in ihrem Haushalt lebt.
Gerade Kinder, die eine Trennung ihrer Eltern erleben, bedürfen eines Schutzes der sozialen Beziehung zum ausziehenden Elternteil, der statistisch betrachtet oft der Vater ist. Die Pflicht zum und das Recht auf Umgang nach §§ 1684, 1685 BGB dokumentiert die Bedeutung der Aufrechterhaltung der Beziehung für das Kind. Die (erfolgreiche) Anfechtung beseitigt die rechtliche Vaterschaft immerhin ex tunc – und mit ihr alle Erbrechte und Unterhaltsansprüche gegenüber dem verdrängten Vater. Gerade die unterhaltsrechtlichen Folgen für das Kind und die streitenden Väter sollten ggf. noch einmal genauer in den Blick genommen werden; hier hatte der Gesetzgeber im Jahr 2016 mit dem – letztlich nicht in Kraft getretenen – Gesetz zur Regelung des Scheinvaterregresses (https://dserver.bundestag.de/btd/18/103/1810343.pdf) schon einmal angedacht, die Regressforderungen des rechtlichen Vaters gegen den leiblichen Vater auf zwei Jahre zu begrenzen.
Anders als die Anknüpfungspunkte bei den bislang gesetzlich geregelten Wiederaufnahmeverfahren ist der Anknüpfungspunkt „Beendigung der sozial-familiären Beziehung“ im Übrigen recht vage und wird ggf. sogar mehrfach geltend gemacht werden können, weil menschliche Beziehungen veränderlich sind. Hier unterscheidet sich der geplante Restitutionsgrund eklatant von den objektiven Wiederaufnahmegründen anderer Normen (u.a. das Auffinden von Urkunden in § 580 ZPO, oder vorausgehende rechtskräftige Verurteilung). Wegen der Wandelbarkeit der Beziehungen bedarf es einer Begrenzung dieser „zweiten Chance“, sonst werden mehrere Restitutionsverfahren möglich werden. Insbesondere in dem Fall, in dem ein Restitutionsverfahren erfolglos bleibt, weil es (noch) nicht zum einem Wegfall der sozial-familiären Beziehung gekommen war, erhält der leibliche Vater nicht nur eine zweite, sondern denkmöglich mehrere Chancen. Die rechtliche Familie muss hier vor einer Mehrzahl von Verfahren geschützt werden. Die Anzahl der möglichen Restitutionsverfahren sollte auf maximal zwei Verfahren beschränkt werden.
Auf jeden Fall sollte das Zusammenwirken zwischen § 1600 b Absatz 4 BGB-E und § 185 FamFG-E (s.o. Ziffer II 8) so abgestimmt werden, dass ein Nacheinander vieler Verfahren und ein Führen aussichtsloser Verfahren zum Schutz des Kindes und zur Entlastung des Familiensystems vermieden wird.
Carsten Löbbert Dr. Gudrun Lies-Benachib Ulrike Sachenbacher