Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz für ein Hinweisgeberschutz-Gesetz
Die Fachgruppe Arbeitsrecht der Neuen Richtervereinigung e.V. begrüßt es im Prinzip, dass die Hinweisgeber-RL des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23.10.2019 nun endlich in nationales Recht umgesetzt werden soll. Auch die teilweise Ausweitung des sachlichen Anwendungsbereichs auf nationales Recht – anders als der Entwurf der vormaligen Bundesregierung findet grundsätzlich unsere Zustimmung.
Allerdings zwingt die Kürze der vom Justizministerium gesetzten Frist – nachdem diese mitten in die Osterferien fiel – und die hohe Komplexität der Materie dazu, sich stichwortartig auf zwei Punkte zu beschränken:
-Der Schutz der Beschäftigen und ihrer Vertretungsorgane erscheint nicht annähernd angemessen gewürdigt im Vergleich zu sonstigen wirtschaftlichen Belangen.
– Der im Gesetz angelegte gute Glaube an das Vorliegen bestimmter tatbestandlicher Voraussetzungen greift zu kurz und führt zu sachlich nicht nachvollziehbarer Ungleichbehandlung.
Im Einzelnen:
Zum Schutz der „Beschäftigten und ihrer Vertretungsorgane“.
Im sachlichen Anwendungsbereich von § 2 Absatz 1 RefE sollte der Schutz der Rechte der Beschäftigten und ihrer Vertretungsorgane nicht erst eingreifen, wenn Verstöße strafbewehrt (Nummer 1) oder bußgeldbewehrt (Nummer 2) sind.
Stattdessen sollte dieser Schutz davon unabhängig sein und unter die sonstigen Verstöße gegen Rechtsvorschriften des Bundes in den Katalog von § 2 Nummer 3 mit aufgenommen werden; etwa mit der Formulierung:
„ mit Vorgaben zum Schutz der Beschäftigten und ihrer Vertretungsorgane“.
Begründung:
Die Begründung des Gesetzentwurfs verweist ausdrücklich auf den vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte erfolgreich geführten Rechtsstreit Heinisch/ BRD aus dem Jahr 2011, in welchem schwere Pflegemängel, die eben keine straf- oder bußgeldbewehrte Handlungen, sondern einen ethisch zu missbilligenden Missstand in Bezug auf das öffentliche Interesse zum Gegenstand hatten, von der Klägerin öffentlich gemacht wurden. Daher greift der Referentenentwurf zu kurz, wenn er sich auf strafbewehrte und bußgeldbewehrte Rechtsverstöße beschränkt. Vielmehr hätte es sehr nahe gelegen, auf die Ausnahmeregelung des „…sonstigen Fehlverhaltens, wenn die Erlangung, Nutzung oder Offenlegung geeignet ist, das allgemeine öffentliche Interesse zu schützen…“ im Sinn von § 5 Nr. 2 des am 18.4.2019 in Vollziehung einer EU-RL verabschiedeten Gesetzes zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen zu rekurrieren. Diese Tatbestandsmerkmale wurden nämlich explizit wegen der erst im Gesetzgebungsverfahren im vollen Umfang erkannten Probleme um die sog. Panama-Papers und die Luxleak-Affaire erkannt und berücksichtigt.
Zumindest in so existentiell bedeutsamen Lebensbereichen wie den Arbeitsverhältnissen- hier § 2 Absatz 1 Nummer 2 – hätte eine mindestens gleiche Bedeutung beigemessen werden sollen wie den in Absatz 3 ff des Geschäftsgeheimnis-Gesetzes.
B)
Zur gebotenen Ausdehnung des Schutzes des guten Glaubens einer hinweisgebenden Person, die Meldung an Polizei oder Staatsanwaltschaft erstattet in der irrigen Annahme, es handele sich um die zuständige externe Stelle.
Nach § 33 des Gesetzentwurfs sollen zwei materielle Voraussetzungen für den Schutz einer hinweisgebenden Person relevant sein. Zum einen, dass sie zum Zeitpunkt ihrer Meldung oder Offenlegung in der Sache „hinreichenden Grund zu der Annahme“ hatte, dass die von ihr gemeldeten oder offengelegten Informationen der Wahrheit entsprechen ( § 33 Absatz 1 Ziffer 2 RefE). Zum anderen, dass die Informationen Verstöße betreffen, die in den Anwendungsbereich dieses Gesetzes fallen, hilfsweise die hinweisgebende Person zum Zeitpunkt der Meldung oder Offenlegung zumindest hinreichenden Grund zu der Annahme hatte, dass dies der Fall sei ( § 33 Absatz 1 Ziffer 3 RefE).
Hierdurch soll also der gute Glaube bezüglich der Wahrheit der Information und des sachlichen Anwendungsbereichs geschützt werden. Nicht unter diesen Schutz dagegen fällt jedoch der eventuelle gute Glaube daran, dass die- irrtümlich- angerufene Polizei oder die Staatsanwaltschaft auch die zuständige externe Meldestelle sei.
Dies außer Acht zu lassen erscheint zumindest aus Sicht des Durchschnittsbürgers schwer verständlich, weil bislang diese Stellen für strafrechtlich oder bussgeldrechtlich bewehrte Verstöße geradezu die in der Regel „geborene“ alleinige Zuständigkeit hatten und auch nach wie vor weiter haben werden.
Hinzu kommt, dass es unter der Geltung des Hinweisgeberschutz-Gesetzes zu den zu Gebote stehenden Folgemaßnahmen der externen Meldestellen gehören soll , die hinweisgebende Person an eine andere zuständige Stelle zu verweisen ( § 29 Absatz 2 Ziffer 2), das Verfahren an eine zuständige Behörde zwecks weiterer Untersuchungen abzugeben ( § 29 Absatz 2 Ziffer 4) oder an die für die Aufklärung, Verhütung und Verfolgung des Verstoßes zuständige Stelle weiterzuleiten ( § 31 Absatz 2). Wenn also eine Zuständigkeitsveränderung durch eine Behörde möglich ist, sollte dies auch -quasi im entgegengesetzten Fall- durch die hinweisgebende Person ohne eigene Nachteile für diese ebenso möglich sein.
Wer sich beschwerdeführend an die Polizei oder Staatsanwaltschaft wendet, darf nicht schlechter gestellt werden als ein Whistleblower, der dasselbe Ziel der Missstandsbeseitigung verfolgt. Ein sachlicher Grund für eine Schlechterstellung des Erstgenannten ist nicht ersichtlich, zumal wenn berücksichtigt wird, dass nach dem Willen des Gesetzgebers ( S. 36 der Entwurfsbegründung) die externe Meldestelle als sog. „one stop shop“ den potentiellen Hinweisgeber entlasten und davon befreien soll, sich umfassend mit schwer verständlichen Zuständigkeitsfragen befassen zu müssen.
Daher wird vorgeschlagen, § 33 Absatz 1 Ziffer 3 sinngemäß wie folgt zu ergänzen:
„ …oder wenn zur Zeit einer solchen Meldung bei der Polizei oder Staatsanwaltschaft die hinweisgebende Person hinreichenden Grund zu der Annahme hatte, diese Behörde sei eine externe Meldestelle gemäß § 27 oder diese Behörde würde den Vorgang an die externe Meldestelle weiterleiten; in diesem Fall erfährt die hinweisgebende Person denselben Schutz ab dem Eingang ihrer Meldung.“
Tanja Keller
Sprecherin der Fachgruppe Arbeitsrecht der Neuen Richtervereinigun