Gesetzentwurf zur weiteren Digitalisierung der Justiz – Schriftsatzkündigung
Die Neue Richter*innenvereinigung unterstützt den Vorschlag des Bundesrats, § 46h ArbGG-E dahingehend zu ergänzen, dass unfaire Schriftsatzkündigungen nicht durch die Digitalisierung gefördert werden dürfen.
Am 6. März 2024 hat die Bundesregierung den Entwurf eines Gesetzes zur weiteren Digitalisierung der Justiz beschlossen. Zum Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG) enthält der Entwurf in
Art. 22 Nr. 3 folgende Regelung:
„§ 46h Formfiktion
Ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung, die der schriftlichen oder der elektronischen Form bedarf, in einem vorbereitenden Schriftsatz enthalten, der als elektronisches Dokument nach § 46c bei Gericht eingereicht und dem Empfänger zugestellt oder mitgeteilt wurde, so gilt die Willenserklärung als in schriftlicher oder elektronischer Form zugegangen. Dies gilt auch dann, wenn die Ersetzung der schriftlichen Form durch die elektronische Form ausgeschlossen ist.“
Der Bundesrat hat in seiner Stellungnahme vom 26. April 2024 (Bundesrats-Drucksache 12624 (Beschluss) vorgeschlagen, diese Regelung um folgenden Satz 3 zu ergänzen.
„Wird die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses in elektronischer Form erklärt, ist die schriftliche Form nur gewahrt, wenn der Erklärende zu Beginn des Schriftsatzes gut erkennbar darauf hinweist, dass der Schriftsatz eine Kündigung enthält.“
Zur Begründung des Vorschlags hat der Bundesrat angeführt, im Hinblick auf die mit dem Gesetzentwurf erneut durchführbaren Schriftsatzkündigungen bestehe die Möglichkeit einer unfairen Prozessführung zuungunsten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, denn mit § 46h des Arbeitsgerichtsgesetzes werde die Einhaltung der Schriftform fingiert. Da die Formfiktion bei versteckt ausgesprochenen Schriftsatzkündigungen nicht sachgerecht sei, solle die im Satz 3 vorgeschlagene Ergänzung erfolgen.
Die Neue Richter*innenvereinigung unterstützt diesen Vorschlag. Die Digitalisierung darf nicht dazu führen, dass die unfaire Prozesstaktik der „versteckten“ Schriftsatzkündigung gefördert wird. Unfair sind Schriftsatzkündigungen dann, wenn sie, wie nicht selten in der Praxis zu beobachten ist, versteckt erklärt werden, zum Beispiel auf der Seite 49 eines 60-seitigen Schriftsatzes und/oder mit Formulierungen („Damit erweist sich die Kündigung vom …, die hiermit wiederholt wird, als rechtswirksam.“). Mit dieser „Verstecktaktik“ verbindet der Erklärende die Erwartung, die Gegenseite werde die Schriftsatzkündigung angesichts des Umfangs des Schriftsatzes übersehen, mit der rechtlichen Folge, dass die Kündigung nach Ablauf der dreiwöchigen Klagefristfrist des § 4 Satz 1 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) ohne eine inhaltliche Prüfung gemäß § 7 KSchG als rechtswirksam gilt.
Eine professionell vertretene Partei kann gegen eine solche unfaire Prozessführung in einem gewissen Umfang prozessual Vorsorge treffen, insbesondere durch die Stellung eines allgemeinen Feststellungsantrags. Das hat aber in der Praxis nicht immer Erfolg. Die in § 46h
ArbGG-E vorgesehene Formfiktion darf daher nicht für solche Fälle gelten, in denen der Erklärende unlautere Ziele verfolgt. Würde man eine derartige unfaire Prozesstaktik zulassen, so würde dies der Akzeptanz der Digitalisierung in der Bevölkerung erheblich schaden.