Gesetzentwurf für ein Gesetz zur Änderung des Brandenburgischen Richtergesetzes
Wir halten es für den falschen Weg, wenn die erforderlichen Änderungen im defizitären Beurteilungswesen in der Justiz von der Landesregierung angestoßen werden. Es gehört in die originäre Hand des Gesetzgebers oder hätte eigentlich in die derzeit laufende Zukunftskonferenz Justiz einbezogen werden müssen. Wir verstehen immer noch nicht, warum z.B. der Rechtskundeunterricht Gegenstand dieser Veranstaltung ist, eine so wichtige Frage, wie das Beurteilungswesen in Brandenburg zukünftig ausgestaltet sein soll, jedoch nicht. Wir erinnern erneut an den Inhalt des Koalitionsvertrages, in dem ein Mehr an Selbstverwaltung und Autonomie der Justiz fest vereinbart wurde. Dazu gehört insbesondere auch, das seit Langem notleidende Beurteilungswesen auf neue Füße mit mehr Akzeptanz zu stellen. Bekanntlich haben wir in den vergangenen Jahren immer wieder Vorschläge gemacht, wie dies erfolgen könnte und geben die Hoffnung nicht auf, gehört zu werden.
Wir werden daher in den nächsten Tagen den Rechtsausschuss des Landtages anschreiben und vorschlagen, zu der Frage „Welches Richterbild hat der Gesetzgeber in Brandenburg“, eine Orientierungsdebatte unter Beteiligung der Richterschaft durchzuführen. Wir stellen uns vor, dass dadurch im Ergebnis auch bestimmt wird, wie die Beurteilung richterlicher Arbeit zukünftig gesetzlich und auch besser normiert sein muss.
Bis dahin nehmen wir heute in der Sache nur vorsorglich sowie vorläufig Stellung:
Die vor fast einem Jahr angekündigte Gesetzesänderung wird den Vorgaben, die das Bundesverwaltungsgericht aufgestellt hat, nicht gerecht. Insbesondere ist festzustellen, dass der Entwurf nicht die Unabhängigkeit und die Funktion der dritten Gewalt beachtet:
Richterinnen und Richter sind gemäß Art. 97 Abs. 1 GG unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen; allein ihnen ist gemäß Art 92 GG die rechtsprechende Gewalt anvertraut und damit auch die Aufgabe, die Exekutive zu kontrollieren. Aus diesem Grund verbietet es sich, die Exekutive zu ermächtigen, Bewertungskriterien für die Beurteilung richterlicher Arbeit aufstellen zu dürfen. Dies kann nur durch den Gesetzgeber selbst geregelt werden und muss abschließend sein. Die konturlosen und unkonkreten Ermächtigungen in § 9 Abs. 4 Nrn. 3, 4 und 5 (durch Rechtsverordnung der Justizministerin werden geregelt: „die Beurteilungsgrundlagen“, „der Beurteilungsmaßstab“, „der Inhalt der Beurteilung einschließlich des Beurteilungssystems“) sind außerdem viel zu unbestimmt, um dem erforderlichen Gesetzesvorbehalt genügen zu können. Ohne nähere Einhegung durch näher bestimmte Vorgaben und Eckpunkte im Gesetz erlauben sie der Exekutive im Prinzip, die bisherigen Verwaltungsvorschriften zukünftig inhaltlich unverändert sodann als Rechtsverordnungen erlassen zu können. „Alter Wein in neuen Schläuchen“ wird der Sache aber nicht gerecht und darf so nicht Gesetz werden. Ganz besonders zu bemängeln ist in diesem Zusammenhang, dass dem Vorhaben eine Regelung fehlt, wonach solche Rechtsverordnungen der vorherigen Gremienbeteiligung unterliegen, wie es derzeit bei den defizitären Beurteilungsrichtlinien vorgesehen ist. Dies ist neben der von der Justizministerin in einem anderen Bereich rechtsgrundlos verfügten Nichtanwendung der Beteiligungsrechte ein weiterer Rückschritt, der nicht stattfinden darf.
Unabhängig davon beseitigt der Entwurf auch im Übrigen nicht die vom Bundesverwaltungsgericht erkannten Defizite im Beurteilungswesen.
Laut Bundesverwaltungsgericht ist vom Gesetzgeber zu regeln, dass das abschließende Gesamturteil unter Würdigung aller Einzelmerkmale zu bilden ist.Hierzu lässt sich dem Gesetzesentwurf jedoch nichts entnehmen. In § 9 Abs. 2 Satz 2 heißt es hierzu lapidar nur: „Die Beurteilung schließt mit einem Gesamturteil ab.“ Ohne nähere gesetzliche Vorgaben ist das nicht ausreichend und öffnet weiterhin Tür und Tor für willkürliche Beurteilungen.
Defizitär ist auch die Regelung in § 9 Abs. 2 Satz 3 des Entwurfes, wonach bei Beurteilungen aus Anlass der Bewerbung um ein anderes richterliches oder staatsanwaltschaftliches Amt in Berlin oder Brandenburg diese zusätzlich mit einer vorausschauenden Eignungsbewertung für das angestrebte Amt verbunden werden. Wenn die Vergabe eines solchen Amtes von einer vorausschauenden Eignungsbewertung abhängt, ist diese wesentlich im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. Daher müssen Anforderungen und Maßstäbe einer solchen vorausschauenden Eignungsbewertung ebenfalls durch den Gesetzgeber geregelt werden. Jedenfalls dürfen sie nicht allein Verwaltungsvorschriften überlassen bleiben, weshalb die dies weiterhin regelnden untergesetzlichen Vorschriften der Justizverwaltung, d.h. die ErprobungsAV und die AnforderungsAV, ebenfalls defizitär bleiben. Ohne ein Hochzonen auch dieser Regelungen entsteht überdies die Gefahr, dass gesetzlich geregelte Vorgaben für dienstliche Beurteilungen zukünftig durch die Exekutive wieder „durch die kalte Küche“ ausgehebelt werden. Denn wenn z.B. Anforderungen und Maßstäbe für eine vorausschauende Eignungsbewertung weiterhin allein durch Verwaltungsvorschriften bestimmt werden (z.B. die Notwendigkeit von Erprobungen), kann durch Veränderungen an dieser Stelle direkt der Beurteilungsmaßstab verschoben und damit auch der für Beurteilungen notwendige Gesetzesvorbehalt im Ergebnis umgangen werden. Das ist so nicht im Sinne des Erfinders und deshalb auch nicht statthaft.