Der Klagewelle in der Sozialgerichtsbarkeit muss mit mehr Personal begegnet werden

Die Sozialgerichtsbarkeit ist – auch in Schleswig Holstein – von einer beispiellosen Klagewelle erfasst worden. Auslöser ist eine wenig durchdachte und überhastete Gesetzgebung auf Bundesebene. Mit dem Pflegepersonalstärkungsgesetz wollte der Gesetzgeber u.a. die Verjährungsfrist für Vergütungsstreitigkeiten zwischen Krankenhäusern und Krankenkassen von vier auf zwei Jahre verkürzen. Sehr kurzfristig wurde dabei zusätzlich eine Regelung aufgenommen, infolge der Ansprüche der Krankenkassen schon zum 9. November 2018 zu verjähren drohten. Die Krankenkassen haben darauf mit Massenklagen reagiert. Binnen weniger Tage sind an den vier Sozialgerichten in Schleswig-Holstein mehr als 5.000 Klagen von Krankenkassen gegen Krankenhäuser eingegangen. Das entspricht etwa der Hälfte der Klagen, die an den Sozialgerichten im Land in einem Jahr normalerweise insgesamt eingehen und der Arbeitsbelastung von 15 in Vollzeit tätigen Richterinnen und Richtern für ein Jahr.

Auch wenn es sich nicht um eilige Sachen handelt, verursacht die Klagewelle schon jetzt einen richterlichen und nichtrichterlichen Arbeitsanfall auf den die ohnehin stark belastete Sozialgerichtsbarkeit nicht vorbereitet ist. Es ist absehbar, dass die Bearbeitung der übrigen Fälle, in denen z.B. Rentenversicherte auf Gewährung einer Erwerbsminderungsrente, Menschen mit Behinderung auf Ausstattung mit Hilfsmitteln zum Behinderungsausgleich oder Grundsicherungsbeziehende auf volle Berücksichtigung ihrer Mietkosten klagen, davon beeinträchtigt wird, wenn nicht personell gegengesteuert wird.

Es ist auch ein Trugschluss zu glauben, infolge der jetzigen Klagewelle würden weniger Klagen in den Folgejahren eingehen, denn wegen der Verkürzung der Verjährung ist in Zukunft vielmehr mit etwa gleich vielen Streitigkeiten um Krankenhausvergütung zu rechnen wie vor der Reform. Es wird sich lediglich um „jüngere“ Fälle handeln.

Es genügt daher nicht zu hoffen, dass sich die Beteiligten gütlich einigen werden, wie dies in Äußerungen der Justizministerin zum Ausdruck gekommen ist. Vielmehr muss die Sozialgerichtsbarkeit personell verstärkt werden. Die Neue Richtervereinigung Schleswig Holstein fordert das Justizministerium daher auf, mindestens fünf neue Richterstellen in der Sozialgerichtsbarkeit zu schaffen. Da in der Sozialgerichtsbarkeit in den nächsten Jahren eine ganze Reihe von Pensionierungen anstehen, wäre ein Rückbau dieser Stellen bei nachlassender Belastung ohne weiteres möglich. KW-Vermerken bedürfte es nicht.

Neue Richtervereinigung (Landesverband Schleswig-Holstein)

Der Sprecherrat

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