Beurteilungswesen der Richter und Staatsanwälte
Anhörung zur 1. Änderung RiStABeurtVO – Az. 2000E/2/22-I2
Zu 1. Neues Anforderungsprofil R1 Z
Der Änderungsentwurf sieht ein Anforderungsprofil für die durch Art.3 des HBG 2025/2026 an den Amtsgerichten und an den Arbeitsgerichten neu ausgewiesenen Richterplanstellen der Besoldungsgruppe R1 mit Amtszulage für Richterinnen/Richter als ständige Vertreterin oder ständiger Vertreter einer Direktorin/eines Direktors mit 4 bis 7 Richterplanstellen vor.
Grundsätzlich vertritt die NRV die Auffassung, dass Verwaltungstätigkeit in der Gerichtsbarkeit zwar mit einer Funktionszulage verknüpft, aber nur auf Zeit vergeben und nicht im Sinne einer Richter-Beamten-Laufbahn ausgestaltet werden sollte. Dem in BVerfGE 26, 79, (92ff) und 55, 372, (389) zum Ausdruck gebrachten Gedanken, dass Hierarchien in der Justiz so flach wie möglich gehalten werden sollten, um die richterliche Tätigkeit nicht der Gefahr auszusetzen, sich – bewusst oder unbewusst – nach solchen Anreizen zu richten, entspricht die mit Art. 3 Haushaltsbegleitgesetz 2025/2026 erfolgte Ausweitung dieser Hierarchie nicht.
Sie führt zudem andernorts, nämlich dort, wo in größeren, namentlich in Präsidialgerichten, Aufgaben der Justizverwaltung in erheblichem Umfang auf Richterinnen und Richter übertragen werden, zu einer Ungleichbehandlung, die sowohl die Besoldung (keine Zulage trotz Justizverwaltung) als auch die Laufbahn (kein Auswahlverfahren für ein Beförderungsamt) betrifft. Einen Grund, hier vom Senioritätsprinzip abzuweichen, bestand nach Auffassung der NRV nicht.
Mit der Entscheidung, auch für Richterinnen und Richter eine der Besoldung von Gruppenleitern in der Staatsanwaltschaft entsprechende weitere Hierarchieebene einzuziehen, sind für deren Besetzung Beurteilungskriterien vorzusehen. Diese sollten sich, insoweit ist die im Entwurf vorliegende Ergänzung der SächsBeurtRiStAVO konsistent, an jenen orientieren, die für Stellen Weiterer aufsichtsführender Richterinnen und Richter vorgegeben sind. Zu beachten ist insofern allerdings, dass in der Justizwirklichkeit solche Stellen überwiegend in der Arbeitsgerichtsbarkeit auftreten, und hier die Anforderung, sich in verschiedenen Sachgebieten bewährt zu haben, entweder zu einer Änderung der richterlichen Geschäftsverteilungspläne zwingt, oder gleichermaßen auf alle zutrifft, oder aber das „Sonderopfer“ einer Abordnung in eine andere Gerichtsbarkeit abverlangt.
Da Direktorinnen und Direktoren der – wenigen – kleinen Gerichte auch bisher schon vertreten werden, fehlt es nach Auffassung der NRV an einer Übergangsregelung. Sollen die bislang diese Funktion der ständigen Vertreterin oder des ständigen Vertreters einer Direktorin/eines Direktors mit 4 bis 7 Richterplanstellen wahrnehmenden dienstältesten Richter/Richterinnen künftig eine Zulage erhalten? Der Begründung dieses insoweit unverändert (s. LT-Drs. 8/2951, S. 51) übernommenen Regierungsentwurfs (LT-Drs. 8/2151, S. 59) lässt sich zwar entnehmen, dass eine Funktionszulage als leistungsangemessen angesehen wird, nicht aber, dass dies notwendig an ein neues Beförderungsamt geknüpft sein muss. Oder sind diese Stellen daraufhin auszuschreiben?
Zu 2. Erprobungsstellen speziell für die Staatsanwaltschaft
Die Änderung der Anforderungsprofile sieht eine Vermehrung von Erprobungsstellen bei der Generalsstaatsanwaltschaft vor, die ausschließlich als Qualifikationsvoraussetzung für Beförderungsämter innerhalb der Staatsanwaltschaft Anwendung finden sollen. So soll eine ausschließliche Tätigkeit in der Zentralstelle für Opfer von Rechtsextremismus und Antisemitismus (ZORA) als Erprobung als Gruppenleiterin/Gruppenleiter (R1 Z) und eine ausschließliche Tätigkeit bei der „INES“ abgekürzten integrierten Ermittlungseinheit Sachsen, deren ursprüngliche Zuständigkeit (strukturelle Korruption und schwere organisierte Kriminalität) zwischenzeitlich um die Zentralstellen Cybercrime und Extremismus erweitert wurde, zwar als Erprobung für Oberstaatsanwältinnen/ Oberstaatsanwälte (R2) ausreichen, nicht aber für ein entsprechend besoldetes Richteramt.
Diese unterschiedlichen Anforderungsprofile für eine Karriere in der Staatsanwaltschaft und im Richteramt sind mit der gewünschten Durchlässigkeit der richterlichen und staatsanwaltlichen Laufbahn(en) nur schwer zu vereinbaren.
Die vorgesehene Regelung führt nach Auffassung der NRV zu einer inhaltlich nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung. Denn dem Richteramt ist eine Differenzierung nach Aufgaben weitgehend fremd. Das GVG kennt insofern eine erstinstanzliche Zuständigkeit des OLG und damit von Richterinnen und Richtern in einem gehobenen Amt lediglich in Bezug auf ganz wenige Straftatbestände (§ 120 GVG). Weder die Tätigkeit in einer Schwurgerichts- noch in einer Wirtschaftsstrafkammer bieten die Voraussetzung einer Erprobung.
Es dürfte zwar sinnvoll sein, bestimmte Ermittlungsaufgaben landesweit zu zentrieren. Allerdings ist weder der gewählte Weg alternativlos. Statt diese Zentralisierung unter dem Dach der Generalstaatsanwaltschaft vorzusehen, könnten solche Sonderzuständigkeiten durch Konzentrationsverordnung auch bestimmten Staatsanwaltschaften zuzuweisen werden. Noch sollte damit eine Verschiebung des Verhältnisses von nach R1 zu höher besoldeten Stellen einhergehen. Denn dann geriete die laufbahnübergreifende Chancengleichheit strukturell in Gefahr. Querbewerbungen aus der Staatsanwaltschaft müssten dann in jedem Einzelfall auf ihre Vergleichbarkeit hin bewertet werden.
Zu 3. Anforderungsprofil Gruppenleiter
Der Absicht, von Gruppenleiterinnen und Gruppenleitern (R1 Z) bei der Staatsanwaltschaft künftig keine über das Basisprofil hinausgehende Fachkompetenz fordern zu wollen, tritt die NRV nicht entgegengetreten.
Allerdings offenbart der damit behobene Widerspruch zu den Qualifikationsanforderungen, die an Leiterinnen/Leiter einer Abteilung in der Staatsanwaltschaft (R2 bzw. R3) gestellt werden, dass die staatsanwaltschaftliche Laufbahn auf Anforderungen an Fachlichkeit gänzlich verzichtet. Dies steht in einem gewissen Widerspruch zu den Erwägungen, aus fachlichen Erwägungen die Zuständigkeit bestimmter Ermittlungsaufgaben bei der Generalstaatsanwaltschaft zu konzentrieren. Insofern böte sich zur Wahrung der Vergleichbarkeit zum Richteramt an, Fachlichkeitsanforderungen – die nicht unbedingt im rechtlichen Bereich liegen müssten – als Qualifikationsanforderung gerade für eine Tätigkeit und/oder Erprobung in Abteilung III der Generalstaatsanwaltschaft (INES bzw. ZORA) vorzusehen.
Diese Anregung bedürfte einer weiteren Erörterung. Einen konkreten Formulierungsvorschlag kann daher noch nicht unterbreitet werden. Die zu 2. vorgesehenen Änderungen sollten allerdings zu diesem Zwecke zunächst zurückgestellt bleiben.
Zu 4. Dauer des Beurteilungszeitraums für das Richterverhältnis auf Probe
Die Absicht, § 5 Absatz 1 Satz 1 RiStABeurtVO, der Fristen für die erste und die zweite Beurteilung einer Richterin/eines Richters auf Probe vorsieht, nämlich 12 und 30 Monate nach der Ernennung, ergänzend zu präzisieren, wird gutgeheißen.
Allerdings erscheint die beabsichtigte Regelungstechnik, die ersichtlich von konkret aufgetretenen Fallkonstellationen ausgeht (Freistellung für Kanzleiabwicklung, Elternzeit), und einfach eine Verlängerung um die entsprechende Auszeit vorsieht, wenig sachgerecht. Der Gedanke, der der beabsichtigten Verlängerung des Zeitraums bis zu den vorgesehenen Probezeitbeurteilungen zugrunde liegt, nämlich regelhaften Beurteilungen einen sowohl hinlänglichen als auch vergleichbaren Beurteilungszeitraum zugrunde zu legen, sollte daher nach Auffassung der NRV mit einer anderen als der jetzt beabsichtigten Regelungstechnik umgesetzt werden. Beurlaubungen und Freistellungen ohne Dienstbezüge stellen nicht die einzigen denkbaren irregulären Verkürzungen der Probezeit dar. So wirkt sich beispielsweise ein längerer verletzungsbedingter Ausfall in gleicher Weise aus. Zudem kann ein fristverlängernder Umstand auch unmittelbar vor Ablauf der jeweiligen Frist eintreten. Verschöbe sich das Datum der Probezeitbeurteilung daraufhin automatisch, so würde sich die Beurteilung selbst im Falle einer minimalen Abwesenheit auf unbestimmte Zeit verschieben.
Daher sollte die Regelung schlicht auf die Dauer des Beurteilungszeitraums abstellen, indem einer Probezeitbeurteilung beispielsweise mindestens ¾ des regulären Zeitraums zugrunde liegen soll. Tritt eine Verschiebung ein, sollte indessen die reguläre Dauer gelten – gerade um in Fallkonstellationen, in den die Unterbrechung am Ende liegt, mehr als nur ein einen Moment zusätzlichen Eindruck beurteilen zu können.
„Die Fristen verlängern sich, wenn die zu Beurteilenden länger als ein Viertel der jeweils bis zum Beurteilungsstichtag zurückzulegenden Dienstzeit an der Ausübung des Amtes gehindert waren. Tritt eine Verlängerung ein, dann wird dieser Zeitraum aus der Berechnung des Regelbeurteilungsstichtags herausgerechnet.“
Zu 5. Vermerk über Erörterung der Beurteilung
Die NRV teilt die Auffassung, dass das in Anlagen 2-4 der RiStABeurtVO vorgesehene Formular zur Dokumentation der Erörterung der Beurteilung um ein Feld für einen Positivvermerk im Falle einer solchen Erörterung ergänzt werden sollte.
Zu 6. Das für Justiz zuständige Ministerium
Das für Justiz zuständige Ministerium müht sich, der Änderung seiner Bezeichnung Rechnung zu tragen, die in aller Regel mit jeder Regierungsneubildung und dem damit verbundenen Neuzuschnitt des Justizministeriums eintritt. So wenig, wie sich diese Bezeichnung auf die Kompetenzzuweisung auswirkt, so wenig Information enthält sie. Regelmäßig allen Zufälligkeiten der Kabinettzuschnitte Rechnung tragen zu wollen, stellt eine Aufgabe dar, die sich unschwer durch die Wahl einer neutralen Formulierung vermeiden lässt.