Anzeige gegen die Polizeibeauftragte El Samadoni

Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Kiel

Staatsanwaltschaft muss sich den aus der Politik gestellten Fragen gerade bei Vorermittlungen gegen Personen des politischen Lebens stellen

Die Vorermittlungen der Staatsanwaltschaft Kiel vor dem Ausscheiden des Innenministers Grote und nun gegen die Polizeibeauftragte El Samadoni erfordern spätestens seit der Pressemitteilung des Richterbundes Schleswig-Holstein und dessen Wiedergabe in der Presse mehrere Klarstellungen.

Als nicht zielführend sieht die NRV Schleswig–Holstein jede pauschale Abwehr von Kritik an der Vorgehensweise einer Staatsanwaltschaft unter Bezugnahme auf deren Unabhängigkeit an. Der Richterbund geht wie selbstverständlich davon aus, dass StaatsanwältInnen wie RichterInnen unabhängig sind. Dies ist verfassungsrechtlich nicht der Fall. Die sachliche Unabhängigkeit wird in Art. 97 Abs.1 des Grundgesetzes nur RichterInnen garantiert. Ganz unbestreitbar ist die Staatsanwaltschaft zwar Teil der Recht sprechenden Gewalt und übt in diesem Sinne auch Recht sprechende Tätigkeit aus. Aufgrund ihrer hierarchischen Gebundenheit – es bestehen Weisungsrechte der Vorgesetzten bis hin zum Justizminister – und wegen der Ausübung von Ermittlungstätigkeit wird die Staatsanwaltschaft nach herrschender Meinung aber der Exekutive zugeordnet. Auch wenn die NRV seit langem die Unabhängigkeit der Staatsanwaltschaft fordert: Strukturell ist die Staatsanwaltschaft gerade nicht unabhängig. Dies ist in keiner Weise eine Pauschalkritik an der Arbeit der Staatsanwaltschaften, aber zum Verständnis wichtig.

Eine moderne Staatsanwaltschaft ist kein Staat im Staate, sondern muss ihr Vorgehen der Öffentlichkeit und der Presse erklären, soweit nicht der grundsätzlich geheime Charakter des Ermittlungsverfahrens entgegenstehen. Deshalb versteht die NRV Schleswig-Holstein die von Parteivertretern gestellten Fragen im Kontext mit der Grote-Entlassung und den El  Samadoni-Vorermittlungen auch nicht als Pauschalkritik an allen schleswig-holsteinischen oder Kieler Staatsanwälten, sondern als Einforderung der bislang fehlenden Plausibilität des Vorgehens der Behörde. Auffällig sind u.a. schon die Anzahl von (Vor-)Ermittlungsverfahren gegen Personen des politischen Lebens (Gaschke, Wende) bei der Staatsanwaltschaft Kiel, die später zu Einstellungen führten, die politische Karriere der Beschuldigten aber gleichwohl beendeten. Es ist für die NRV nachvollziehbar, dass für Journalisten und Politiker diese Häufung nicht allein aus der örtlichen Zuständigkeit der Staatsanwaltschaft Kiel für derartige Verfahren plausibel ist.

Michael Burmeister, Erster Sprecher der Neuen Richtervereinigung SH, erklärt hierzu: „Vertrauen schafft man nicht durch „Basta-Rhetorik“. Wenn Justiz sich nicht erklärt, darf sie sich auch nur bedingt beklagen, wenn andere die Deutungshoheit übernehmen.“

Aus Sicht der NRV sollte die Justiz, insbesondere die Staatsanwaltschaft Kiel, konstruktiv an der baldigen plausiblen Erklärung der aktuellen Fragen mitwirken, um jeden Verdacht einer politischen Einflussnahme durch staatsanwaltschaftliche Ermittlungen zu entkräften.

Ulrich Fieber, Pressesprecher der Neuen Richtervereinigung SH: „Der Rückzug auf eine – bei der Staatsanwaltschaft noch nicht einmal bestehende – Unabhängigkeit der Justiz statt der Mitwirkung an einer konstruktiven Beantwortung der gestellten Fragen schadet dem Ansehen der Justiz, insbesondere aller Staatsanwaltschaften des Landes.“

 

Sprecherrat der NRV Schleswig-Holstein

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