Änderung von § 9 des Richtergesetzes des Landes Berlin
Der Entwurf reicht nach Auffassung der NRV rechtspolitisch und verfassungsrechtlich nicht aus. Wir regen an, die erforderliche Änderung von § 9 RiGBln für eine grundlegende und umfassende Reform des Rechts der dienstlichen Beurteilungen von Richter:innen und Staatsanwält:innen zu nutzen.
Zu unserer grundsätzlichen Kritik an dem Beurteilungswesen, unseren bereits unterbreiteten Änderungsvorschlägen und unseren diesbezüglichen Begründungen verweisen wir zunächst auf unsere Stellungnahme zur geplanten Überarbeitung der Beurteilungsrichtlinien (AnforderungsAV und BeurtAV) vom 19. November 2019, die in der Anlage nochmals übersandt wird. Die dortigen Ausführungen, insbesondere zu formellen Aspekten des Beurteilungswesens (Zuständigkeit, Verfahren, Beurteilungsarten), haben nicht an Relevanz verloren.
Zu den einzelnen Regelungen der in dem Entwurf vorgesehenen Fassung von § 9 des Berliner Richtergesetzes (RiGBln-E) äußert sich die NRV wie folgt:
§ 9 Abs. 1 Satz 1 RiGBln-E
§ 9 Abs. 1 Satz 1 RiGBln-E, nach dem eine Beurteilung „regelmäßig“ zu erfolgen hat, ist nicht bestimmt genug, um eine Beurteilung in angemessenen Zeitabständen zu gewährleisten. Zudem fehlt eine Regelung der Zuständigkeit für die Beurteilung. Eine gesetzliche Regelung der betreffenden Punkte ist unseres Erachtens durch den verfassungsrechtlichen Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes, namentlich den Wesentlichkeitsgrundsatz, geboten.
Das Beurteilungsintervall darf nicht zu lang sein, damit die Regelbeurteilung hinreichend aktuell ist (vgl. zu einem Beurteilungsintervall von drei Jahren BVerwG, Beschluss vom 2. Juli 2020 – 2 A 6.19 –, juris Rn. 12 ff., und Urteil vom 9. Mai 2019 – 2 C 1.18 –, juris Rn. 43), wenn – wofür wir plädieren – die Regelbeurteilung als einzige Art der Beurteilung gesetzlich vorgesehen wird.
Dienstliche Beurteilungen von Richter:innen und Staatsanwält:innen dürfen nicht von den jeweiligen subjektiven Maßstäben einer Vielzahl einzelner Beurteiler abhängen, um die Vergleichbarkeit derartiger Beurteilungen, die für die nach Art. 33 Abs. 2 des Grundgesetzes (GG) vorgeschriebene Bestenauslese erforderlich ist, zu gewährleisten. Vielmehr sind solche Beurteilungen zum Zweck ihrer Objektivierung durch ein aus mehreren Personen bestehendes, auf das Beurteilen spezialisiertes Gremium, eine Beurteilungskommission – wie es sie z.B. in der österreichischen Justiz schon lange gibt –, zu erstellen (vgl. dazu OVG Berlin-Brandenburg vom 19. Mai 2021 – 4 S 15/21 –, juris Rn. 17 m.w.N.).
Der funktionellen Eigenart der rechtsprechenden Gewalt sowie der gesamten Justiz des freiheitlich-demokratischen Rechtsstaats des Grundgesetzes und der Verfassung von Berlin entspricht es, dass die Mitglieder der Beurteilungskommission von den zu Beurteilenden gewählt werden. Zudem sollten die Mitglieder dieser Kommission weder in die Dienstaufsicht noch unmittelbar in Personalentscheidungen (z.B. Beförderungsentscheidungen) eingebunden sein.
Von einer derart zusammengesetzten Kommission erstellte dienstliche Beurteilungen würden nicht nur zu zutreffenderen Beurteilungsergebnissen – und damit letztlich einer besseren Justiz – führen, sondern auch eine höhere Akzeptanz bei den Beurteilten genießen.
Zugleich wäre die Einrichtung von in der aufgezeigten Art strukturierten Beurteilungskommissionen ein erster Schritt in Richtung auf die von uns angestrebte Selbstverwaltung und institutionelle Unabhängigkeit der Justiz sowie auf eine von uns ebenfalls erstrebte Enthierarchisierung (etwa durch eine Reduktion von Beförderungsstellen auf das Minimum, die Vergabe gewisser Leitungsfunktionen [z.B. der Funktion des Gerichtsvorstands] auf Zeit sowie aufgrund von Wahlen der Richter:innenschaft) und Binnendemokratisierung der dritten Gewalt. Wir wollen – an bekannte Worte Willy Brandts in dessen erster Regierungserklärung aus dem Jahr 1969 anknüpfend – mehr Demokratie in der durch tradierte obrigkeitsstaatlich-autoritäre Strukturen geprägten deutschen Justiz wagen.
Aus diesen Gründen schlagen wir vor, § 9 Abs. 1 Satz 1 RiGBln wie folgt neu zu fassen:
„Richterinnen und Richter sowie Staatsanwältinnen und Staatsanwälte auf Lebenszeit sind alle drei Jahre von einer Beurteilungskommission zu festen Stichtagen dienstlich zu beurteilen (Regelbeurteilung).“
§ 9 Abs. 1 Satz 2 RiGBln-E
§ 9 Abs. 1 Satz 2 RiGBln-E stimmt mit § 9 Abs. 1 Satz 2 RiGBln wörtlich überein. Die Regelung sollte nicht beibehalten, sondern ersatzlos aufgehoben werden.
Sie ist schon nicht hinreichend bestimmt. In welchen Fällen es die dienstlichen und persönlichen Verhältnisse erfordern, Richterinnen und Richter sowie Staatsanwältinnen und Staatsanwälte zudem, d.h. zusätzlich zu regelmäßigen Beurteilungen, zu beurteilen, bleibt unklar.
Ferner sprechen entscheidende Gründe dafür, eine Regelbeurteilung als einzige Beurteilung im Berliner Richtergesetz zu regeln und Anlassbeurteilungen abzuschaffen.
Das System der Regel- und Anlassbeurteilungen mag sich aus Sicht der die Berliner Justiz bisher verwaltenden Exekutive (der für Justiz zuständigen Senatsverwaltung und der Leitungen der Gerichte und Staatsanwaltschaften [vgl. §§ 14 ff., insbesondere § 19 des Gesetzes über die Justiz im Land Berlin]) bewährt haben (s. dazu die Begründung des Gesetzentwurfs, Einzelbegründung zu Artikel 1 § 9 Abs. 1). Hingegen hält die NRV den Einfluss, den diese Exekutive vor allem mittels Anlassbeurteilungen u.a. auf Entscheidungen über die Beförderung von Richter:innen und Staatsanwält:innen nahm und nimmt, für dysfunktional. Dieser Einfluss führt häufig nicht zur Beförderung der für die Rechtsprechung und Staatsanwaltschaft Besten, sondern zum Aufstieg von in der Exekutive (z.B. als Präsidialrichter:innen) Tätigen, Protegés der Exekutive und an die Anforderungen der Exekutive am besten Angepassten. Dies liegt nicht im Interesse der Rechtsuchenden und Rechtsunterworfenen, die Anspruch auf die bestmögliche Justiz haben, der Richter:innen und Staatssanwält:innen, der Justiz und des gesamten Staates. Die Anforderungen der Exekutive sind regelmäßig mangels umfassender qualitativer Bewertbarkeit richterlicher und staatsanwaltschaftlicher Leistung nicht an der Qualität (z.B. der Güte und Gerechtigkeit von Verfahren und Entscheidungen, der Schaffung von Rechtsfrieden), sondern an der Quantität derartiger Leistung (z.B. Statistiken, Erledigungszahlen) orientiert. Die die Justiz bislang verwaltende Exekutive, die der rechtsprechenden Gewalt dienen sollte, maßt sich mit dem genannten Einfluss ihr nicht zukommende Macht über die Richter:innen an, denen diese Gewalt anvertraut ist (vgl. Art. 92 GG). Zudem sind dieser Einfluss und die beschriebene Beförderungspraxis ungerecht und der Justiz eines freiheitlich-demokratischen Rechtsstaats unangemessen. Übrigens ist auch der Umstand, dass die rechtsprechende Gewalt in Deutschland die einzige Staatsgewalt ist, die sich nicht selbst verwaltet, eines solchen Staates unangemessen und unwürdig.
Regelbeurteilungen beziehen sich auf einen grundsätzlich identischen Beurteilungszeitraum, haben einen gemeinsamen Stichtag und sind nicht durch ein besonderes Ereignis – insbesondere die Ausschreibung eines höherwertigen Statusamtes oder einer förderlich zu besetzenden Stelle – veranlasst. Diese Einheitlichkeit gewährleistet, dass die dienstliche Beurteilung für sämtliche Richter:innen und Staatsanwält:innen die zu beurteilenden Merkmale nicht nur punktuell, sondern gleichmäßig erfasst und sie auch in ihrer zeitlichen Entwicklung unabhängig von einer konkreten Auswahlentscheidung bewertet. Demgegenüber begegnen Anlassbeurteilungen grundsätzlich Bedenken, weil sie gerade im Hinblick auf eine anstehende Auswahlentscheidung erstellt werden und damit der Verdacht entstehen kann, sie dienten – zielgerichtet – lediglich der Durchsetzung von vorgefassten, Art. 33 Abs. 2 GG nicht genügenden Personalentscheidungen. Ohnehin ist die Aussagekraft einer ausnahmsweise zulässigen Anlassbeurteilung begrenzt. Da sie einen deutlich kürzeren Zeitraum als die Regelbeurteilung abbildet, muss die Anlassbeurteilung aus der Regelbeurteilung entwickelt werden und darf diese lediglich fortentwickeln (vgl. BVerwG, Beschluss vom 2. Juli 2020 a.a.O. Rn. 11 und Urteil vom 9. Mai 2019 a.a.O. Rn. 41).
Es sei darauf hingewiesen, dass auch Regelbeurteilungen – zusätzlich – mit vorausschauenden Eignungsbewertungen für andere, in Betracht kommende richterliche und staatsanwaltschaftliche Ämter verbunden werden können (vgl. zu vorausschauenden Eignungsbewertungen § 9 Abs. 2 Satz 3 RiGBln-E), wenn der Gesetzgeber solche Eignungsbewertungen für erforderlich halten sollte.
§ 9 Abs. 1 Satz 3 RiGBln-E
§ 9 Abs. 1 Satz 3 RiGBln-E, nach dem Richterinnen und Richter auf Probe und kraft Auftrags sowie Staatsanwältinnen und Staatanwälte auf Probe vor ihrer Ernennung auf Lebenszeit mindestens zweimal zu beurteilen sind, reicht nicht aus.
Das Beurteilungsintervall, das die Grundlage der Beurteilung betrifft, muss gesetzlich konkret geregelt werden. Außerdem erscheinen für den hier in Rede stehenden Personenkreis wenigstens drei dienstliche Beurteilungen vor der Lebenszeiternennung erforderlich.
§ 9 Abs. 2 Satz 2 RiGBln-E
§ 9 Abs. 2 Satz 2 RiGBln-E, wonach die Beurteilung mit einem Gesamturteil abschließt, ist nicht bestimmt genug. Der Gesetzgeber muss nähere Vorgaben dazu machen, wie das abschließende Gesamturteil zu bilden ist (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 7. Juli 2021 – 2 C 2.21 –, juris Rn. 41 ff., insbesondere Rn. 43 und 47). Zudem ist zu regeln, dass das Gesamturteil zu begründen ist.
§ 9 Abs. 2 Satz 3 RiGBln-E
§ 9 Abs. 2 Satz 3 RiGBln-E, nach dem Beurteilungen aus Anlass der Bewerbung um ein anderes richterliches oder staatsanwaltschaftliches Amt in Berlin und Brandenburg zusätzlich mit einer vorausschauenden Eignungsbewertung für das angestrebte Amt verbunden werden, sollte nicht Gesetz werden. Wir plädieren dafür, Anlassbeurteilungen ganz abzuschaffen (siehe oben). § 9 Abs. 1 Satz 2 RiGBln-E, der Anlassbeurteilungen zulässt, sollte aus den vorstehend genannten Gründen ersatzlos aufgehoben und somit eine Regelbeurteilung als einzige Beurteilung im Berliner Richtergesetz vorgesehen werden.
Abgesehen davon hat eine vorausschauende Eignungsbewertung für ein anderes richterliches oder staatsanwaltschaftliches Amt als dasjenige, das die oder der Betreffende gegenwärtig innehat, auch den verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine dienstliche Beurteilung von Richter:innen und Staatsanwält:innen zu genügen. Eine derartige Eignungsbewertung ist eine Beurteilung der Eignung für ein (angestrebtes) Amt und damit Teil einer Beurteilung (vgl. § 9 Abs. 2 Satz 1 RiGBln-E). Somit bedarf eine vorausschauende Eignungsbewertung einer gesetzlichen Reglung, die den verfassungsrechtlichen Anforderungen an dienstliche Beurteilungen insbesondere inhaltlich genügt. Die in § 9 Abs. 2 Satz 3 RiGBln-E vorgesehene Regelung reicht hierfür aus den gleichen Gründen wie die restlichen in dem Entwurf enthaltenen, die Erstellung dienstlicher Beurteilungen betreffenden Regelungen nicht aus.
Übrigens dürfte die Praxis der Berliner Justiz, grundsätzlich aus Anlass einer jeden Bewerbung um ein Beförderungsamt ungeachtet dessen, ob eine aktuelle Regelbeurteilung vorliegt, eine Beurteilung zu erstellen, rechtswidrig sein (vgl. zu möglichen „Anlässen“ für die Erstellung von Anlassbeurteilungen in einem auf Regelbeurteilungen basierenden Beurteilungssystem BVerwG, Urteil vom 9. Mai 2019 a.a.O. Rn. 42).
In diesem Zusammenhang sei ferner auf Folgendes hingewiesen:
Die in der Begründung des Gesetzentwurfs (dort unter A.a) geäußerte Ansicht, die Befugnis zum Erlass von Verwaltungsvorschriften bestehe außerhalb des – vom Bundesverwaltungsgericht – formulierten Gesetzesvorbehaltes fort und umfasse auch die Festlegung von Anforderungen für Eingangs- und Beförderungsämter, trifft jedenfalls in dieser Pauschalität nicht zu. So bedarf es einer gesetzlichen Regelung, wenn eine erfolgreiche obergerichtliche Erprobung oder so genannte Ersatzerprobung – wie vom Land Berlin gegenwärtig praktiziert (s. A. der Gemeinsamen Allgemeinen Verfügung über die Erprobung für Beförderungsämter [ErprobungsAV]) – zur Voraussetzung für eine Beförderung in ein höherwertiges Statusamt der Landesbesoldungsordnung R (z.B. ein Amt der Besoldungsgruppe R 2) gemacht werden soll. Die ErprobungsAV, eine Verwaltungsvorschrift, in der eine erfolgreiche obergerichtliche Erprobung bzw. Ersatzerprobung als Voraussetzung für eine solche Beförderung festgelegt wird, ist verfassungswidrig, da sie gegen den Vorbehalt des Gesetzes (vgl. Art. 20 Abs. 3 GG) verstößt. Die Aufstellung einer derartigen Beförderungsvoraussetzung ist für die Verwirklichung des grundrechtsgleichen Rechts von Richter:innen und Staatsanwält:innen aus Art. 33 Abs. 2 GG auf Zugang zu einem Beförderungsamt der Landesbesoldungsordnung R wesentlich im Sinne des verfassungsrechtlichen Wesentlichkeitsgrundsatzes der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und Bundesverwaltungsgerichts. Die von der für Justiz zuständigen Senatsverwaltung nach ihrem Schreiben vom 22. Oktober 2021 erwogene Änderung der ErprobungsAV darf nicht erfolgen, da diese Änderung erneut gegen den Vorbehalt des Gesetzes verstoßen würde und der bereits bestehende Verstoß gegen diesen verfassungsrechtlichen Grundsatz vertieft würde.
Darüber hinaus besteht aufgrund der Festlegung einer Beförderungsvoraussetzung in einer Verwaltungsvorschrift – wie der ErprobungsAV – auch die Gefahr, dass gesetzlich zu regelnde Vorgaben für dienstliche Beurteilungen von Richter:innen und Staatsanwält:innen künftig durch die Exekutive mittels Veränderungen der Verwaltungsvorschrift umgangen werden können, z.B. Beurteilungsmaßstäbe verschoben werden können.
Der Landesverband Berlin der NRV bedankt sich für die Möglichkeit, zu dem Entwurf der überarbeiteten ErprobungsAV Stellung zu nehmen, sowie die gewährte Fristverlängerung.
§ 9 Abs. 3 Satz 2 RiGBln-E
§ 9 Abs. 3 Satz 2 RiGBln-E, nach dem auf Verlangen der Richterin oder des Richters der Richterrat und auf Verlangen der Staatsanwältin oder des Staatsanwalts der Staatsanwaltsrat an der Besprechung der Beurteilung zu beteiligen ist, ist unzureichend. Es ist erforderlich, den Richterrat bzw. Staatsanwaltsrat an der Besprechung der Beurteilung zu beteiligen, wenn die oder der Beurteilte einer Beteiligung des Gremiums nicht ausdrücklich widerspricht. Die Beteiligung der Gremien an Besprechungen von dienstlichen Beurteilungen erschwert Beurteiler:innen die bei solchen Besprechungen vorkommenden Manipulationen (z.B. Täuschungen von Beurteilten durch Angaben, deren Unrichtigkeit für die oder den Betreffenden mangels Kenntnis der betreffenden Umstände bzw. von Vergleichsfällen nicht erkennbar ist, oder durch Zusagen, die später nicht eingehalten werden). Die Pflicht zur Beteiligung der Gremien an solchen Besprechungen nimmt Beurteilten den Druck und die Last, eine nach gegenwärtiger Gesetzeslage die Ausnahme bildende Gremienbeteiligung eigens herbeiführen zu müssen.
Wir schlagen vor, die in § 9 Abs. 3 Satz 2 RiGBln-E enthaltene Regelung wie folgt zu fassen:
„An der Besprechung der Beurteilung ist bei einer Richterin und einem Richter der Richterrat und bei einer Staatsanwältin und einem Staatsanwalt der Staatsanwaltsrat zu beteiligen, es sei denn, die Richterin oder der Richter oder die Staatsanwältin oder der Staatsanwalt widerspricht ausdrücklich.“
§ 9 Abs. 3 Satz 3 und 4 RiGBln-E
Wir regen an, anstelle der in § 9 Abs. 3 Satz 3 und 4 RiGBln-E vorgesehenen Teilnahmemöglichkeiten für Schwerbehindertenvertretung und Frauenvertreterin an der Besprechung der Beurteilung – entsprechend unseres Vorschlags zur Fassung der in § 9 Abs. 3 Satz 2 RiGBln-E enthaltenen Regelung – eine bei ausdrücklichem Widerspruch der oder des Beurteilten entfallende Beteiligungspflicht zu regeln.
§ 9 Abs. 3 Satz 5 RiGBln-E
Infolge der vorgeschlagenen Änderungen der in § 9 Abs. 3 Satz 2 bis 4 RiGBln-E enthaltenen Regelungen ist die in § 9 Abs. 3 Satz 5 RiGBln-E vorgesehene Bestimmung wie folgt zu ändern:
„Über das Recht, einer Beteiligung nach Sätzen 2 bis 4 zu widersprechen, ist die betroffene Person vor der Besprechung zu unterrichten.“
§ 9 Abs. 4 RiGBln-E
Die in § 9 Abs. 4 RiGBln-E vorgesehene Ermächtigung der für Justiz zuständigen Senatsverwaltung, durch Rechtsverordnung die Ausgestaltung des Beurteilungswesens für Richterinnen und Richter sowie Staatsanwältinnen und Staatsanwälte, insbesondere die in § 9 Abs. 4 Nr. 1 bis 6 RiGBln-E aufgezählten Gegenstände, zu regeln, wird jedenfalls größtenteils verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht gerecht. Insbesondere sind die richterliche Unabhängigkeit und die Funktion der rechtsprechenden Gewalt nicht hinreichend beachtet.
Richter:innen sind gemäß Art. 97 Abs. 1 GG unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen; allein ihnen ist gemäß Art 92 GG die rechtsprechende Gewalt anvertraut und damit auch die Aufgabe, die Exekutive zu kontrollieren. Aus diesem Grund verbietet es sich, die Exekutive zu ermächtigen, Kriterien für die dienstliche Beurteilung richterlicher Tätigkeit aufzustellen. Allein der Gesetzgeber selbst darf solche Kriterien regeln und muss dies auch abschließend tun. Außerdem ist die in § 9 Abs. 4 Nr. 3, 4 und 5 RiGBln-E vorgesehene Ermächtigung der für Justiz zuständigen Senatsverwaltung, durch Rechtsverordnung „Beurteilungsgrundlagen“, „Beurteilungsmaßstab“ und „Inhalt der Beurteilung einschließlich des Beurteilungssystems“ zu regeln, nicht hinreichend bestimmt, insbesondere inhaltlich nicht genau eingrenzbar.
Unabhängig davon ist auch stark zu bemängeln, dass der Gesetzentwurf keine Regelung enthält, nach der Rechtsverordnungen, zu deren Erlass nach § 9 Abs. 4 RiGBln-E ermächtigt werden soll, der vorherigen Gremienbeteiligung unterliegen. Das Fehlen einer entsprechenden Regelung schwächt die Richter:innenvertretungen erheblich, da § 41 Abs. 2 Nr. 5 RiGBln, nach dem der Richterrat bei den gegenwärtig noch anwendbaren Beurteilungsrichtlinien mitzubestimmen hat, mit der geplanten Neufassung von § 9 RiGBln gegenstandslos würde. Dies bedeutete einen Rückschritt gegenüber der bisherigen Rechtslage, was die Gremienbeteiligung angeht. Hier muss nachgebessert werden.
Weiterer Regelungsbedarf des Gesetzgebers
Angesichts der Bedeutung, die der rechtsprechenden Gewalt u.a. nach Art. 92 ff. GG zukommt, hält die NRV es für erforderlich und angemessen, dass im Berliner Richtergesetz – wie z.B. in Art 54 ff. des Bayerischen Leistungslaufbahngesetzes – mindestens noch folgende Punkte geregelt werden (s. BVerwG, Urteil vom 7. Juli 2021 a.a.O. Rn. 35):
- der Rhythmus der Beurteilung,
- die Ausnahmen von der Beurteilungspflicht,
- die Grundlagen der Beurteilung,
- der Inhalt einer Beurteilung,
- die Beurteilungsmaßstäbe und das Bewertungssystem,
- die Zuständigkeit für die Beurteilung und
- das Verfahren der Beurteilung.
Die geforderten gesetzlichen Regelungen sollten insbesondere folgende Inhalte haben:
- die Festlegung auf Regelbeurteilungen,
- spätestens alle 3 Jahre,
- erstellt durch eine auf das Beurteilen spezialisierte Kommission,
- deren Mitglieder von den zu Beurteilenden gewählt werden.
Abschließend bitten wir, uns einen Entwurf einer Rechtsverordnung, die möglicherweise aufgrund des geplanten § 9 Abs. 4 RiGBln-E erlassen werden soll, frühzeitig gemäß § 7 RiGBln zur Stellungnahme zuzuleiten.