Änderung des Landesrichter- und Staatsanwältegesetz

Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Landesrichter- und Staatsanwältegesetzes vom10. Oktober 2025

I. Grundsätzliches

In der Begründung zum Gesetzentwurf wird die Gleichbehandlung von Richterschaft und Beamtenschaft mit der Möglichkeit der freiwilligen Verlängerung als Ziel formuliert. Das Ergebnis biete für die Betroffenen den Vorteil der Flexibilisierung der Altersgrenzen und für den Dienstherrn die Möglichkeit, die wertvolle Expertise und Berufserfahrung lebensälterer, aber weiterhin leistungsfähiger und hochmotivierter Richter*innen für die Justiz zu erhalten und nutzbar zu machen.

Beide Vorteile sind in dieser Allgemeinheit natürlich begrüßenswert, wenn sie nicht mit gewichtigen Nachteilen verknüpft wären.

Gewichtige Nachteile zu vermeiden, leistet der Gesetzentwurf nicht. Er behandelt strukturell Ungleiches gleich, und auf der anderen Seite Gleiches ungleich. Vor allem aber stellt seine Umsetzung einen Verstoß gegen Art. 97 GG dar.

II. Struktureller Unterschied

Der Gesetzentwurf sieht für das Hinausschieben des Ruhestandseintritts bei Richterinnen und Richtern eine Entscheidung der Exekutive vor, wie dies bei Beamten vorgesehen ist. Das wird dem strukturellen Unterschied zwischen Richter*innen und Beamt*innen nicht gerecht.

Dieser strukturelle Unterschied liegt in der richterlichen Unabhängigkeit, die Art. 97 GG garantiert. Sie ist mit dem Konzept des Rechtsstaates unlösbar verbunden. Sie hat konstitutive Bedeutung für den Richterstatus und unterscheidet Richter*innen vom Beamt*innen. Das Bundesverfassungsgericht betont, dass Artikel 97 GG auch eine objektiv-rechtliche Verpflichtung für den Gesetzgeber enthält (Beschluss vom 22. März 2018 – 2 BvR 780/16 –, juris Rn. 1b, bb,64f):

„Der Schutz der persönlichen Unabhängigkeit in Art. 97 Abs. 2 GG stellt eine grundlegende rechtsstaatliche Anforderung an das Gerichtswesen dar. Die Vorschrift hat den Zweck, die sachliche Unabhängigkeit der Richter abzusichern (vgl. BVerfGE 14, 56 <69>), indem diese vor dienstrechtlichen Konsequenzen in Gestalt von Amtsenthebung, Entlassung, Versetzung oder Beurlaubung bewahrt werden, mit denen richterliche Entscheidungen sanktioniert werden könnten. Zudem wird verhindert, dass die Rechtsuchenden einem Gericht mit Misstrauen begegnen, weil dessen Richter im Hinblick auf den Bestand ihres Richteramtes von der Exekutive abhängig sind. Das gilt umso mehr, wenn das Gericht über Verwaltungsakte gerade derjenigen Verwaltungsbehörde zu entscheiden hat, die ihrerseits über Versetzung und Abberufung des Richters befindet oder maßgebenden Einfluss darauf hat (vgl. BVerfGE 4, 331 <346>). Die sachliche Unabhängigkeit ist nur effektiv, wenn ein Richter nicht befürchten muss, dass seine Rechtsprechung negative Auswirkungen auf sein Amt haben wird (vgl. Wittreck, DRiZ 2007, S. 356 <359>).[…] Der in Art. 97 Abs. 2 GG gewährleistete Schutz der persönlichen Unabhängigkeit erstreckt sich auf jede Maßnahme, die materiell einer Entlassung, dauernden oder zeitweisen Amtsenthebung oder Versetzung an eine andere Stelle oder in den Ruhestand gleichkommt.

Rechtsfolge des strukturellen Unterschieds ist, dass der Dienstherr zwar bei Beamtinnen und Beamten den Eintritt in den Ruhestand nach § 32 LBG NRW je nach dienstlichem Erfordernis („dienstliche Gründe“) hinausschieben kann, dies bei Richterinnen und Richtern aber nicht zulässig ist. Das wird auch im Gesetzentwurf so gesehen, wenn ein Anspruch auf Hinausschieben des Eintritts in den Ruhestand als gebundene Entscheidung konzipiert wird. Damit greift der in Art. 97 Abs. 2 GG gewährleistete Schutz vor eingreifenden Statusmaßnahmen bereits mit Stellung des Antrags auf Hinausschieben. Das bedeutet, dass Maßstab für die Überprüfung der Entscheidung des Dienstherrn über den Antrag nicht die – einfachgesetzliche – Einschränkung in Form entgegenstehender „zwingender dienstliche Gründe“ ist, sondern nur der o.g. Maßstab des Bundesverfassungsgerichts, ob also die Ablehnung des Antrags einer Entlassung, dauernden oder zeitweisen Amtsenthebung oder Versetzung in den Ruhestand gleichkommt. Befindet man sich bereits mit Antragstellung im Anwendungsbereich von Art. 97 Abs. 2 GG, wird deutlich, dass in der Gesetzesbegründung genannte allgemeine Erwägungen wie haushälterische oder personalwirtschaftliche Erfordernisse – wie zu erwirtschaftende kw-Vermerke oder massive Störungen der Altersstruktur von Gerichten – nicht ausreichen, um das individuelle Recht auf Hinausschieben des Ruhestandseintritts zu begrenzen.

Dies gilt auch, soweit man den unbestimmten Rechtsbegriff der „zwingenden dienstlichen Gründe“ mit der Gesetzesbegründung mit in der Person der antragstellenden Richterin oder des Richters gründenden Umstände aufzufüllen beabsichtigt. Sollen hier neben Erkrankung beispielsweise auch die Anzahl der Dienstaufsichtsbeschwerden der letzten Jahre taugliches Kriterium sein? Mit der Unbestimmtheit sind der zugleich der Willkür Tür und Tor geöffnet. Und der versagenden Entscheidung wird immer der Ruch anhängen, dass sie aus solchen Motiven erwachsen ist, die die richterliche Unabhängigkeit tangieren.

Selbstverständlich zerstreuen sich Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit nicht dadurch, dass es ähnliche Vorschriften wie im vorliegenden Entwurf bereits in anderen Bundesländern gibt. Dies legitimiert ein Gesetz ebensowenig, wie seine Verfassungswidrigkeit sich nicht erst durch eine verfassungsgerichtliche Entscheidung zeigt. Nach unserer Auffassung wird das gewählte Erfordernis, dass „zwingende dienstliche Gründe nicht entgegenstehen“, einer verfassungsrechtlichen Überprüfung nicht standhalten.

III. Fehlende Gleichbehandlung

So wie der Gesetzentwurf Ungleiches gleich behandeln will, so behandelt er Gleiches ungleich.

Denn wenn eine Beamtin oder ein Beamter, die bzw. der in Vollzeit tätig ist, den Eintritt in den Ruhestand gem. § 32 LBG NRW hinausschiebt, so wird ihm ein Zuschlag von 10% auf sein Gehalt gewährt. In Teilzeit wird ein anteiliger Zuschlag gewährt.

Damit belohnt der Dienstherr die überobligatorische Diensterfüllung und schafft Anreize für die gewollten Effekte. Eine solche Belohnung soll Richter*innen nicht gewährt werden. Ein sachlicher Grund hierfür besteht nicht.

Eine Ungleichbehandlung ist auch hinsichtlich der Möglichkeiten, im Verlängerungszeitraum Teilzeitbeschäftigung in Anspruch zu nehmen, zu erwarten. Der Entwurf sieht keine Regelung in § 4 LRiStaG vor, im Verlängerungszeitraum in Teilzeit zu arbeiten. Das bedeutet, dass die Inanspruchnahme von Teilzeit den allgemeinen Regeln unterliegt; im Wesentlichen dürfte hier eine Teilzeitbeschäftigung nach § 9 LRiStaG zur Anwendung kommen.

§ 32 LBG NRW enthält zwar ebenfalls keine eigenständige Regelung zur Teilzeitbeschäftigung im Verlängerungszeitraum. Im Vergleich zur voraussetzungslosen Teilzeitbeschäftigung nach § 63 LBG NRW ist § 9 LRiStaG aber an weitere Voraussetzungen geknüpft als nur an „entgegenstehende dienstliche Belange“ (§ 63 LBG), so u.a. an die Zustimmung, mit Beginn oder bei Änderung der Teilzeitbeschäftigung auch in einem anderen Richteramt desselben Gerichtszweiges verwendet zu werden. Eine solche Flexibilität wird bei Beamten nicht vorausgesetzt. Im Übrigen besteht keine Notwendigkeit, neben der Prüfung der zwingenden dienstlichen Gründe in § 4 LRiStaG noch weitere Voraussetzungen zu prüfen.

Aber auch innerhalb des Anwendungsbereichs des Gesetzes führt die Ausgestaltung zu einer Ungleichbehandlung von Richter*innen des Eingangsamtes mit denen, die ein Beförderungsamt innehaben, selbst dann, wenn man die Regelung nicht bereits als solche für verfassungswidrig hält. Denn die in den Gründen vorgesehenen zwingenden dienstlichen Gründe sind allesamt nur solche, die sich bei Anträgen von Richterinnen und Richtern im Ausgangsamt ergeben können. Beispiele für die Ablehnung des Antrags einer Richterin / eines Richters in einem Beförderungsamt werden keine genannt, was bedeutet, dass man hier keine sieht. Dabei stellen sich hier sehr deutlich Fragen von Gleichbehandlung und Gerechtigkeit, wenn man einmal die Folgen der Entscheidung, die Lebensarbeitszeit bspw. eines Landgerichtspräsidenten oder einer Vorsitzenden Richterin eines Senats um zwei Jahre zu verlängern, für diejenigen Bewerber betrachtet, die fachlich und persönlich geeignet sind, das Amt auszufüllen.

IV. Mitbestimmung als Heilmethode

Der unter II. dargelegte Eingriff in die durch Art. 97 Abs. 2 GG gewährleistete persönliche Unabhängigkeit der Richter*innen wird nicht dadurch gerechtfertigt, dass er mit § 41 Abs. 1 Nr. 13 LRiStaG der Mitbestimmung unterworfen wird. Ein Eingriff wird nicht dadurch zulässig, dass mehrere Akteure die Verantwortung dafür tragen sollen.

Den erfolglosen Antragsteller*innen insoweit auf den Rechtsweg zu verweisen, ist angesichts der regelmäßigen Verfahrenslaufzeiten der Verwaltungsgerichtsbarkeit ein leerer Trost.

Unverständlich bleibt auch die Zuordnung des zuständigen Gremiums. Nach §§ 15 Satz 1 Nr. 2, 65 Abs. 1 LRiStaG ist der Präsidialrat für die Übertragung eines oder Versetzung in ein Richteramt mit höherem Endgrundgehalt als dem eines Eingangsamtes zuständig. Insoweit stellt die vom Entwurfsverfasser unterstellte Zuständigkeit des Hauptrichterrats einen gesetzgeberischen und logischen Bruch dar, weil es bei der Frage der Stattgabe oder der Ablehnung des Hinausschiebens des Ruhestands durch die Antragsteller*innnen um den Fortbestand des Statusamtes geht. Dies ist die Kehrseite der Begründung dieses Amtes. Damit würde eine Befassung des Präsidialrats korrespondieren, nicht zuletzt um die in Ziffer III. bereits thematisierte Auswirkungen bei Beförderungsämtern sachgerecht prüfen zu können. Für die Befassung unterschiedlicher Gremien wird keine Begründung geliefert.

V. Fazit

Der Gesetzentwurf sollte grundsätzlich überarbeitet werden. Eine Eingriffsmöglichkeit der Exekutive verbietet sich, nicht zuletzt mit Blick auf allgegenwärtige rechtsstaats- und demokratiefeindliche Bestrebungen. Wenn für diesen Gesetzentwurf eine besondere Eilbedürftigkeit, gegebenenfalls wegen einer einzelnen Personalentscheidung, gesehen wird, dann ist die Möglichkeit der Ablehnung durch die Exekutive jedenfalls zu streichen. Diese Brandmauer muss stehen!

 

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