Administrative Mängel bekämpfen statt Strafrecht verschärfen

28. Oktober 2025| Pressemitteilung, FG Strafrecht

Die NRV lehnt das Vorhaben des Bundesarbeitsministeriums, strafrechtliche Vorschriften aufgrund des angeblich bestehenden Kriminalitätsphänomens des “Sozialleistungsmissbrauchs” zu verschärfen, entschieden ab. Der suggerierte Zusammenhang zwischen häufig eingestellten Verfahren und einer deshalb bestehenden Strafbarkeitslücke kann so nicht festgestellt werden.

Es bleibt unbelegte Behauptung, mag aber grundsätzlich sein, dass viele Taten des Sozialleistungsbetrugs unentdeckt bleiben. Dies liegt aber keinesfalls an fehlenden Strafnormen. Anders als das Bundesarbeitsministerium suggeriert, wird Sozialleistungsbetrug in der Praxis sehr einfach festgestellt. Der automatische Datenabgleich bringt – mit Ausnahme der Schwarzarbeit – jedwede Form der unangezeigten Arbeitstätigkeit ans Licht. Der Sozialleistungsbetrug macht deshalb neben einfachen Ladendiebstählen einen Großteil der Arbeit in staatsanwaltlichen Allgemeindezernaten aus. Wo der § 263 StGB strafwürdige Lücken lässt, ist nicht ersichtlich.

Deshalb hat eine unzureichende Strafverfolgung ihre Ursache nicht in fehlenden Ermittlungsbefugnissen, sondern in einer unzureichenden Kommunikation der Ermittlungsbehörden mit den auch für Strafverfolgungsbehörden sehr schlecht telefonisch erreichbaren Arbeitsämtern. Im Gegenteil ist die Binnenorganisation der Arbeitsämter und Jobcenter effektiver Strafverfolgung abträglich. Schreiben an die betroffenen Personen werden teilweise in falscher Sprache und ohne entsprechende Nachweismöglichkeit zugestellt. Dies führt zunächst zu Verständnisproblemen sowie zu fehlenden Kenntnissen über ihre Verpflichtung bei den beschuldigten Personen. In solchen Verfahren müssen in der Praxis Freisprüche erfolgen. Zudem finden an das Arbeitsamt übersandte Schreiben von den betroffenen Personen nicht den Weg in die Akte oder gehen verloren. Kommt es zu einer Hauptverhandlung und werden Mängel in der Verfahrensführung durch die Arbeitsämter offenbar und ist die beschuldigte Person zusätzlich noch zu einem Schadensausgleich bereit, erfolgt oftmals in angemessener Weise eine Verfahrenseinstellung, um einen Freispruch mangels Beweisen zu vermeiden. Hinzu kommt die weiterhin bestehende mangelhafte personelle und technische Ausstattung der Strafverfolgungsbehörden. Ihnen stehen zwar alle Eingriffsbefugnisse der Strafprozessordnung zu, allerdings sind die personellen Kapazitäten begrenzt und führen bei der Vielzahl der Verfahren oftmals nur zu oberflächlich möglichen Ermittlungen.

Sofern die Bekämpfung des gewerbsmäßigen, bandenmäßigen Sozialleistungsbetruges beabsichtigt sein sollte, eröffnet § 263 Abs. 5 StGB diesbezüglich schon heute empfindliche Strafen. Verfahren wegen Verbrechen können nicht nach §§ 153, 153a StPO aus Opportunitätsgründen eingestellt werden. Sollte angestrebt werden,  verdeckte Ermittlungsbefugnisse zur Bekämpfung organisierter Kriminalität – etwa auch zur Bekämpfung von Schockanrufen, falschen Polizeibeamten und ähnlichen Massenkriminalitätsphänomenen – zu vereinheitlichen, unterstützt dies die NRV ausdrücklich.

Schließlich belegt die Empirie, dass eine Ausweitung strafrechtlicher Vorschriften keine wirksame Maßnahme zur Bekämpfung von Kriminalitätsphänomen ist! Die NRV fordert daher statt einer Ausweitung strafrechtlicher Vorschriften eine hinreichende personelle und technische Ausstattung sowie eine bessere Organisation der Binnenstruktur der beteiligten Behörden!

 

Ansprechpartner:

 

StA Dr. Simon Pschorr                                                                      RiLG Dr. Sven Kersten

Sprecher der Fachgruppe Strafrecht der NRV                                 Bundesvorstand der NRV

 

 

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