Fehlerhafte Abstimmung im Rechtsausschuss am 6. Mai 2021 über den Gesetzesentwurf zur Neustrukturierung der Arbeitsgerichtsbezirke (TOP1)
Nach § 77a Abs. 2 der aktuellen Geschäftsordnung des Landtages (GO) wird bei Ausschusssitzungen mittels Videokonferenztechnik mangels entgegenstehender gesetzlicher Regelungen ausschließlich namentlich abgestimmt. Hiervon kann aus auf der Hand liegenden Gründen nicht abgewichen werden. Dagegen spricht schon der Wortlaut („es wird namentlich abgestimmt“). Überdies wäre eine Abstimmung durch Handzeichen in einer Videokonferenz, bei der nicht alle Teilnehmer gleichzeitig die anderen Teilnehmer sehen können, nicht mehr öffentlich kontrollierbar. Ein widerspruchloses Hinnehmen nach § 100 GO scheidet demnach aus. Eine namentliche Abstimmung erfolgt durch Aufruf der Namen der Ausschussmitglieder, die ausschließlich mit „Ja“, „Nein“ oder „Enthaltung“ zu antworten haben, § 67 Abs. 2 GO i.V.m. § 75 Abs. 4 GO. Anschließend ist zu fragen, ob ein stimmberechtigtes Mitglied seine Stimme noch nicht abgegeben hat, § 67 Abs. 3 GO i.V.m. § 75 Abs. 4 GO.
Gemessen hieran hat eine namentliche Abstimmung nicht stattgefunden, wie dem Livestream ab hier (58:50) zu entnehmen ist (Quelle: Landtag Brandenburg).
Zwar hat die Vorsitzende die „anwesenden“ Mitglieder des Rechtsausschusses (möglicherweise) namentlich aufgerufen. Tatsächlich wurde aber „wie gewohnt“ durch Handzeichen abgestimmt. Diese Handzeichen hat allenfalls die Vorsitzende gesehen („Ich sehe …“), was für eine nachvollziehbare Beschlussfassung eines öffentlich tagenden Ausschusses nicht ausreichend ist.
Wenn man genau zuhört, sind namentliche Stimmabgaben allenfalls von Frau Fischer, MdL (sinngemäß zustimmend) und von Frau Duggen, MdL (sinngemäß ablehnend) erfolgt. Jedenfalls formal ist damit keine Mehrheit für die „beschlossene“ Empfehlung feststellbar.
Interessanterweise hat die Vorsitzende eine solche Feststellung entgegen § 69 GO i.V.m. § 75 Abs. 4 GO auch gar nicht erst getroffen. Demnach ist die Aussage
„Der Rechtsausschuss hat beschlossen, dem Landtag zu empfehlen, den Gesetzentwurf in der geänderten Fassung anzunehmen.“
rechtlich unzutreffend. Dies hat Konsequenzen:
Zwar braucht es für die zweite Lesung im Plenum grundsätzlich keine ordnungsgemäß festgestellte Beschlussfassung eines mit der Sache befassten Ausschusses. Denn das Plenum kann sich im Regelfall auch ohne eine Empfehlung eines Ausschusses selbst eine Meinung über einen zur Abstimmung gestellten Antrag bilden. Dies ist aber dann anders zu beurteilen, wenn im Ausschuss wie hier eine Sachverständigenanhörung stattgefunden hat und es demnach gerade auf die Empfehlung derjenigen ankäme, die dieser Anhörung beigewohnt haben.
Unabhängig davon sollte ein Gesetz, dass tiefgreifend in den Bestand einer Gerichtsbarkeit eingreift, in allen Belangen rechtlich einwandfrei sein, um sich nicht die Vorwürfe einzufangen, die die öffentliche Meinung zu den Gesetzlichkeiten z.B. in Polen oder der Türkei hin und wieder äußert.