Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Nachbarrechtsgesetzes für das Land Schleswig-Holstein (Ds. 19/1838)

Es wird angeregt, das Gesetz insgesamt nicht zu beschließen.

Inhalt des Gesetzes soll es sein,

1. Die Ausschlussfrist für die Geltendmachung des Anspruchs auf Rückschnitt auf die zulässige Höhe von zwei auf vier Jahre zu verdoppeln,
2. Auch nach Ablauf der Ausschlussfrist einen Anspruch auf Beibehaltung der Höhe (laufender Rückschnitt) zu schaffen, der erst ab der Höhe eines Baumes von 10 Metern entfällt.

In der Begründung heißt es, der Ausschluss greife in Schleswig-Holstein „nach verbreiteter Auffassung“ zu früh.

Zur Begründung für das Gesetz „verbreitete Auffassung“:

Es fehlt ein Beleg dazu, wer diese „verbreitete Auffassung“ vertritt. Aus zivilrichterlicher Sicht lässt sich sagen, dass gerade die kurze Frist eine befriedende Wirkung hat, und dass die Regelung auch akzeptiert ist.
Eine umfängliche Internetrecherche verdeutlicht, dass allein von der Landesvereinigung Schleswig-Holstein des Bundes Deutscher Schiedsmänner und Schiedsfrauen eine Verlängerung der Frist gewünscht und die Gesetzesänderung betrieben wird. Insoweit ist allerdings zu berücksichtigen, dass mit der Gesetzesänderung die Schiedspersonen – deren Fallzahlen aktuell außerordentlich gering sind – erhöhte Verfahrenszahlen aufweisen könnten. Den entsprechenden Prozessen muss nämlich ein Güteversuch vorausgehen (§ 1 Abs. 1 Nr. 2e Landesschlichtungsgesetz). Es ist sicher nicht das Motiv für Gesetzesänderungen, zusätzliches Streitpotential zu schaffen, um vorhandene Streitschlichtungseinrichtungen besser auszulasten. Ein in der Sache begründeter Bedarf – zumindest von außen – ist nicht auszumachen.

Zu befürchtende Auswirkungen

1. Auswirkungen auf Natur- und Klimaschutz
In erster Linie ist eine erhebliche Vernichtung von Bäumen (unter 10 Metern) und höheren Büschen oder Sträuchern zu befürchten. Das ist unter Gesichtspunkten des Umwelt- und Artenschutzes und des Klimaschutzes selbsterklärend ausgesprochen nachteilig. Mit einem erheblichen Verlust an Bewuchs ist zu rechnen, weil die Verpflichtung zum laufenden Rückschnitt auf aktueller Höhe dazu führen wird, dass insbesondere Bäume dann gleich ganz gefällt werden (müssen).
Hier ist nicht bekannt, ob dem Gesetzesentwurf insoweit zumindest tatsächliche Erhebungen, Stellungnahmen von Baumgutachtern o.ä. vorausgegangen sind.

2. Zusätzliches Streitpotential gerade in belastete Nachbarschaftsverhältnissen
Gerade in belasteten Nachbarschaftsverhältnissen bietet das neue Gesetz neue „Möglichkeiten“ zur Auseinandersetzung mit den Nachbar*innen. Sie werden genutzt werden, und zwar – in vielen Fällen – nicht um der Sache willen, sondern um des Nachbarschaftsstreits willen.

3. Belastung der Gerichte
Wie schon im Gesetzesentwurf selbst ausgeführt, wird das Gesetz zu zusätzlichen Prozessen führen, und zwar speziell zu den ausgesprochen arbeitsintensiven Nachbarschaftsprozessen zwischen ohnehin verfeindeten Nachbar*innen. Die Erfahrung aus diesen Prozessen zeigt, dass sie häufig nicht um der Sache willen geführt werden. Soweit ersichtlich, soll der Belastungsanstieg nicht mit einer Personalverstärkung einhergehen.
Auf Kosten der Rechtsschutzversicherungen und – in PKH-Verfahren – auf Kosten der Landeskasse sind außerdem teure Gutachten zu erwarten, wenn die Höhe jedes Strauchs und Baums „amtlich“ ausgemessen werden muss. Das wird, soweit es um den laufenden Rückschnitt geht, in fast jedem dieser Prozesse der Fall sein.
Noch nicht eingerechnet sind die sich ggf. jährlich wiederholenden Vollstreckungsverfahren (§ 887 ZPO) – ebenfalls mit jährlich zu wiederholenden Höhenmessungen.
Einen Anspruch auf jährlichen Rückschnitt gesetzlich zu schaffen, ist in den Auswirkungen in jedem Fall schlecht. Überspitzt formuliert erlaubt dieser Anspruch es den verfeindeten Parteien, zu Lasten der Bäume und Büsche und zu Lasten der Gerichte ihrem Streit jährlich neue Nahrung zu verleihen.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass der Gesetzesentwurf ohne Not neues Streitpotenzial und damit eine deutliche Mehrbelastung der ohnehin schon hoch belasteten Amtsgerichte ohne Personalausgleich schafft; auf der anderen Seite wird Natur- und Klimaschutz im Gartenbereich erheblich beeinträchtigt. Ein Gewinn an Rechtschutz ist nicht zu verzeichnen, man höhlt vielmehr ein befriedendes Element aus.

Der Sprecherrat der Neuen Richtervereinigung
Landesverband Schleswig-Holstein

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