Amtstracht bei den Gerichten
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Das Vorhaben, das abgesehen von den nicht näher begründeten Erleichterungen für einen bestimmten Personenkreis im Wesentlichen die Allgemeine Verfügung vom 30. September 1994 in eine Neufassung mit geschlechtergerechter Sprache überführen will, ruft beim erstaunten Leser zunächst die Frage auf, mit was man sich alles so im Ministerium beschäftigen kann; es kann in der Sache so nicht umgesetzt werden:
1. Für die Neufassung einer Allgemeinen Verfügung besteht keine Rechtsgrundlage:
Denn diese will auch ausweislich des Anschreibens Festlegungen zur Amtstracht treffen und damit dienstrechtlich zu beachtende, ggfls. durch die Dienstaufsicht zu beobachtende Gebote aufstellen. Dies ist in Bezug auf Richterinnen und Richter nicht mit einer allgemeinen Verfügung des Ministers machbar. Wir verweisen hierzu auf unsere an Sie gerichtete Stellungnahme zu dem beabsichtigt gewesenen Justizneutralitätsgesetz des Landes Brandenburg (I.1) 3110-I.013 vom 13. März 2023, insoweit es darin heißt:
„Das [Neutralitätsgesetz] ist in der Sache nicht erforderlich. Denn inhaltlich sind bereits die Bestimmungen über die Amtstracht bei den Gerichten vom 20. September 1994 (JMBl/94, [Nr. 10], S. 132) vollkommend ausreichend. Danach dürfen zur dort näher definierten Amtstracht nur „nach Form und Farbe unauffällige, mit der Amtstracht zu vereinbarende Kleidungsstücke“ getragen werden. Allerdings müsste diese betagte Verwaltungsvorschrift nunmehr dringend in den Gesetzesstand erhoben werden, da ansonsten ein nicht erklärlicher Wertungswiderspruch entstünde. Abgesehen davon sind Vorgaben ohne Gesetzeskraft für diejenigen, denen das Grundgesetz die rechtsprechende Gewalt anvertraut, nicht bindend, so dass nach dem mittlerweile vorherrschenden Rechtsverständnis zu untergesetzlichen Normen, die Grundrechte tangieren, derzeit genaugenommen überhaupt keine durchsetzbare Verpflichtung besteht, eine Amtstracht zu tragen. Bei der damit ohnehin notwendigen Überführung der Verwaltungsvorschrift in ein Gesetz könnte freilich der o.g. Erlaubnistatbestand ggfls. um „unauffällige und mit der Amtstracht zu vereinbarende Schmuckstücke, Symbole und Tätowierungen“ erweitert werden.“.
Daran hat sich nichts geändert. Demnach bedarf es vorliegend einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung, siehe z.B. Art. 11 Abs. 1 des Bayerischen Richter- und Staatsanwaltsgesetzes oder § 21 Abs. 2 Nr. 3 des Gesetzes zur Ausführung des Gerichtsverfassungsgesetzes und von Verfahrensgesetzen der ordentlichen Gerichtsbarkeit (des Landes Baden-Württemberg). Vergleichbare Vorschriften sind in Brandenburg jedoch nicht ersichtlich.
Insoweit man in § 71 DRiG i.V.m. § 34 Abs. 2 Satz 3 BeamtStG mittlerweile eine Ermächtigung für den Erlass der Neufassung sehen will, scheiden diese Vorschriften schon deshalb aus, weil sie nicht in der Eingangsformel der Neufassung zitiert werden. Stattdessen werden Regelungen aus dem Abschnitt 5 des Landesbeamten-gesetzes herangezogen, die nicht für alle von der Neufassung betroffenen Personen einschlägig sind. Denn Richterinnen und Richter stehen in keinem landesrechtlichen Beamtenverhältnis. Abgesehen davon ist die auch für die Neufassung bemühte Verordnung über die Übertragung der Befugnis zum Erlass von Verwaltungs-vorschriften über Amtstracht bei den Gerichten sowie Dienstkleidung bei den Gerichten und in den Justizvollzugsanstalten vom 24. Juni 1994 der Sache nach hier nicht (mehr) einschlägig. Denn die gesetzliche Ermächtigung hierzu in § 42 Satz 1 LBG (noch) vom 24. Dezember 1992 betraf allein die Regelung der Dienstkleidung, während es sich jedenfalls für den von uns vertretenen Personenkreis um Regelungen über die Amtstracht handelt, was jedoch nicht dasselbe ist.
2. In der Sache selbst erscheint insbesondere die Eingangsumschreibung in Abschnitt II Nr. 4 unnötig umständlich formuliert. Außerdem ist diese Regelung im weiteren Verlauf vermutlich entweder verunglückt oder aber erfrischend modern:
Denn nunmehr soll auch Männern das Tragen von weißen Blusen, Tüchern oder sogar Schleifen erlaubt und das Anlegen eines Lang- oder Querbinders nicht mehr Pflicht („können“) sein. Leider bleibt unklar, ob mit einem weißen Tuch die im Anschreiben angekündigte Möglichkeit zum Tragen eines weißen Schals gemeint sein soll oder ob übersehen wurde, dass dies eigentlich zwei ganz unterschiedliche Kleidungsstücke sind. Nicht nachvollziehbar ist auch, warum ein durch ein weißes Tuch verdecktes Kleidungstück unbedingt eine andere Farbe haben muss. Des Weiteren verwirrt die unveränderte Beibehaltung der zeitlichen Bestimmung „bisherige“ in Abschnitt II Nr. 5, da die in Bezug genommene Amtstracht kein Verfallsdatum kennt.
3. Wir gehen schließlich davon aus, dass das Vorhaben der Mitwirkung nach § 41 BbgRiG unterliegt:
Denn die richterliche Amtstracht zu regeln gehört nicht zu den verfassungsgemäßen Rechten der obersten Dienstbehörde, § 41 Satz 4 BbgRiG. Hierzu ist entweder die Richterschaft selbst oder aber der Gesetzgeber berufen. Die Angelegenheit gehört auch nicht zu den Maßnahmen, die aus Sicht der damaligen Ministerin der Justiz in deren ohnehin fragwürdigen Handreichung vom 16. April 2020 ((I.1) 3110-I.011) von der Mitbestimmung aufgrund einer verfassungskonformen Auslegung des § 41 BbgRiG ausgenommen sein sollen.
Peter Pfennig
Sprecher des Landesverbandes Berlin-Brandenburg