Richterbesoldung

16. Februar 2024| Bundesvorstand, Stellungnahme

Stellungnahme Bundesverfassungsgericht

Die Neue Richtervereinigung (NRV) bedankt sich dafür, in den Verfahren 2 BvL 5/18 und 2 BvL 10/18, betreffend die Richterbesoldung in Brandenburg in den Jahren 2004‑2016 und in Niedersachsen in den Jahren 2009-2013 und 2016, Stellung nehmen zu können.

Die NRV hält die im Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 4. Mai 2020 (2 BvL 4/18) im Zusammenhang mit dem sog. Abstandsgebot angenommene Korrelation zwischen Beamten- und Richterbesoldung für verfassungsrechtlich nicht geboten. Daher wird von einer Stellungnahme zu den Verfahren 2 BvL 5/18, 6/18, 7/18, 8/18 und 9/18 (Besoldung der Beamten der Besoldungsgruppen A 9 bis A 12 in Berlin) abgesehen.

Die NRV sieht zudem davon ab, in den vorliegenden Verfahren – die im Wesentlichen Besoldungsregelungen betreffen, die noch vor den Grundsatzentscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom 5. Mai 2015 (2 BvL 17/09 u.a.) und vom 17. November 2015 (2 BvL 19/09 u.a.) erlassen worden waren – zu einzelnen Berechnungen Stellung zu nehmen. In Anknüpfung an ihre früheren Stellungnahmen vom 22.3.2017 (2 BvL 8/16) und vom 15.12.2018 (2 BvL 4/18) möchte sie sich in dieser Stellungnahme auf einige wenige, aber grundsätzliche Kritikpunkte an den bislang herausgearbeiteten Maßstäben und an der Praxis der Richterbesoldung beschränken.

 

  1. Zur Trennung von Beamten- und Richterbesoldung
    Art. 98 Abs. 3 GG, der den Ländern Regelungen abverlangt, die der Rechtsstellung der Richterschaft – und somit in klarer Abgrenzung zu jener der Beamtinnen und Beamten – gerecht werden, gebietet nicht nur eine Trennung von Beamten- und Richterbesoldung in Form einer eigenständigen Regelung der Richterbesoldung, sondern darüber hinaus auch deren eigenständige Ausgestaltung.Die Struktur der Richterbesoldung hat einerseits dem Umstand Rechnung zu tragen, dass die Richterschaft – jedenfalls im Bereich der Rechtsprechung – durch ausgesprochen flache Hierarchien geprägt ist, nämlich auf Landesebene nur zwei bzw. – unter Berücksichtigung der spruchkörperinternen Hierarchisierung – drei Ebenen. Alle höheren Besoldungsgruppen sind mit der Wahrnehmung von Aufgaben der Justizverwaltung verbunden. Diese flache Hierarchie ist ihrerseits zur Sicherung richterlicher Unabhängigkeit verfassungsrechtlich geboten (Beschl. v. 24.1.1961, Richterbesoldung I, BVerfGE 12, 81 ff.; Beschl. v. 4.6.1969, BVerfGE 26, 79 ff.; Urt. v. 15.11.1971, BVerfGE 32, 199 ff.).Die erheblich nicht nur nach Besoldungsgruppen, d.h. Wertigkeit einzelner Statusämter, sondern auch nach Erfahrungsstufen, d.h. Dienstalter, differenzierte Besoldungsstruktur des Beamtenrechts ist auf die Richterbesoldung aufgrund der dargestellten Umstände nicht sinnvoll übertragbar (hierzu unter 2.). Dies gilt nicht zuletzt auch im Hinblick auf die unmittelbare Koppelung der Besoldung an die allgemeine Entwicklung von Löhnen und Preisen, die dem Sparsamkeitsgebot Rechnung zu tragen versucht (hierzu unter 3.).
  2. Zur Differenzierung der Besoldung nach Dienstalter
    Die Angehörigen der Dritten Gewalt sind in Bezug auf wesentliche Aspekte Ihrer Rechtsstellung – insbesondere die finanzielle Absicherung ihrer Unabhängigkeit sowie ihre umfassende sachliche Zuständigkeit – mit den Angehörigen der Legislative mindestens ebenso vergleichbar wie mit denen der Exekutive. Daraus wird zwar nicht notwendig die im Diätenurteil vom 5. November 1975 (BVerfGE 40, 296 ff.) postulierte formalisierte Gleichheit der Höhe des Anspruchs auf staatliche Versorgung abzuleiten sein (zur unabhängigkeitswahrenden Funktion dieser Regelung vgl. auch das Urteil vom 21. Juli 2000, BVerfGE 102, 224 ff.), wohl aber eine Alimentationsstruktur, die dem Umstand Rechnung trägt, dass Richterinnen und Richter unabhängig von ihrem Lebens- und Dienstalter weitgehend allumfänglich Recht zu sprechen haben. Ihr Aufgabenbereich wird zwar (abstrakt) durch die richterliche Geschäftsverteilung geregelt, die den individuellen Fähigkeiten und insbesondere auch Erfahrungen Rechnung tragen sollte. Ihr Einsatz – als gesetzlicher Richter i.S.d. Art. 101 Abs. 1 GG – lässt aber, anders als bei abhängig Beschäftigten, gerade nicht die für das Beamtenverhältnis typische einzelfallbezogene Aufgabenzuweisung zu, die es rechtfertigt, eine weite Differenzierung des Besoldungsgefüges als Leistungs- und Anreizsystem vorzunehmen. Die noch aus der unmittelbaren Anwendung der Beamtenbesoldung auf die Richterschaft hergebrachte und nur teilweise abgebaute weite Spreizung der Alimentation dürfte in dieser Ausprägung eine in der Sache nicht zu rechtfertigende und somit Art. 3 Abs. 1 GG widersprechende Altersprivilegierung darstellen.
  3. Zur unmittelbaren Koppelung der Besoldung an die Lohn- und Preisentwicklung
    Die NRV hält das zwischenzeitlich zu beobachtende Verfahren, Einkommensanpassungen strikt an den vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Formeln des soeben nicht Verfassungswidrigen auszurichten, für nicht verfassungsgemäß. Die darin zum Ausdruck kommende Missachtung widerspricht nicht nur der Fürsorgepflicht des Dienstherrn, sondern degradiert den öffentlichen Dienst zu einem notwendigen Übel. Die mangelnde Anerkennung durch den Haushaltsgesetzgeber wiederum trägt zu einer Erosion der Anerkennung des öffentlichen Dienstes insgesamt bei, die es den betroffenen Bediensteten erheblich erschwert, ihren Aufgaben gerecht zu werden. Alimentation ist im Vertrauen darauf zu gewähren, dass die Empfänger sich ihrer würdig erweisen und ihre Aufgaben bestmöglich erfüllen werden. Eine Alimentation allein nach dem Sparsamkeitsprinzip setzt eine Abwärtsspirale in Gang, die der Bedeutung des öffentlichen Dienstes für das rechtsstaatliche Gemeinwesen nicht gerecht wird.

 

Verfasser dieser Stellungnahme: Ruben Franzen für die Neue Richtervereinigung e.V.

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