Echte Unabhängigkeit statt ministerieller Auslese
Das Vorgehen des nordrhein-westfälischen Justizministers Limbach bei der Auswahl der künftigen Präsident*in des Oberverwaltungsgerichts (OVG) NRW beschäftigt nicht nur die Gerichte und künftig auch einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss. Es zeigt vor allem deutlich, welche Schwachstellen die bestehende strukturelle Abhängigkeit der Judikative von der Exekutive aufweist.
Denn ein System, in dem ein Ministerium über Einstellung und Beförderung von Richter*innen bestimmt, macht es der Exekutive denkbar leicht, in die Judikative „hineinzuregieren“.
Es macht möglich, dass ein Minister nicht nur das Bewerbungsverfahren um das höchste Richteramt in NRW gestalten, sondern die für die „Bestenauslese“ erforderliche überlegene Beurteilung der eigenen Favoritin anschließend auch noch selbst verfassen kann. Eine Durchbrechung der Gewaltenteilung, die klar gegen die rechtsstaatlichen Grundsätze der EU, nicht aber gegen geltendes Recht in Deutschland verstößt. So ist in Sachen OVG-Besetzung nun durch
das Bundesverfassungsgericht auch nur zu klären, ob Minister Limbach gerade auch mit den geführten informellen Bewerbergesprächen die Prinzipien eines fairen Verfahrens verletzt hat. Das grundsätzliche System einer ministeriellen Kandidat*innen-Auslese bleibt jedoch unangefochten.
Nicht zuletzt auch das Erstarken rechter Gruppierungen macht jedoch überfällig, dass die Politik sich einer Reform der zugrundeliegenden Justizstrukturen zuwendet. Um die Justiz aus der Abhängigkeit der Exekutive zu lösen, ist ihre Leitung in die Hände unabhängiger Justizräte zu legen – so wie es nach den Anforderungen der EU in den allermeisten europäischen Ländern gängige Praxis ist.
Auf dem Weg dahin kann schon das Landesparlament strukturelle Sicherungen umsetzten und – wie in vielen anderen Bundesländern – auch in NRW einen Richter*innenwahlausschuss einrichten. Zugleich dürfen dienstliche Beurteilungen nicht länger in der Hand der Exekutive (in Gestalt der Gerichtsleitungen bzw. des Ministeriums) liegen. Um Transparenz herzustellen und Missbrauch zu minimieren sind dafür nach österreichischem Vorbild Beurteilungsgremien
zu schaffen.
Eckpunkte hierzu hat die Neue Richter*innenvereinigung NRW schon im März 2012 vorgelegt.
Es ist höchste Zeit, die notwendige Umsetzung anzugehen!