22.12.2013 | LV Sachsen
Offener Brief
Offener Brief Opferberatung
An das Sächsische Staatsministerium der Justiz und für Europa
Herrn Staatsminister Dr. Jürgen Martens
An die Sächsische Staatskanzlei
Herrn Staatsminister Dr. Johannes Beermann
Sehr geehrter Herr Dr. Martens,
Sehr geehrter Herr Dr. Beermann,
mit großer Sorge stellt die Neue Richtervereinigung fest, dass noch immer nicht sicher gestellt ist, dass die beiden Einrichtungen, die in Sachsen die Betroffenen rechter und rassistischer Gewalt unterstützen, nämlich die „Opferberatung für Betroffene rechter und rassistischer Gewalt“ des RAA Sachsen e.V. und der „Mobilen Beratungsarbeit gegen Rechts“ des Kulturbüro Sachsen, ihre Arbeit im Jahr 2014 werden fortsetzen können.
Auf Bundesebene wurden Mitte des Jahres mit dem Programm „Toleranz fördern – Kompetenz stärken“ die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass die langjährige und erfolgreiche Arbeit zahlreicher Initiativen weitergeführt werden könnten. Während die entsprechenden Förderanträge seit Mitte des Jahres bereit liegen, fehlt es im Freistaat noch immer an einem Nachtragshaushalt, der mit der unverzichtbaren Ko-Finanzierung die Fortführung der Einrichtungen in Sachsen sicherstellt. Dies gefährdet die gerade auf diesem Gebiet besonders wichtige Kontinuität. Es ist daher unbedingt vonnöten, dass eine positive Entscheidung n o c h i n d i e s e m J a h r getroffen wird.
Die Arbeit der „Opferberatung für Betroffene rechter und rassistischer Gewalt“ des RAA Sachsen e.V. und der „Mobilen Beratungsarbeit gegen Rechts“ des Kulturbüro Sachsen ist in Sachsen von anhaltend großer Wichtigkeit. Auch wenn sich die Erscheinungsformen rechter Gewalt in den letzten Jahren gewandelt haben mögen und sich von spektakulären zu eher subtileren Methoden der Gewaltausübung zu verlagern scheinen, ist dies für die hiervon Betroffenen oft nicht weniger belastend. Es sind häufig gerade Eingriffe wie beispielsweise eine nicht enden wollende Observierungen durch Angehörige rechtsextremer Gruppen, die für die Betroffenen (und ihre Angehörige) eine dauerhafte Belastung darstellen und damit eine dauerhafte Betreuung erfordern, und zwar durch ihnen vertraute Personen. Daneben nimmt aber auch die Zahl solcher Betroffenen nicht ab, die sich neu an die Beratungsstellen wenden. Da nicht selten Vorbehalte gegenüber der Polizei bestehen oder einfach Angst davor, dass eine Anzeige die eigene Lage noch weiter verschlimmern würde, gibt es zu entsprechenden Einrichtungen auch keine adäquate Alternative.
Schließlich sei darauf hingewiesen, dass beide Einrichtungen in erheblichem Maße im Bereich der Prävention tätig sind – ein Bereich, dessen Wirksamkeit sich zwar in der Regel schwer erfassen lässt, der aber sowohl auf die Einstellung möglicher Täter als auch auf die Kompetenzen potenziellen Opfer oft nachhaltiger wirken dürfte als so manches Strafverfahren.
Die weitere finanzielle Unterstützung der Beratungsstellen für Opfer rechter und rassistischer Gewalt ist daher nicht nur, aber gerade auch in Sachsen von enormer Bedeutung. Und ihre Abwicklung würde von der extremen Rechten mit Sicherheit wie ein Sieg gefeiert werden.
Eine solche Kapitulation darf sich ein Rechtsstaat nicht leisten. Gerade diejenigen Personengruppen, die im Fokus rechter und rassistisch motivierter Gewalt stehen, wie etwa Migranten und Obdachlose, haben Anspruch auf dauerhafte Unterstützung und Solidarität einer Gesellschaft, die sich eben nicht über Ausgrenzung definiert und das Recht des Stärkeren predigt.
Es ist daher höchste Zeit, diesem Erfordernis entsprechend die Ko-Finanzierung für das Jahr 2014 sicherzustellen.
Für den Landesvorstand der NRV Sachsen
Ruben Franzen