28.06.2011 | LV Schleswig-Holstein u.a.
Offener Brief
Minister Schlie missachtet die Unabhängigkeit der Justiz
Gemeinsamer offener Brief von Schleswig-Holsteinischem Richterbund, Schleswig-Holsteinischem Anwalt- und Notarverband e.V. sowie nrv Schleswig-Holstein
Die Position der nrv SH:
Selbstverständlich dürfen Gerichtsurteile kritisiert werden, auch öffentlich, auch von Ministern. Völlig unakzeptabel ist aber, wenn ein Minister eine Richterin unter voller Namensnennung öffentlich tadelt und ihr gönnerhaft Nachhilfeunterricht anbietet, offenbar mit dem Ziel, in der Zukunft „bessere“ Urteile zu bekommen.
Die öffentliche Urteilsschelte von Minister Schlie ist umso befremdlicher, als die schriftliche Begründung des kritisierten Urteils noch gar nicht vorliegt und das Urteil auch noch nicht rechtskräftig ist. Dem Minister fehlt damit einerseits die Grundlage, um das Urteil sachlich beurteilen zu können, andererseits besteht für den betroffenen Polizisten die Möglichkeit, in einem Berufungsverfahren die Entscheidung des Amtsgerichts Elmshorn auf seine Richtigkeit überprüfen zu lassen.
Der Pressesprecher der NRV, Ulf Kämpfer: „Mit seinem Vorgehen hat der Minister unsere Kollegin als Person öffentlich an den Pranger gestellt. Damit wird auf die betroffene Kollegin, aber auch auf die Richterschaft insgesamt, ein unzulässiger Druck ausgeübt, zukünftig in vergleichbaren Fällen in einer dem Innenminister genehmen Weise zu entscheiden, andernfalls eine öffentliche Anprangerung droht.“
Ulf Kämpfer: „Darin liegt eine gravierende Missachtung der richterlichen Unabhängigkeit, die die NRV Schleswig-Holstein in aller Deutlichkeit zurückweist.“
Der Grundsatz der Gewaltenteilung und die Unabhängigkeit der Justiz sind wesentliche Elemente des demokratischen Rechtstaats. Es wäre zu erwarten gewesen, dass gerade Minister Schlie als Verfassungsminister und Repräsentant der Exekutive dies respektiert und eine deutlich größere Sensibilität an den Tag legt.