31.10.2001 | FG Verwaltungsrecht

Stellungnahme

Beschleunigung verwaltungsgerichtlicher Verfahren durch Einführung eines obligatorischen Erörterungstermins

An das BMJ


Eine zwingende Ausgestaltung des § 87 Abs. 1 Nr. 1 VwGO erscheint nicht sinnvoll, weder zur Beschleunigung der Verfahren (Betreff Ihres Schreibens) noch zur Erzielung einer höheren Vergleichsquote (Text Ihres Schreibens). Der von einer obligatorischen Güteverhandlung im Zivilprozess erwartete Effekt wird sich wegen wesentlicher Unterschiede im Verwaltungsprozess nicht einstellen.

Wenn es zu einem Verwaltungsrechtsstreit kommt, ist der Sachverhalt zumeist den Behördenakten schon zu entnehmen und grundsätzlich auch noch die Rechtslage durch eine - ebenfalls zur Neutralität verpflichteten – Widerspruchsbehörde überprüft. Hiernach ist die Sache regelmäßig alsbald entscheidungsreif und eine gütliche Einigung, die ohnehin wegen des Grundsatzes der Gesetzmäßigkeit staatlichen Handelns nur eingeschränkt möglich ist, eher unwahrscheinlich. Seitdem der Einzelrichter und mit Einverständnis der Beteiligten der Vorsitzende bzw. Berichterstatter den Rechtsstreit entscheiden können (§§ 6 und 87a Abs. 2 und 3 VwGO), verliert sich die frühere Bedeutung eines Erörterungstermins, der die aufwändige mündliche Verhandlung vor der Kammer vorbereiten oder etwa durch eine gütliche Beilegung des Rechtsstreits entbehrlich machen sollte.

Soll nicht die Kammer entscheiden, bringt ein Erörterungstermin regelmäßig keinen Vorteil, sondern zusätzlichen Aufwand, da sein Zweck ebenso in einer mündlichen Verhandlung erfüllt wird und dann zudem eine abschließende Entscheidung der Sache möglich ist. Auch zur Vorbereitung einer Erörterung ist die Sach- und Rechtslage zu durchdringen, und selbst wenn die Sache noch nicht entscheidungsreif erscheint, kann statt dessen ohne nennenswerten Mehraufwand mündlich verhandelt werden. Aber auch wenn die Kammer entscheidet, bedarf es dazu meist keines vorausgehenden Erörterungstermins, und in der mündlichen Verhandlung hat sie den Vorteil, durch Bekanntgabe ihrer vorläufigen Rechtsauffassung die Vergleichsbereitschaft erheblich fördern zu können.

Insgesamt wäre also keine Beschleunigung, sondern eine Verzögerung der Verfahren infolge zumeist entbehrlicher Erörterungstermine zu erwarten, da zusätzliche Arbeitskapazität auch zu Lasten der anderen Verfahren beansprucht wird, ohne dass sich die Quote gütlicher Erledigungen wesentlich erhöht. Zumindest wären diejenigen Fallgruppen von der obligatorischen Erörterungen auszunehmen, in denen erfahrungsgemäß unstreitige Erledigungen ausscheiden, namentlich Asylverfahren. Schon die große Zahl solcher Verfahren spricht dafür, bei den bisherigen fakultativen Erörterungen zu bleiben statt die - generell zu zügiger Durchführung ihrer Verfahren verpflichteten - Richter punktuell zu ”gängeln”, wie es etwa mit den zeitlichen Entscheidungsvorgaben nach § 36 Abs. 3 AsylVfG erfolglos versucht wurde. Sinnvoller erschiene die ausdrückliche Formulierung der Pflicht, in jeder Lage des Verfahrens auf eine gütliche Einigung hinzuwirken, etwa in § 106
VwGO.

Mit freundlichen Grüßen

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