05.06.2015 | Landesverband Sachsen
Stellungnahme
Änderung des Sächsischen Personalvertretungsgesetzes (SächsPersVG) und des Sächsischen Richtergesetzes (SächsRiG)
hier: Anhörung zum Referentenentwurf und zur Anpassung des SächsRiG
(1) Die Neue Richtervereinigung (NRV), Landesverband Sachsen, möchte, auch wenn sie dazu nicht ausdrücklich aufgefordert worden war, und obwohl die ursprünglich auf gut 48 Stunden bemessene Stellungnahmefrist zwischenzeitlich längst abgelaufen ist, Stellung nehmen zu den Überlegungen, im Zusammenhang mit der angestrebten Änderung des Personalvertretungsgesetzes möglicherweise auch das Sächsische Richtergesetz zu ändern.
(2) Die NRV begrüßt Überlegungen, im Zuge einer die Mitbestimmung stärkenden Änderung des Sächsischen Personalvertretungsgesetzes auch Vorschriften des Sächsischen Richtergesetzes zur richterlichen Mitbestimmung zu verbessern.
(3) Vorab soll jedoch auf ein strukturelles Defizit hingewiesen werden, das durch den vorliegenden Entwurf nicht wirksam entschärft wird. Da von diesem elementaren Mitbestimmungsdefizit sächsische Richterinnen (und Richter, und Staatsanwältinnen und Staatsanwälte, im Weiteren alternierend) in gleicher Weise betroffen sind wie die Beamten und Angestellten des öffentlichen Dienstes, soll dies kurz näher erläutert werden:
Die Auseinandersetzung um die Reichweite der Mitbestimmung fokussiert sich oft auf Personalangelegenheiten. Dies lässt bisweilen in den Hintergrund treten, dass Mitbestimmung auch und gerade wesentlich dazu bestimmt ist, dass jeder einzelne Beschäftigte unter dem Gesichtspunkt einer menschengerechten Gestaltung seines Arbeitsplatzes Einfluss nehmen kann auf sein ganz unmittelbares Arbeitsumfeld. Dieses Arbeitsumfeld, der Stuhl auf und der Schreibtisch, an dem er sitzt, der Bildschirm, in den er sieht, die Tastatur, das Telefon, alles, was er benutzt, und wie er es benutzen kann, dies alles umgibt den Beschäftigten in der Regel so lange wie sonst keine andere seiner Lebenswelt-Umgebungen, in denen er sich aufzuhalten pflegt. Das Recht auf Mitbestimmung bezieht sich daher im Rahmen der allgemeinen Angelegenheiten, die der vollen Mitbestimmung unterfallen, immer auch auf die Gestaltung der Arbeitsplätze (im SächsPersVG § 81 Abs.2 Nr.11).
(4) Das Recht auf Mitbestimmung läuft, obwohl gerade in Sachsen von Verfassungsrang, in dieser elementaren Angelegenheit in weitem Umfang de facto leer.
Denn die Zuständigkeiten für wesentliche Aufgaben der internen Verwaltung wurden in den letzten Jahren für viele bzw. für alle sächsischen Behörden bei ausgelagerten Staatsbetrieben konzentriert. Für Baumaßnahmen ist die SIB zuständig (A 3.1 RLBau Sachsen), für die Kommunikation das SVN (VwV SVN) und für die Beschaffung von IT-Technik die SID (VwV SID). Soweit diese Verwaltungsvorschriften Regelungen zum Verfahren enthalten, kommt darin eine Beteiligung der Mitbestimmungsgremien nicht vor.
Nach dem geltenden Regelungsgefüge des PersVG (und erst Recht nach dem des SächsRiG) ist Mitbestimmung in diesen ausgelagerten Angelegenheiten nicht gewährleistet. Denn Mitbestimmung bezieht sich immer nur auf Maßnahmen der betroffenen Dienststelle selbst (vgl. BVerwG, Beschluss vom 27.7.1979, 6 P 25/78). Ohne unmittelbare Einwirkungsmöglichkeit der Dienststelle liegt schon gar keine „mitbestimmungsfähige“ Maßnahme vor.
Dieses Manko scheint der Entwurf mit der Einführung eines Beteiligungserfordernisses nach § 87 Abs.1a kompensieren zu wollen. Danach hat der Hauptpersonalrat einer obersten Dienstbehörde (i.d.R. also der des Finanzministeriums) andere Personalräte, deren Geschäftsbereich von einer Maßnahme betroffen ist, die der Mitbestimmung unterliegt, dadurch am Mitbestimmungsverfahren zu beteiligen, dass ihnen Gelegenheit zur Äußerung zu geben ist, wenn diese Maßnahme eine über den Geschäftsbereich der zur Mitbestimmung berufenen Personalvertretung hinausgehende Wirkung entfaltet.
(5) Diese Form der mittelbaren Beteiligung an der Mitbestimmung kann nach Auffassung der NRV dem in Art. 26 Sächsischen Verfassung verankerten Recht auf Mitbestimmung nicht gerecht werden. Nach Auffassung der NRV begründet die Sächsische Verfassung einen Anspruch auf effektive Mitbestimmung jedenfalls in den Kernangelegenheiten, die der Mitbestimmung unterliegen. Dieses Grundrecht darf durch organisatorische Maßnahmen nicht einfach ausgehebelt werden. Vielmehr ist dafür Sorge zu tragen, dass diejenigen, die von einer Maßnahme betroffen sind, die grundsätzlich der Mitbestimmung unterliegt, dieses ihr Recht auch ausüben können.
Nichts anderes folgt nach Auffassung der NRV im Übrigen aus dem DRiG. Auch der darin verbürgte Anspruch auf Beteiligung des Richterrates an den allgemeinen und sozialen Angelegenheiten (§ 73 DRiG) verpflichtet zur Gewährleistung einer effektiven Mitbestimmung.
Lösen ließe sich das Problem beispielsweise dadurch, dass die nach § 69 PersVG vorgesehene institutionalisierte Arbeitsgemeinschaft der Hauptpersonalräte für diese Konstellationen als originäres Mitwirkungsgremium konstituiert wird.
Dies leitet über zur Gewährleistung der notwendigen Einbindung des Landesrichterrates in die Organisationen der Mitbestimmungsgremien.
(6) Die beabsichtigte Institutionalisierung der Arbeitsgemeinschaft der Hauptpersonalräte in § 69 PersVG wird ausdrücklich begrüßt. Die NRV geht davon aus, dass der Landesrichtertrat als ein einem Hauptpersonalrat vergleichbares Organ der Mitbestimmung anzusehen ist und daher zur Teilnahme berufen ist. Denn eine Entsendung von Vertretern in den Hauptpersonalrat der Justiz scheidet der Form nach aus. Und von den zu behandelnden gemeinsamen Angelegenheiten sind Richter in der Regel nicht weniger betroffen als alle anderen Beschäftigten auch. Dies sollte allerdings klarstellend im Text erwähnt werden.
(7) Es ist ausdrücklich zu begrüßen, wenn vorgesehen ist, dass die Personalvertretung nach § 73 Abs.2a künftig bereits in die Vorbereitung von Organisationsänderungen und von Regelungen über die Einführung, Änderung oder Erweiterung technischer Einrichtungen einzubeziehen, und zwar unabhängig davon, ob diese dazu bestimmt (bzw. geeignet) sind, das Verhalten oder die Leistung der Beschäftigten zu überwachen, oder nicht.
Ungeachtet des Umstandes, dass dem Landesrichterrat eine solche Mitwirkung derzeit weitgehend ermöglicht wird, sollte dies explizit auch in das SächsRiG aufgenommen werden. Dies folgt aus mehreren Überlegungen:
a) Nur eine Beteiligung in einem möglichst frühen Stadium der Planung ermöglicht es, grundlegenden Fehlentwicklungen (Entwicklungen durchaus auch im technischen Sinne) durch die frühzeitige Beteiligung der künftig Betroffenen zu erkennen. Selbstverständlich können nicht alle möglicherweise im Vorfeld geäußerten Wünsche erfüllt werden. Eine Entwicklung, die die für die nächsten Jahrzehnte grundlegenden Arbeitsabläufe vorgeben wird, sollte dennoch nicht darauf verzichten, möglichst viel Sachverstand einfließen zu lassen. Beteiligungsmöglichkeiten erhöhen zudem die Akzeptanz. Und je grundlegender die Planungen sind, desto wichtiger ist es, die davon Betroffenen möglichst in einem Stadium einzubinden, in dem noch nicht alles vorprogrammiert ist.
b) Rechtlich verankert gehört diese Aufgabe für den Landesrichterrat deshalb, weil im Zweifel nur dann, wenn es sich um eine offizielle Aufgabe handelt, entsprechende Freistellungen und Fortbildungen in Anspruch genommen werden können.
(8) Die Erweiterung der Mitwirkungsrechte in Hinblick auf grundlegende Änderungen von Arbeitsverfahren und Arbeitsabläufen und auf die Erstellung und Änderung von Personalentwicklungskonzepten (§ 77 Nr.5 und 6 des Entwurfs) wird begrüßt. Diese Erweiterung sollte auf die Richtervertretung übertragen werden. Gleiches gilt in Bezug auf Grundsätze über die Durchführung von Stellenausschreibungen (§ 80 Abs.2 Nr.9 des Entwurfes) und für eine Erweiterung des dem § 81 Abs.2 Nr.12 PersVG entsprechenden Mitbestimmungstatbestandes des § 15 Abs.3 Nr.11 SächsRiG.
(9) Die NRV möchte sich zu der Frage, ob die in § 46 SächsPersVG vorgesehene Herabsetzung der Zahl der Vertretenen als Voraussetzung für eine volle Freistellung eines Personalratsmitglieds erforderlich ist, ebenso wenig äußern wie zu der Frage, ob es regelungstechnisch nicht vernünftiger sein könnte, gremienbezogene Mindestfreistellungskontingente festzulegen. Ein solches Kontingent wird jedenfalls für den Landesrichterrat gefordert. Die Regelung des § 11 Abs.3 SächsRiG, nach welcher ein Mitglied des Landesrichterrates in dem zur ordnungsgemäßen Durchführung seiner Aufgaben erforderlichen Umfang freizustellen ist, reicht zur Sicherung einer wirksamen und unabhängigen Arbeit dieses Gremiums nicht aus. Denn eine nicht per Gesetz eingeräumte, sondern lediglich auf Verlangen zu gewährende und damit der Rechtfertigung bedürfende Freistellung kann der Rolle eines solchen Gremiums nicht gerecht werden.
Dabei sollte den Mitgliedern des Landesrichterrates eine Freistellung in demselben Umfang gewährt werden wie den Mitgliedern der Personalvertretungen der anderen Personalvertretungen auch. Von einer vollständigen Freistellung sollte jedoch eher abgesehen werden. Es dürfte genügen, den Mindest-AKA Anteil der dem Gremium zur Verfügung stehenden Freistellung verbindlich festzulegen.